Wie bestimmt man Dar al-Harb und Dar al-Islam?
Gespeichert von am Sa., 21/05/2022 - 19:28
Liebe Leserin, lieber Leser,
fassen wir kurz zusammen, unter welchen Bedingungen ein Ort nach Ansicht islamischer Gelehrter ein Kriegsland (Dar al-Harb) sein kann:
Zunächst halten wir es für sinnvoll, die Begriffe Dar al-Harb und Dar al-Islam zu definieren. Ömer Nasuhî Billmen definiert die beiden Begriffe folgendermaßen:
Dar al-Islam ist ein Ort unter muslimischer Herrschaft, an dem Muslime in Sicherheit leben und ihre religiösen Pflichten erfüllen. Die Orte, die unter der Herrschaft von Nicht-Muslimen stehen, mit denen es keinen Vertrag gibt, werden als Dar al-Harb verstanden.
Nun sollen die shafiitischen und hanafitischen Sichtweisen dazu erläutert werden:
Nach der schafiitischen Rechtschule wird ein Land, das auch nur einmal von Muslimen erobert wurde, bis zum Tag des Gerichts als "Dar al-Islam angesehen. Dieses Urteil ändert sich auch dann nicht, wenn ein solches Land später von Ungläubigen übernommen wird. Selbst die Länder von Nicht-Muslimen, die mit Muslimen in Frieden leben, werden nicht als Dar al-Harb angesehen (Vgl. Bilmen, Ö. N. a.g.e., III/335.)
Nach der hanafitischen Rechtschule wird ein Dar al-Harb zu einem Dar al-Islam, wenn einige der islamischen Regeln umgesetzt werden (Vgl. Kuhistanî, II/311.) In dieser Hinsicht besteht Einigkeit. Was die Umwandlung eines Dar al-Islam in einen Dar al-Harb betrifft, so gibt es zwei unterschiedliche Meinungen. Die erste dieser Ansichten gehört zu Imam Abu Hanifa und die zweite zu den „Imamayn“ (Imam Muhammad und Imam Yusuf).
Nach Imam Abu Hanifa müssen die folgenden drei Bedingungen erfüllt sein, damit ein Dar al-Islam in ein Dar al-Harb umgewandelt werden kann. Fehlt eine dieser Bedingungen, gibt es auch keine Umwandlung.
1. Der Unglauben muss komplett und überall umgesetzt werden. Wenn man aber manche seiner Pflichten wie z.B. das Freitagsgebet wahrnehmen kann, sprechen wir nicht mehr von Dar al-Harb. Das System muss also komplett auf den Unglauben ausgerichtet sein und die islamische Glaubenspraxis muss komplett verboten werden oder unmöglich gemacht werden (Vgl. Serahsî, Mebsût, X/114.)
Man mag anmerken, wir sprechen hier über vollständigen Unglauben. Es ist etwas anderes, wenn man mit den Ansichten der Machthaber nicht einverstanden ist, oder wenn sie aufgrund ihrer menschlichen Natur sich die ein oder anderen Fehltritte leisten. Wenn man unter so einer Regierung auch nur einen Aspekt seines Glaubens ausleben kann, sprechen wir von einem Dar al-Islam im Sinne von Imam Abu Hanifa.
Es macht auch keinen Unterschied ob in dem Land Nichtmuslime leben und ihre Religion ebenso praktiziert wird (Vgl. ibn-i Âbidin, Dürrü'l-Muhtar Şerhi, IV/175). Im damaligen Medina lebten auch Juden aber man sprach mit dem Wirken des Propheten vom damaligen Medina als Dar al-Islam (Vgl. Bezzaziye, VI/312.)
2. die Grenzen und Nachbargrenzen dieses Landes müssen vollständig von Ungläubigen umgeben sein. Wenn eine der Grenzen eines Landes an ein Dar al-Islam angrenzt, das heißt, wenn es an ein muslimisches Land angrenzt, kann es kein Dar al-Harb sein. Muslime, die einem muslimischen Land benachbart sind, werden nicht vollständig besiegt. Sie können ihren Glauben, ihre ethischen, moralischen, religiösen, sozialen, politischen, kommerziellen und angestammten Beziehungen zu diesem muslimischen Land aufrechterhalten; sie können die islamische Ehre am Leben erhalten. So Imam Abu Hanifa
3. Dass die Muslime oder Dhimmis (nicht-muslimische Minderheiten/Schutzbefohlene), die bisher in dieser Stadt Sicherheit für Leben und Eigentum hatten, diese Sicherheit aufgrund einer Invasion durch Nichtmuslime nicht mehr haben werden. Diese dritte Bedingung ist überhaupt erst relevant, wenn eine islamische Stadt von Ungläubigen überrannt wird.
Erläutern wir nun diese drei von Imam Abu Hanifa genannten Bedingungen anhand eines Beispiels:
Andalusien, das zuvor ein islamisches Land war, wurde später von Christen besetzt. Für die Muslime gab es keine Sicherheit für Leben und Eigentum, und die Gesetze des Unglaubens wurden in vollem Umfang angewendet. Dieses Land hat keine Grenzen zu anderen islamischen Ländern, und da die drei genannten Bedingungen in Andalusien gemeinsam erfüllt sind, können wir von einem Dar al-Harb sprechen.
Die „Imamayn“ also Imam Muhammad und Imam Yusuf) hingegen führten die Verwandlung von einem Dar al-Islam in ein Dar al-Harb auf die Tatsache zurück, dass "die Gesetze des Unglaubens dort umgesetzt wurden und die Nicht-Muslime über die Muslime absolut siegreich waren". Voraussetzung dafür ist die vollständige Invasion eines islamischen Landes durch Nicht-Muslime. Batumi zum Beispiel ist nach Ansicht der „Imamayn“ ein Dar al-Harb, weil es zu hundert Prozent unter russischer Herrschaft steht und die Gesetze des Unglaubens dort hundertprozentig angewendet werden. Wenn in Batumi islamische Gesetze oder Gottesdienste erlaubt sind (z. B. die Verrichtung des Ramadanfestes oder der Freitagsgebete), dann ist es nach Ansicht der „Imamayn“ kein Dar al-Harb mehr.
Fragen an den islam
- Gelten für einen in Deutschland lebenden Muslim die Normen des Dar al-Harb? Wie funktioniert der Dar al-Harb?
- Wie deutet Imam Ebu Hanife die Ayet „Yed’ullah“*?
- Können Sie bitte Informationen zum Thema Rechtsschulen geben? Warum sind Rechtsschulen notwendig?
- Was ist beim Umgang (z.B. Transport, Lieferung…usw.) mit (berauschendem) Alkohol zu beachten?
- Ist im Islam das Tragen eines Barts Pflicht?
- Ab wie viel Leuten kann man Cuma (Das Freitagsgebet) beten?
- Was kann ich tun um einen früheren Fehler zu korrigieren und wieder Gottes Wohlwollen zu erreichen?
- Wenn der Prophet ohne Sünde ist, warum tötet er dann?
- Ist es aus islamischer Sicht erlaubt ein Konto bei einer Bank zu besitzen, wenn es zur Erleichterung dient?
- Was ist eigentlich die Scharia?