Welche Schwächen hat ein Menschen? Wie ist der Koranvers: „…der Mensch ward schwach erschaffen.“ zu verstehen?

Details der Frage

Welche Schwächen hat ein Menschen? Wie ist der Koranvers: „…der Mensch ward schwach erschaffen.“ zu verstehen?

Antwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Mensch ist ein mit Schwächen (Bedürfnissen & Abhängigkeiten) übersätes Wesen und der edle Qur´an offenbart diese Wahrheit in seinen Versen:

„Allah will eure Bürde erleichtern, denn der Mensch ward schwach erschaffen.“ ( Sure Nisa, Vers 29)

Die Hilflosigkeit der Menschen zeigt sich schon als neugeborenes Baby. Der Nachwuchs anderer Lebewesen (Tiere) dagegen kann sich innerhalb kurzer Zeit den gegebenen Umständen (Lebensbedingungen) anpassen und erreicht auch ein selbstständiges Niveau um sein eigenes Überleben gewährleisten zu können. Der menschliche Nachkomme hingegen lernt erst in ein bis zwei Jahren fest auf seinen eigenen Beinen zu stehen. Und erst in weiteren 15-20 Jahren lernt er zwischen der Zweckdienlichkeit und der Einbuße, sowie Sinn und Irrsinn (Gut & Schlecht) zu unterscheiden. Sein Leben lang ist der Mensch auch weiterhin gezwungen die Gesetze des Lebens zu lernen.

Der Mensch ist außerdem ein sehr empfindliches (sensibles) Lebewesen. Er kann weder erhöhten Temperaturen, noch eisiger Kälte allzu lange standhalten. Des Weiteren ist er ohne Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr sehr entkräftet und kaum überlebensfähig. Ein mit den bloßen Augen nicht sichtbarer Keim (Krankheitserreger, Virus) schafft es den Menschen niederzustrecken. Und ein Komet in der Ferne versetzt den Menschen auf der Erde in Angst und Schrecken. Er ist traurig, wenn er in seine Vergangenheit blickt und er ist voller Ungewissheit und Sorge, wenn er an die Zukunft denkt. Darüber hinaus gibt es noch mehr menschliche Schwächen. Einige dieser gleich folgenden Schwächen sind schon Bestandteil unserer Wesensart. Betrachten wir nun einige dieser menschlichen Schwächen:

1. Die Vergesslichkeit
Der Mensch ist der Vergesslichkeit ergeben. Im Leben eines Jeden (Menschen) gibt es unzählige Beispiele der Vergesslichkeit. Der erste Mensch Adam (a.s.) hat ebenfalls die Vergesslichkeit erlebt. Der Qur´an erzählt dieses Geschehen wie folgt:


„Wahrlich, Wir schlossen einen Bund mit Adam zuvor, aber er vergaß; Wir fanden jedoch in ihm keine Absicht (zum Bösen). (Sure Taha, Vers 116)


Dem Propheten Adam (a.s.) wurde befohlen sich dem verbotenen Baum nicht zu nähern. Doch durch die Einflüsterung des Teufels näherte er sich diesem Baum und aß von ihm. Als folge dieser Aktion wird er auf die Erde verbannt.


„Und Wir sprachen: „O Adam, weile du und dein Weib in dem Garten, und esset reichlich von dem Seinigen, wo immer ihr wollt; nur nahet nicht diesem Baume, auf dass ihr nicht Frevler seiet.“
Doch Satan ließ beide daran straucheln und vertrieb sie von dort, worin sie waren. Und Wir sprachen: „Gehet hinweg, einige von euch sind Feinde der anderen, und für euch ist eine Wohnstatt auf Erden und ein Nießbrauch für eine Weile.“ (Sure Baqarah, Vers 36, 37)


Der heutige Mensch besitzt die gleiche Wesensart wie einst der Adam (a.s.). Der schlimmste Grad der Vergesslichkeit ist jedoch, wenn der Mensch sich selbst vergisst und damit das, wofür er eigentlich erschaffen wurde. Diese Art der Vergesslichkeit ist eine sorglose Gottvergessenheit (Gaflet). Der allmächtige Allah erweckt den Menschen mit (gesellschaftlichen u. o. individuellen) Schicksalsschlägen (aus seinem Schlaf der Gottvergessenheit). Gott lenkt den Menschen dadurch zu seiner wahren Aufgabe und dem echten Daseinsgrund. Jedoch viele Menschen geraten erneut in die Vergessenheit zurück. Der Qur´an berichtet von dieser Geisteshaltung in seinen folgenden Versen:


„Wenn den Menschen Unheil trifft, ruft er Uns an, ob er nun auf der Seite liege oder sitze oder stehe; haben Wir aber sein Unheil von ihm fortgenommen, dann geht er seines Weges, als hätte er Uns nie angerufen um (Befreiung vom) Unheil, das ihn getroffen. Also wird den Maßlosen ihr Tun schön gemacht.“ (Sure Jonas, Vers 13)

2. Die Habgier und der Geiz
Eine weitere menschliche Schwäche ist die Neigung zu materiellen Errungenschaften. Im Qur´an wird diese Angelegenheit folgendermaßen berichtet:
„Der Mensch ist schreckhaft veranlagt. Wenn ihn Unheil trifft, ist er verzweifelt. Wenn ihm Güter zuteil werden, geizt er damit. Ausgenommen sind die Betenden“ (Sure Ma’âridsch, Vers 19-21)
In einer Hadith des ehrenwerten Propheten (sav) wird auf diese menschliche Schwäche hingewiesen:
„Wenn der Adamssohn ein ganzes Tal voller Gold besäße, so wünschte er sich noch ein zweites Tal voller Gold dazu…“ (Muslim, Zekat 117)

3. Die Hast (Übereile)
Der Mensch ist ein sehr hastiges Lebewesen. Er will in einem Augenblick den Ertrag für seine Werke haben (noch ehe er einen Augenblick gearbeitet hat, so will er schon seinen Lohn dafür.) Er ist unerlässlich bestrebt das jenseitige Glück schon im Diesseits zu kosten, doch der Qur´an verkündet:
„Unter den Leuten sind welche, die sprechen: „Unser Herr, gib uns hienieden“; doch solch einer soll keinen Anteil am Jenseits haben.“ (Sure Baqarah, Vers 201)
Das Erdenleben erfordert die Geduld und die Standhaftigkeit. Das Eigentliche ist nicht die (vergängliche) weltliche Zufriedenheit, sondern, dass Eigentliche ist die ewige Glückseligkeit im Jenseits. Es hat keinen Sinn, die Juwelen des Jenseits gegen die Glasscherben dieser Welt einzutauschen. Im Vergleich zum unendlichen Leben im Jenseits dauert dieses Erdenleben wirklich nur einen Augenblick. Der Mensch aber, weil er das Jenseits nicht kennt, verausgabt seine ganze Aufmerksamkeit und Bemühungen diesem vergänglichen Weltenleben. „Man lebt nur einmal“ oder „Es gibt ja nur dieses eine Leben“ sagend, versucht er sein Glück darin sämtliche Lüste, Hochgenüsse, Befriedigungen, Erlebnisse und Abenteuer dieser Welt zu ergreifen und zu erleben. Der edle Qur´an verkündet dies wie folgt:
„Der Mensch bittet um das Schlimme, wie er um das Gute bitten sollte; und der Mensch ist voreilig.“ (Sure Al Isra, Vers 12)

4. Die Selbstverherrlichung (Selbstgefälligkeit)
Nahezu jeder Mensch liebt es gelobt zu werden. Er liebt seine Werke und findet gefallen an ihnen, obwohl sein persönlicher Anteil an dem wofür er gerühmt wird in der Regel gering ist.
Zum Beispiel: Er rühmt sich mit der Schönheit seiner Stimme. Hätte Allah ihm nicht eine solche schöne Stimme verliehen, könnte er selbst nichts desgleichen aufbringen. Der Qur´an erinnert solche selbstgefälligen Menschen mit den folgenden Versen:
„Wähne nicht, dass jene, die frohlocken über das, was sie getan, und gerühmt werden möchten für das, was sie nicht getan – wähne nicht, dass sie vor Strafe gesichert sind. Ihnen wird schmerzliche Strafe.“ (Sure Al-Imrân, Vers 189)


Es gibt zwei Geisteshaltungen, die der Vers ablehnt:
1. Sich selber Hochloben und Stolz sein auf seine Taten / Werke (subjektiv).
2. Das gelobt werden und sich loben lassen für Dinge, die man nicht getan hat (objektiv).
Der Mensch ist nicht erschaffen worden um sich selbst zu preisen oder sich selbst rühmen zu lassen, sondern (viel mehr) darum, um Gott zu gedenken und Ihm alleine zu danken.

5. Die Pflichtverweigerung
In der Natur des Menschen ist die Nichtachtung seiner Pflichten und das Sputen nach dem Verdienst verwurzelt. Wenn es darum geht eine Arbeit zu erledigen, dann ist weit und breit keiner zu sehen. Geht es aber um den Verdienst oder die Gage, sind plötzlich alle daran interessiert. Die im Qur´an erwähnte und nachher folgende Begebenheit ist ein schönes Beispiel dafür, es geschah wie folgt: Unser Prophet (sav) begab sich mit 1400 seiner Gefährten auf den Weg nach Mekka mit der Absicht die Umra zu vollziehen. (Die Umra ist eine Besuchs-Pilgerfahrt der Stadt Mekka, welche die Pflicht-Wallfahrt nicht ersetzt) Zu dieser Zeit war die Stadt Mekka noch unter der Führung der Götzendiener (Polytheisten). Aus der Angst heraus, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen kommen könnte, sind einige der Wüstenbewohner diese Reise mit dem Propheten (sav) nach Mekka nicht angetreten. Sie blieben zurück unter falschem Vorwand (Scheingrund). Dieselben Menschen jedoch wollten sich aber (ohne große Bekümmernis) dem Heer anschließen, der nach Hayber hinauszog um die Errungenschaften einzuholen. Der allwissende Gott verhinderte ihnen die Teilnahme an diesem Vorhaben:
„Diejenigen unter den Wüstenarabern, die zurückblieben, werden zu dir sprechen: „Unsere Besitztümer und unsere Familien hielten uns beschäftigt, drum bitte um Verzeihung für uns.“ Sie sprechen mit ihren Zungen, was nicht in ihren Herzen ist. Sprich: „Wer vermag etwas für euch bei Allah, wenn Er euch Schaden oder Nutzen zudenkt? Nein, Allah ist wohl kundig dessen, was ihr tut.
Nein, ihr wähntet, dass der Gesandte und die Gläubigen nimmermehr zu ihren Familien zurückkehren würden, und das wurde euren Herzen wohlgefällig gemacht, und ihr hegtet einen bösen Gedanken und ihr wart ein verderbtes Volk.“

Und jene, die nicht an Allah und Seinen Gesandten glauben – für die Ungläubigen haben Wir ein flammendes Feuer bereitet.
Und Allahs ist das Königreich der Himmel und der Erde. Er verzeiht, wem Er will, und straft, wen Er will und Allah ist allverzeihend, barmherzig.
Diejenigen, die zurückblieben, werden sagen, wenn ihr auszieht, leichte Beute zu nehmen: „Erlaubt uns, euch zu folgen.“ Sie möchten Allahs Spruch ändern. Sprich: „Ihr sollt uns nicht folgen. Also hat Allah zuvor gesprochen.“ Dann werden sie sagen: „Nein, aber ihr beneidet uns.“ Das nicht, jedoch sie verstehen nur wenig.“ (Sure Al-Fath, Verse 12-16)

6. Die Ausrede (Scheingründe)
Wenn der Mensch in seinem Vorhaben scheitert, dann sucht er grundsätzlich den Fehler nicht bei sich, sondern tröstet sich mit irgendwelchen Scheingründen und lenkt sich damit weiterhin von der Wahrheit ab. Warum auch immer, möchte der Mensch seine eigenen Untugenden und sein Unvermögen nicht wirklich wahrnehmen und erkennen. Blicken wir einmal auf die Ausreden einiger Wüstenbewohner, die an dem Feldzug nach Hudeybiye nicht teilgenommen haben:
„Unsere Besitztümer und unsere Familien hielten uns beschäftigt, drum bitte um Verzeihung für uns.“ Sie sprechen mit ihren Zungen, was nicht in ihren Herzen ist.“ (Sure Al-Fath, Vers 12)
„Die Schuld hat keinen Besitzer“ heißt es in einem Sprichwort. Bediuzzaman Said Nursi bemerkt folgende Worte dazu:
„ Seine Schwächen (Fehler) nicht zu erkennen, sie sich nicht einzugestehen, ist ein noch größerer Fehler als die eigentliche Schwäche an sich.“ (Risale-i-Nur, Blitze)
Wer seine Fehler sieht und sie erkennt, wird versuchen sie zu korrigieren und sich von diesen zu befreien um sich zu bessern. Im menschlichen Lebewesen stecken eine ganze Reihe solcher und ähnlicher Schwächen. Diese Schwächen dienen eigentlich als Grundlage für den Menschen sich durch Erkenntnis im Geiste weiter zu entwickeln und heranzureifen. (…denn wie heißt es? „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.“)
Bei den Engeln wiederum gibt es solcher Art Schwächen überhaupt nicht. Und weil es keine Schwächen bei ihnen gibt die man überwinden könnte, gibt es bei den Engeln auch keine Anstrengung und somit auch keine Weiterentwicklung zum Höheren. Eines der wichtigsten Gründe, warum der Mensch die Engel übertreffen kann (bzw. höher gestellt ist), liegt eben in seinen vorhandenen Schwächen versteckt. Einem von Natur aus extrem geizigen Menschen fällt es ganz bestimmt nicht leicht sein Ego zu überwinden und freigiebig zu sein. Für einen selbstsüchtigen Menschen, der sein Ego der Selbstverherrlichung Untertan gemacht hat, ist die Verkündung folgender Wort keine Leichtigkeit und verlangt Überwindung:
„Heute gilt aller Lob und alle Ehre, sämtliche Aufmerksamkeit und alle Liebe, dem Einen Allah. Alles Gute und alles Schöne stammt von Ihm.“
Diese Schwächen sind keine unüberwindbaren Schwächen, denn:
„Allah belastet niemanden über sein Vermögen. Ihm wird, was er verdient, und über ihn kommt, was er gesündigt. „Unser Herr, strafe uns nicht, wenn wir uns vergessen oder vergangen haben; unser Herr, lege uns nicht eine Verantwortung auf, wie Du sie denen auferlegtest, die vor uns waren. Unser Herr, bürde uns nicht auf, wozu wir nicht die Kraft haben, und lösche unsere Sünden aus und gewähre uns Vergebung und habe Erbarmen mit uns; Du bist unser Meister; also hilf uns wider das ungläubige Volk.“ (Sure Baqarah, letzter Vers)

Fragen an den islam

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