Wie sieht es nun mit dem Tragen eines Barts im Islam aus?

Details der Frage

Welchen Stellenwert hat der Bart für den Islam? Es gibt viele verschiedene Meinungen hierzu, auch auf ihrer Seite gibt es einen Text dazu. Um die Verwirrung aufzulösen, können sie das Thema einmal detailliert mit Quellen angehen und die verschiedenen Punkte darstellen?

Antwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Bart ist ein wichtiger Bestandteil der Sunna des Propheten Muḥammad (S.A.S.). Da kein Gelehrter den Bart auf die Stufe einer Pflicht ("Farḍ") gehoben hat bzw. dafür argumentiert hat, ist wenn sich jemand keinen Bart wachsen lässt, auch nicht das selbe Maß wie dem Unterlassen einer religiösen Pflicht anzusetzen.


Bei der Sunna des Barts gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen hanafitischer und schafiitischer Rechtschule. Nach schafiitischer Rechtsschule entspricht der Bart der Sunna, das Abschneiden ist gemindert verpönt. Nach hanafitischer Rechtsschule und den anderen beiden Rechtschule (hanbalitisch, malikitisch) ist das Urteil anders. Das Abschneiden des Barts ist hier stärker verpönt.


Da unsere Religion bei diesem Thema keine Pflicht deklariert, kann man Menschen nicht vorwerfen "warum sie denn keinen Bart tragen". Wer diese Sunna nicht praktiziert verpasst den Lohn dieser Tat, er wird dadurch aber nicht zum Sündiger.
Die Grundsätze, Prinzipien und Werte die der Prophet Muḥammad (S.A.S.) eingeführt hat, decken alle Abschnitte des Lebens ab. Vom Gottesdienst bis hin zu jeglichem Prozedere, von der Ethik bis hin zu persönlichen Belangen, vom Individuum bis hin zur Gesellschaft, in der Sunna des Propheten findet man Wesentliches hierzu.


Die Lebensführung des Propheten ist das beste Vorbild und das deutlichste Exempel für die Gläubigen. So sagt ein Vers hierzu;


Wahrlich, ihr habt an dem Propheten Gottes ein schönes Vorbild für jeden, der auf Gott und den Letzten Tag hofft und Gott häufig gedenkt. (Sura al-Aḥzāb 21)


Der Prophet weist einige Praktiken auf, die seinen natürlichen Verhaltensweisen entsprechen. Hierzu gehören z.B. die Art und Weise seiner Kleidung, seine Essgewohnheiten, seine Hygiene und Körperflege. Viele dieser Punkte gehören zum "Adāb al-Muʿāšarāt", welche etwa mit "etiketierte Formen des höflichen und angemessenen Umgangs" bezeichnet werden kann. Die Gläubigen können mit der Ausführung dieser Praktiken, ihre Verhaltensweisen positiv aufwerten bzw. segnen. Einige dieser Praktiken wurde von der ehrwürdigen Prophetengattin ʿĀʾiša (r.a.) über den Propheten überliefert:

Zehn Dinge entstammen aus der Natur (Traditionen die ihren Ursprung in dem Wesen des Geschöpfs haben müssen): Den Oberlippenbart kürzen, den Bart wachsen lassen, Den "Siwak" (ein Stiel zum Bürsten der Zähne) benutzen, Wasser in die Nase ziehen, die Fingernägel kürzen, die Zwischenräume der Finger reinigen, die Achselhöhlen reinigen, das Beseitigen der Haare in den Schamzonen und die Vollführung der Körperflege (hier ist "Istinca" und "Istibra" gemeint) (Müslim, Tahare 56; Neseî, Zinet 1)


Diese natürliche Praktiken der Sunna die jeder Mensch zu bestimmten Zeiten vornehmen muss, sind sowohl Mittel der Hygiene als auch Traditionen des Propheten. Mit dem Erledigen dieser Aufgaben hat man sowohl die körperlichen Aufgaben erledigt als auch eine jenseitige Entlohnung durch das Befolgen der Sunna bewirkt.


Die schon erwähnte Sunna des Barts und (des Schneidens des) Oberlippenbarts haben im Hinblick auf das äußerliche Auftreten eine eigene Besonderheit. Der Prophet überlieferte "lasst den Bart wachsen und kürzt eure Oberlippenbärte" und besagte dabei, "setzt euch entgegen den Gotteslästerern" ("Mušrik"). Damit wurde auch eine Weisheit asugedrückt, denn die Gotteslästerer haben den Bart immer abrasiert und den Oberlippenbart so lang wie es nur ging wachsen lassen.


Die islamischen Gelehrten haben bei dem Maß für den Bart ausgedrückt, dass alles was über einem Büschel hinausgeht, abrasiert bzw. gekürzt werden soll. Der edle Prophetengefährte und zugleich zweiter Kalif ʿUmar b. Al-Ḫaṭṭāb zeigte einst auf jemanden mit lang gewachsenem Bart und sagte ihm, er solle das was mehr als ein Büschel ist abrasieren. Auch ein großer Prophetengefährte wie Abu Hurayra hielt sein Bart um alles was über ein Büschel hinausging abzurasieren.


Wie in den Büchern der Rechtslehre "Fiqh" beschrieben wird, ist der Bart vollkommen wenn er am Kinn und beiden Seiten des Gesichts bzw. an den Wangen wächst. Wenn man ihn einzig am Kinn wachsen lässt, verfehlt man die Sunna. Wie auch in den anderen Bereichen der Sunna wird diese Praxis mit der Absicht ausgeübt unseren ehrenwerten Propheten zu entsprechen und ihm zu folgen. Das Ziel des Muslim ist es so gut es geht, der Sunna des Propheten zu folgen. Der Erfolg hier ist allerdings den äußerst Frommen bestimmt. Einzig Gottesfreunde ("Awliyāʾ") und Gelehrte (hier im Sinne von "Muǧtahid") steigen auf diese Stufe. Aber wenn auch nicht alles aus der Sunna ausgeübt werden kann, ist man dazu verpflichtet sie innerlich zu akzeptieren, sie zu befürworten und sie nach Möglichkeit zu befolgen. Mit diesem Ziel und dem Engagement einhergehend, haben wir nicht das Recht eine Person wegen dem Ausführen oder das Unterlassen der Sunna in oder hervorgehend aus manchen Angelegenheiten so zu beschuldigen und zu erniedrigen als ob sie eine überaus große Sünde begangen hat.


Für den Bart gilt es im Rahmen dieser Maßgebung zu sprechen. Der Bart ist eine Sunna des Propheten, die sich sowohl in seiner Tat als auch seinem Wort wiederfinden lässt. Mit dem Ausüben dieser Sunna, wandelt der Gläubige seine Tradition/Gewohnheit in einen Gottesdienst und erhält dadurch eine große jenseitige Entlohnung. Obwohl es einige Gelehrte gibt, die besagen, dass man sich mit dem Unterlassen dieser Sunna (Bart) schuldig macht, gibt es auch einige Gelehrte die das Abrasieren des Barts als leicht verpönt klassifizieren und moderne Gelehrte haben dies sogar als erlaubt klassifiziert. Der Gelehrte "Bediüzzaman" Said Nursi sagt hierzu folgendes;

Manche Gelehrte haben gesagt "Das Abrasieren des Barts ist nicht erlaubt". Ihre Absicht ist zu sagen, "Nachdem man sich einen Bart wachsen lässt ist es nicht erlaubt ihn nachher abzurasieren". Ansonsten verlässt jemand der den Bart gar nicht erst wachsen lässt die (bzw. diese) Sunna. (Emirdağ Lahikası-I, s. 48, 49)


So man nach hanafitischen, hanbalitischen und malikitischen Gelehrten sich durch das Abrasieren des Barts schuldig macht, hat man aber nach shafiitischen Gelehrten, al-Ġazzālī,  Ibn Ḥaǧar, an-Nawawī  und anderen Gelehrten eine leicht verpönte Tat begangen. Sofern man der shafiitischen Rechtschule folgt, macht man sich also nicht schuldig. (Mezahibü'l-Erbaa, II/44-45; İânetü'l-Tâlibîn, II/340)


So wie es der islamischen Verhaltensweise entspricht, Praktizierende der Sunna zu respektieren, ihnen zu gratulieren und sie zu befürworten, ist es auch keine normale/angemessene Verhaltensweise, Leute die dies nicht tun oder sich davon entschuldigen zu erniedrigen und sie so zu behandeln, als ob sie einen überaus wichtigen Bestandteil des Islams nicht erleben. Vor allem ist es nichts weswegen ein Gläubiger mit einem gesunden Bewusstsein die Bände der Brüderschaft zwischen den Muslimen gefährdet.


Leute die einen Bart als Praxis der Sunna tragen drücken mit der Pflege des Barts den Respekt vor dieser Sunna aus. Beim Oberlippenbart ist das religiöse Maß, dass die Härchen nicht die Oberlippe bedecken, also die Lippen nicht überragen und der Länge der Augenbrauen entsprechen. Jene Gelehrte die nach der Überlieferung ihre Oberlippenbärte kürzten, haben dies so getan, dass man die Haut (unter dem Oberlippenbart) noch sehen konnte.


Entspricht es der Sunna den Bart zu kürzen unter anderem auch an den Seiten? Hat der Prophet (s.a.s.) zu jemanden den man zu ihm brachte gesagt, "Hättest du doch deinen Bart an dieser und dieser Stelle abrasiert/gekürzt"?


Über eine solche Überlieferung sind wir bisher nicht gestoßen. Bezüglich des Bartes gibt es Überlieferungen die die Kürzung und das Pflegen des Barts proklamieren. Es gibt aber auch Überlieferungen und Gelehrte die sich dafür aussprechen, den Bart unangetastet und natürlich zu belassen. Gemäß einigen Überlieferungen hat der Prophet (s.a.s.) seinen Bart an der Spitze und an den Seiten gekürzt. (Tirmizi, Edeb 17) Nach Imam al-Mālik sollte man den Bart so pflegen, wie es die Mehrheit tut. Länger ausfallende Bärte sollten gekürzt werden. Dies wäre eine gute/gesegnete Tat, dessen Unterlassung aber keine Sünde darstellt. Denn wenn der zu lang wirkende Bart nicht gekürzt wird, könnte dies das äußere Erscheinungsbild negativ beeinflussen. Es gibt keine Grenze für das Kürzen des Barts. Das passendste wäre es, den Bart so zu kürzen, dass es das äußere Erscheinungsbild positiv beeinflusst. Nach den Überlieferungen der Handhabung von Imam ʿAbd Allāh ibn ʿUmar und Abu Hurayra kann man alles, was mehr als ein Büschel ist abschneiden. Im Werk "Dürrü’l-Muhtar" (türkische Fassung) wird besagt, dass es der Sunna entspricht wenn der Bart die Länge eines Büschels hat. Gleichermaßen entspricht es der mehrheitlichen Meinung alles was länger als ein Büschel ist als Praxis der Sunna abzuschneiden.

Es gibt außerdem eine Überlieferung zu der Haarpflege die ungefähr "Wer Haare hat, der soll sie gut pflegen" ausdrückt. (vgl. Irakî, Tahricu ahadisi’l-İhya-İhya ile birlikte, 1/142) Eine Überlieferung von Abu Dawūd und Tirmiḏī drückt ungefähr folgendes aus:


Jemand dessen Haare und Bart gänzlich ungepflegt und durcheinandergeraten war kam zur Audienz des Propheten (s.a.s.). Er sagte "hat er den keinerlei Öl, um seine Haare damit zu ordnen/pflegen?" (Irakî, age)


Ist es verpöhnt ("makrūh") und eine Neuerung in der Religion, (hier im Sinne von "bidʿa”) wenn man beim Bart die Härchen unter der Unterlippe abrasiert? Es gibt eine Überlieferung, die dies bestätigen würde und das Abrasieren der Härchen unter der Unterlippe ablehnen würde. (İbn Abidin, Reddu’l-Muhtar, VI/407) Im Werk eines anderen neuzeitlichen Rechtsgelehrten wird dies auch so aufgegriffen, mit der Begründung, es gibt genügend gesunde Überlieferungen, in denen der Prophet (s.a.s.) diese Härchen nicht abrasierte. (vgl. Celal Yıldırım, İslam Fıkhı, IV/207) Nach einer Überlieferung stehen Abū Ḥanīfa (al-Imām al-Aʿẓam) und seine beiden Schüler (Imām Yūsuf und Imam Muḥammad) dafür ein, dass es schöner ist den Oberlippenbart zu rasieren, als ihn zu kürzen. Spätere Rechtsgelehrte der hanafitischen Schule stehen aber dafür ein, es entspräche der Sunna, wenn man den Oberlippenbart kürzt, statt ihn zu rasieren. (vgl. el-Bahru’r-Raik-şamile-7/163) Nach hanafitischen Gelehrten ist es unpassend, den Bereich des Barts unter dem Kinn, also am Hals abzurasieren. Nach Imām Yūsuf gibt es dabei allerdings keine Bedenken. (vgl. Reddu’l-muhtar, II/418)

Fragen an den islam

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