Ist es zulässig, eine Karikaturzeitschrift, wie die in Paris, zu überfallen, weil sie den Propheten beleidigt, indem man das Beispiel von Ka'b b. Ashraf zur Zeit des Propheten anführt?

Antwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

als Staatsoberhaupt befahl der Prophet (Friede sei mit ihm), einige Kriegsverbrecher wie Abu Izza und den jüdischen Dichter Ka'b b. Ashraf, der mit dem Feind kollaborierte und ihn gegen die Muslime aufhetzte, zu töten. Ka'b b. Ashraf hatte auch den Propheten (Friede sei mit ihm) und die Frauen des Islams zum Gegenstand seiner Schmähgedichte gemacht.

Solche Todesurteile sind eine Strafe für eine Straftat. Das Urteil des Propheten (Friede sei mit ihm) und die Anordnung ihrer Tötung erfolgte in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt und höchster Richter. Eine Person, die sich nicht in dieser Position befindet, kann nicht eigenmächtig und rechtswidrig die Tötung von Menschen anordnen und die Verbrecher bestrafen. Es ist klar, dass eine solche Situation zu Anarchie führt und nicht richtig ist. In diesem Fall wird die Sicherheit von Leben und Eigentum verschwinden.

Es sei darauf hingewiesen, dass historische Vergleiche mit der aktuellen Situation nicht ohne Weiteres 1:1 anwendbar sind. Die Rechtssysteme und der Katalog für Straftaten und Bestrafungen sind der jeweiligen Epoche und dem jeweiligen Kontext geschuldet. Die Fragestellung zielt nicht auf einen Vergleich der Systeme ab, sondern auf die Analyse der Umsetzung und der damit verbundenen Konsequenzen. Es existieren zahlreiche Nationen auf globaler Ebene, die durch signifikante Unterschiede in ihren Rechtsordnungen und Justizsystemen charakterisiert sind. Es ist daher von wesentlicher Bedeutung, die Übereinstimmung eines Strafmaßes mit den Grundsätzen von Fairness und Gerechtigkeit in einem fairen und ordnungsgemäß geführten Gerichtsprozess zu gewährleisten und dessen Umsetzung innerhalb des bestehenden Systems zu überprüfen. Andernfalls würde eine spontane und wahllose Vergeltungsmaßnahme lediglich als persönlicher Rachefeldzug zur Selbstbefriedigung betrachtet werden. Eine solche Vorgehensweise widerspricht den ethischen Prinzipien des Islams und ist demnach nicht als Wiederherstellung von Gerechtigkeit zu betrachten.

Die Bestimmung der zu verhängenden Strafen oder Reaktionen durch den Einzelnen ist als unzulässig zu erachten.

Im Falle eines Angriffs auf die Ehre, die Persönlichkeit oder die Werte einer Person ist die Angelegenheit an die zuständigen Staatsorgane zu verweisen, und der Staat hat erforderlichenfalls eine Strafe zu verhängen.

Es stellt sich möglicherweise die Frage, warum das Strafmaß in dieser Sache überhaupt so hart ausfällt.

Nach eingehender Prüfung aller vorliegenden Beweise kam das Gremium der Mujtahids zu dem Schluss, dass die Strafe für die Lästerung und Beleidigung des Propheten der Tod ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dieses Verhalten als Abtrünnigkeit und Apostasie angesehen wird. Gemäß der Ansicht einiger Mudschtahids sollte der Beschuldigte vor der Hinrichtung die Möglichkeit zur Reue geboten werden.

Wenn der Lästerer jedoch ein Nichtmuslim ist, vertreten einige Mudschtahids, wie Abu Hanîfa, die Auffassung, dass eine Hinrichtung nicht zulässig sei, sondern vorbeugende Maßnahmen und Strafen ausreichend seien. Gemäß dem hanafitischen Madhhab ist es dem Staat nicht gestattet, gegen einen Dhimmi oder einen Nichtmuslim, der heilige Werte lästert, die Todesstrafe zu verhängen. Stattdessen ist er befugt, eine beliebige Strafe zu verhängen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Zustand der Blasphemie, in dem sich die betreffende Person befindet, vor Allah als ein größeres Vergehen angesehen wird als die von ihr begangene Beleidigung. Die geringere Strafe kann folglich kein höheres Strafmaß rechtfertigen. Mit einfachen Worten: Wenn man wegen dem Unglauben schon nicht exekutiert wurde, dann auch nicht wegen der Beleidigung. (Vgl. Şevkânî, Neylü’l-Evtâr, 9/235-238; Seharenfuri, Bezlü’l-Mechûd, 12/423-426; Abbâdî, Avnu’l-Ma’bûd, s. 1892-1893)

Die islamischen Juristen und Rechtsgelehrten haben sich mit der Aufgabe befasst, Gerechtigkeit und das Recht sowie das Strafmaß und das Strafrecht gesetzlich zu verfassen. In diesem Zusammenhang haben sie tiefgehend über die Bedingungen der Bestimmung von Verbrechen, die Bedingungen des einzusetzenden Strafmaßes, Wiederholungen, Zwänge und Begnadigungen diskutiert und so eine reichhaltige Gesetzgebung ausformuliert und in den Diskursen auch unterschiedliche Herleitungen präsentiert. Im islamischen Recht werden Strafen als zwangsmäßiger und endgültiger Eingriff definiert, der nur nach der Implementierung aller erforderlichen Maßnahmen zur Prävention von Verbrechen verhängt werden darf. Demgemäß stellt das grundlegende Ziel der islamischen Rechtsgebung nicht die Bestrafung von Personen dar, sondern vielmehr die Prävention von Verbrechen. Es sei darauf hingewiesen, dass es hierbei primär um die Wahrung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sowie um die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Balance, der Rechtleitung und Bildung des Menschen geht. Damit diese Bemühungen in der Gesellschaft erfolgreich sind, ist es unerlässlich, dass die religiöse Ausbildung, die gesellschaftliche Ausrichtung, das gesamtgesellschaftliche Verständnis von Ethik und Moral sowie die rechtlichen Bestimmungen und die offizielle Politik aufeinander abgestimmt sind.

Das islamische Strafmaß ist als ein Element eines in sich geschlossenen Wertesystems zu betrachten, welches von der Gesellschaft als solches wahrgenommen und akzeptiert wird. Eine Isolation eines spezifischen Elements und dessen Anwendung in einem anderen System wäre demnach nicht zielführend. Daher ist es nachvollziehbar, dass das Strafmaß aus der Perspektive eines anderen Kulturkreises und mit anderen Wertevorstellungen befremdlich erscheinen kann. Dieses Strafmaß ist in erster Linie auf die stark ausgeprägte Frömmigkeit der Gesellschaft und die Prävention des sozialen Verfalls zurückzuführen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Integrität des Rechtssystems und des Verfahrens. Es muss evident und unverfälschbar nachweisbar sein, dass der Täter bewusst ein Verbrechen begangen hat, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt. Dies trägt potenziell zur Einschränkung des Täterprofils bei. Bei näherer Betrachtung werden zahlreiche Kriterien evident: Der Täter muss klar identifizierbar sein, es müssen Zeugen existieren, die böswillige Absicht muss klar erkennbar sein, es muss ein Gericht geben, es dürfen nicht Unbeteiligte angeklagt sein... 

In einem solchen idealisierten System wären derartige Sanktionen relativ selten zu verzeichnen und die Straftaten würden eine signifikant höhere Aufmerksamkeit erregen. Sie würden als Akt der Extremität wahrgenommen werden. So wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass die Bestrafung des Diebstahls durch das Abschlagen der Hand gemäß den vorliegenden Dokumenten nur selten praktiziert wurde. Es erübrigt sich demnach, die Frage zu stellen, ob das islamische Strafmaß veraltet wäre oder in der heutigen Zeit anwendbar wäre. Gesamtgesellschaftliche Maßnahmen könnten erst dann sinnvoll erscheinen, wenn die Gesellschaft die angesprochenen Punkte erreicht hätte. Mit anderen Worten: Der Vergleich wäre nur dann valide, wenn wir heute eine gleich aufgestellte islamische Gesellschaft hätten, wie damals. Der Islam verfestigt sich von innen nach außen, nicht umgekehrt. Die Reform des Herzens beginnt demnach im Inneren des Individuums und manifestiert sich anschließend in der Außenwelt, sofern diese bereit ist, sich zu transformieren. Das gesellschaftliche System erwachsen also vom Fundament her aufwärts, vergleichbar mit der natürlichen Entfaltung einer Blume. Eine von oben nach unten gerichtete, durch Macht und Gewalt durchgeführte Reform würde einer Diktatur gleichkommen.

Letztlich ist zu betonen, dass die Beendigung eines menschlichen Lebens keinesfalls als willkürlich zu betrachten ist. Der Mensch sollte sich stets davor hüten, das von Gott gegebene Leben leichtfertig zu nehmen und sich in die Angelegenheiten und Entfaltung des Schicksals zu intervenieren. Was wäre denn, wenn wir im Jenseits vor unseren Schöpfer stehen und er uns offenbart, dass wir entgegen seiner Pläne für die Geschehnisse, durch unser unüberlegtes Handeln eine große Ungerechtigkeit ausgelöst haben? Welche Antwort finden wir darauf?

Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält. (Sura al-Māʾida 32)

Und du darfst nicht meinen, daß Gott das, was die Ungerechten tun, unbeachtet läßt. Er stellt sie nur zurück bis zu einem Tag, an dem die Blicke starr werden. (Sura Ibrāhim 42)

Fragen an den islam

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