Warum schwört Allah im Koran?
Gespeichert von am Mo., 01/09/2025 - 12:41
Liebe Leserin, lieber Leser,
seit jeher verwendet der Mensch Schwüre, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, seine Zuhörer zu überzeugen und die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen zu betonen. In dieser Hinsicht sind Schwüre für den Menschen nichts Fremdes. Auch die Schwüre im Koran sind Worte Allahs, die in einer Sprache und Ausdrucksweise offenbart wurden, die der Mensch versteht.
In den Versen des Koran schwört Allah nicht nur bei Seinem eigenen erhabenen Namen (Hidschr 15:92), sondern auch: • bei Seinen Propheten (Yā-Sīn 36:1), • bei den Orten der Offenbarung (Tūr 52:1–3; Balad 90:1), • bei den Engeln (Sāffāt 37:1; Nāziʿāt 79:1–2), • beim Koran selbst (Wāqiʿa 56:77; Tūr 52:2), • beim Jüngsten Tag (Qiyāma 75:1), • bei Geschöpfen und Naturerscheinungen wie dem Schreibrohr (Qalam 68:1), dem Himmel (Burūj 85:1), der Sonne (Schams 91:1), dem Mond (Schams 91:2), der Nacht (Layl 92:1), der Morgendämmerung (Fajr 89:1), dem Vormittag (Duḥā 93:1), der Zeit (ʿAṣr 103:1), den Sternen (Naǧm 53:1), dem Wind (Dhāriyāt 51:1) und sogar bei Pflanzen (Tīn 95:1).
Der Koran ist das Wort Allahs, des Herrn aller Welten, und spricht zu uns auf unserer Verständnisebene. Die Schwüre in den Versen dienen nicht dazu, dass Allah einen Beweis für Seine Wahrhaftigkeit nötig hätte – denn Er ist der Allwissende und Wahrhaftige. Vielmehr sollen diese Schwüre:
• den Aussagen Nachdruck verleihen,
• die Menschen auf die Bedeutung bestimmter Dinge aufmerksam machen,
• den Wert von Geschöpfen und Naturphänomenen verdeutlichen,
• und die Menschen zum Nachdenken anregen.
So weist Allah durch Schwüre auf die Wahrheit des Korans, des Jüngsten Tages, der Auferstehung, des Gerichts, des Paradieses und der Hölle hin und räumt mögliche Zweifel aus.
Wir müssen die Schwüre nicht im „Wortsinn“ (als ob die Dinge an sich heilig wären), sondern als „Hinweis“ verstehen: Allah schwört auf Seine Schöpfungen, weil sie Zeichen Seiner Macht, Seiner Weisheit und Seiner Barmherzigkeit sind. Wenn Er also etwa auf die Sonne, die Nacht oder die Zeit schwört, dann weist Er damit auf Seine eigene Größe hin, die sich in diesen Geschöpfen offenbart (vgl. "Bediüzzaman" Said Nursi, Mektubat, S. 378).
Beispiel: „Beim Zeitalter (ʿAsr)!“ (Sure al-ʿAsr 103:1)
Ein Beispiel ist der Schwur „Beim Asr (der Zeit)!“. Warum schwört Allah auf die Zeit?
1. Asr als Zeit allgemein: Alles, was der Mensch tut – Gutes oder Böses, Freude oder Leid – geschieht in der Zeit. In der vorislamischen Zeit machten die Araber das Schicksal oder das „böse Geschick der Zeit“ für Unglück verantwortlich. Indem Allah auf die Zeit schwört, macht Er klar, dass nicht die Zeit die Ursache von Leid ist, sondern der Mensch selbst.
2. Asr als der Nachmittag (ʿAṣr-Zeit): Manche Gelehrte verstehen „Asr“ als den Nachmittag. Allah schwört auch bei der Vormittagszeit (Duḥā), daher liegt es nahe, dass Er bei einem weiteren Tagesabschnitt schwört. Der Nachmittag ist eine Zeit, in der der Tag zu Ende geht, die Menschen ihre Arbeit abschließen und Bilanz ziehen – was an den Jüngsten Tag erinnert. Außerdem galt die Asr-Zeit bei den Arabern als „unglücklich“, da sie sich damals dort zu untätigem Gerede und Streitereien versammelten. Allah hebt mit diesem Schwur hervor, dass die Asr-Zeit nicht verflucht ist, sondern ein ehrwürdiges Geschöpf Gottes.
3. Asr als Nachmittagsgebet (ṣalāt al-ʿAṣr): Einige Gelehrte deuten „Asr“ als das Nachmittagsgebet, gestützt auf Koranverse (al-Baqara 2:238) und Hadithe. Der Prophet (صلى الله عليه وسلم (sagte: „Wer das Asr-Gebet nicht verrichtet, ist, als hätte er Familie und Besitz verloren“ (Buchārī, Muslim). Da dieses Gebet das letzte des Tages ist, besitzt es eine besondere Bedeutung.
4. Asr als Epoche des Propheten Muhammad (صلى الله عليه وسلم(: Wieder andere sehen im „Asr“ die Zeit des Propheten, die entscheidende Epoche der Menschheitsgeschichte. Denn mit ihm kam die letzte Offenbarung und das endgültige Licht der Rechtleitung für die ganze Menschheit.
Zusammenfassung
„Asr“ ist ein vieldeutiger Begriff: Es kann die Zeit allgemein, die Nachmittagszeit, das Nachmittagsgebet oder die Epoche des Propheten meinen. Alle diese Bedeutungen sind miteinander vereinbar, und in allen Fällen zeigt der Schwur Allahs den Wert und die Würde dessen, worauf Er schwört.
Fragen an den islam
- Führt ein Schwur auf etwas anderes als Allah zum Verlassen des Glaubens?
- Kann man auf den Koran schwören, und ist dieser Schwur gültig?
- Kann jemand, der auf den Koran geschworen hat, von seinem Schwur zurücktreten?
- Welche Strafe hat ein Meineid (falscher Schwur)?
- Muss jemand eine Sühne leisten, wenn er sagt: „Bei Allah, ich werde für dich beten“ und es dann nicht tut?
- Darf ein Schwur auf den Koran gebrochen werden?
- Wie leistet man die Sühne, wenn man mehrere Schwüre bricht?
- Die Aussage „Du bist mir verboten“ gegenüber der Ehefrau – bedeutet sie Scheidung, Zihar oder Eid?
- Werden im Qur`an die fünf Gebetszeiten erwähnt?
- Stimmt es dass im Koran nicht über das Nachholen von Gebeten gesprochen wird?