Obwohl wir manchmal genau wissen was wir tun und lassen sollen oder erahnen dass es falsch ist was wir machen, folgen wir trotzdem unseren Trieben und Gelüsten. Haben wir als Diener Gottes dann versagt?

Details der Frage

Obwohl ich weiß dass ich einen Fehler begehe komme ich nicht davon weg und mache wieder das Gleiche. Wir zerschlage ich diesen Kreislauf und komme da raus?

Antwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

um diese Frage zu erörtern müssen wir zunächst verstehen was den Menschen grundlegend ausmacht und wie seine Beziehung zu Gott aussieht. Dazu schauen wir uns entsprechende Verse an:

Wir haben den Menschen ja in schönster Gestaltung erschaffen, hierauf haben Wir ihn zu den Niedrigsten der Niedrigen werden lassen, außer denjenigen, die glauben und rechtschaffene Werke tun; für sie wird es einen Lohn geben, der nicht aufhört. (Sura at-tīn 3-6)

Der Mensch ist sozusagen die Krone der Schöpfung Gottes und daraufhin wird er immens herabgestuft, er kann jedoch seinen ursprünglichen Status sozusagen wahren indem er das Richtige und von Gott gewollte tut. Dieser Vers beschreibt die Schöpfungsgeschichte des Menschen und seinen Weg zu Gott. Es ist eine Prüfung die der Mensch zu Lebzeiten ablegt und hierbei geht es um Auf- oder Abstieg. Denn der Mensch ist ursprünglich bei Gott und der Himmel ist seine eigentliche Heimat. Er ist zunächst ohne Sünde. Somit ist er zu Beginn seiner Schöpfung auf der höchsten Stufe. Er wird aber in der Erde leiblich geboren und so beginnt seine Reise mit seinem irdischen Leben. Die Welt und das Diesseits ist im Vergleich zum Jenseits und zum Himmel unrein, sündhaft und mit Makeln übersehen. Wenn der Mensch die Krone ist, dann ist die Welt eine verregnete und dreckige Schlammpfütze in der er sich wiederfindet. Klar ist dass er zu Höherem bestimmt ist. Entweder findet er sich aber damit ab und begibt bzw. bleibt auf diesem Niveau oder er bestrebt den Willen Gottes und findet somit zu seinem ursprünglichen Glanz und seiner Heimat zurück. Der Mensch weist somit das Potenzial auf empor zu steigen oder aber auch ins Bodenlose zu fallen. Es ist vor allem die Beziehung zu Gott die diesen Werdegang des Menschen ausmacht:

Der Angesehenste von euch bei Gott, das ist der Gottesfürchtigste von euch. Gott weiß Bescheid und hat Kenntnis von allem. (Sura al-Ḥuǧurāt 13)

Die Beziehung zu Gott wird vor allem durch die Frömmigkeit und Gottesfurcht des Menschen ausgemacht. Dabei zählt es nicht welche Farbe oder Form der Mensch hat, welchem Geschlecht er angehört, ob er reich oder arm ist. Das sind alles weltliche Etiketten, bei Gott zählt aber nur der Glauben und die Taten des Menschen, die er durch seine Frömmigkeit zum Ausdruck bringt:

An dem Tag, da weder Besitz noch Söhne (jemandem) nützen, außer, wer zu Allah mit heilem Herzen kommt. (Sura aš-Šuʿarāʿ 88-89)

Der Glauben und die Frömmigkeit sind also die bestimmenden Faktoren, die die Beziehung zwischen Gott und Mensch ausmachen, an der dann der Auf- oder Abstieg des Menschen bestimmt wird. Der Zweck des Menschen ist es letztendlich Gott zu dienen:

Und Ich habe die Djinn und die Menschen nur dazu erschaffen, daß sie Mir dienen. (Sura aḏ-Ḏāriyāt 56)

Die Beziehung zwischen Gott und Mensch ist gewissermaßen intim und privat denn jeder Mensch hat eine ganz eigene unverwechselbare Geschichte zu erzählen mit ganz unterschiedlichen Schwierigkeiten, Hoffnungen, Ängsten und Neigungen. Daher lässt es sich nicht generalisieren wer die Gunst Gottes erlangt und ob man Angst haben müsste weil man selber nicht so fromm ist wie ein anderer:

Gott erlegt keiner Seele mehr auf, als sie zu leisten vermag. (Sura al-Baqara 286)

Die Prüfungen die der Mensch also in seinen Lebzeiten zu Gesicht bekommt, sind auf ihn zugeschnitten und quasi so konzipiert dass er sie auch bestehen kann. Wir sind also mit dem befehligt was wir auch schaffen können und was wir eindeutig nicht erreichen können ist auch nicht Teil unseres Aufgabenbereichs. Für das was wir dann auch tun können aber bewusst unterlassen, gibt es keine Ausreden. Doch trotzdem erscheint der Mensch oftmals schwach und sündigt. Obwohl er solch eine ehrenvolle und große Aufgabe als Gottes Schöpfung und Diener hat, scheint er schon fast ignorant sein Leben zu führen und begeht quasi regelmäßig Fehltritte. Auch dies gehört zur Natur des Menschen:

Wir haben das anvertraute Gut den Himmeln und der Erde und den Bergen angeboten, aber sie weigerten sich, es zu tragen, sie scheuten sich davor. Der Mensch trug es - gewiß, er ist sehr oft ungerecht und sehr oft töricht. (Sura al-Aḥzāb 72)

Das Verkünden Gottes und die Aufgabe Gott zu dienen ist solch eine ehrenvolle und große Aufgabe dass nur der Mensch bereit ist sich dieser anzunehmen. Kein anderes Lebewesen ist so "qualifiziert" dazu Gott zu dienen und Gottes Willen zu vekündigen. Doch er ist sich der Gewalt dieser Aufgabe kaum bewusst und begreift dies nur mäßig, weswegen er immernoch in den Alltag hineinlebt und routiniert sein Leben lebt. Er ist vergesslich und abgelenkt. Gerade diese Natur ist es aber auch die es ihm überhaupt ermöglicht sich sozusagen an diese Aufgabe heranzuwagen, anders als der Rest der Schöpfung. Während der Rest der Schöpfung sich vor der anvertrauten Aufgabe scheut ist es der törichte und vergessliche Mensch der dies tut. Für den Menschen beginnt damit eine Art Kampf. Die Aufgabe, so wie auch die Konsequenzen von Recht und Unrecht sind groß. Der Mensch muss fotwährend sich seiner Aufgabe bewusst werden und gegen seine Triebe und Anlagen ankämpfen, die ihn von seiner eigentlichen Aufgaben als Diener Gottes wegführen können. Es geht dabei gar nicht darum keine Fehler zu machen, denn mit Fehltritten des Menschen ist zu rechnen, wie die Verse es andeuten. Denn die Anlagen und die Triebseele des Menschen verleiten ihn stets dazu bzw. er steht immer in dieser Versuchung:

Und ich spreche mich nicht selbst frei. Die Seele gebietet fürwahr mit Nachdruck das Böse, außer daß mein Herr Sich erbarmt. Mein Herr ist Allvergebend und Barmherzig. (Sura Yūsuf 53)

Jeder Mensch ist in dieser Hinsicht gleich und hat mit Gelüsten oder Versuchungen zu kämpfen, so spricht sich selbst der Prophet Hz. Yūsuf nicht frei davon. Der Frömmigkeit des Menschen stehen also die Versuchung seiner innersten Triebe und die Versuchung der Welt entgegen. Doch wie noch im selben Vers besagt wird, ist Gott allvergebend und barmherzig. Der Mensch darf also trotz vieler Fehler stets auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen. Diese Eigenschaft Gottes ist stets präsent und absolut somit kann jeder Fehltritt des Menschen außer dem Unglauben vergeben werden:

Sag: O Meine Diener, die ihr gegen euch selbst maßlos gewesen seid, verliert nicht die Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit. Gewiß, Gott vergibt die Sünden alle. Er ist ja der Allvergebende und Barmherzige. (Sura az-Zumar 53)

Damit verspricht Gott den Menschen zu jedem Moment und gegenüber allerlei Fehlern Vergebung. Es herrscht sozusagen gar nicht die Erwartungshaltung dass der Mensch als Gläubiger ein fehlerfreies Leben führt. Wie in der Schule will der Lehrer schon fast dass die Schüler Fehler machen, damit daraufhin diskutiert werden kann und der Lehrer die Schüler anleiten kann. Es gehört zum Dasein des Schülers Fehler zu machen aus eben denen er lernen kann und darf. Durch Fleiß, Aufmerksamkeit und kontinuierliches Arbeiten erreicht der Schüler letztendlich aber das Ziel eine gute Note zu erzielen. Für den Lehrer ändert sich somit eigentlich nichts, er ist nicht auf den Schüler und seine Leistung angewiesen. Es ist aber das idealistische Interesse des guten Lehrers am positiven Werdegang der Schüler weswegen er sie fast unermüdlich begleitet und über die meisten ihrer Fehler hinwegsieht, wenn sie am Ende das Richtige tun und es auch zeigen. Die Beziehung zwischen Gott und Mensch lässt sich in dieser Hinsicht recht gut mit der Beziehung des Lehrers zum Schüler vergleichen. Es ist keine zweckorientierte Beziehung und es ist auch kein Tauschgeschäft zwischen zwei Handelspartnern. Es ist die Gnade und Barmherzigkeit Gottes, die das menschliche Leben überhaupt erst ermöglichen entgegen aller Fehler. Der Mensch muss sich lediglich bemühen das Richtige zu tun und das beizubehalten und bei Fehlern muss er Buße tun und von seinen Fehlern lernen, damit er sie künftig nicht mehr begeht.

Dass der Mensch Fehler macht und sündigt kommt somit vor und ist gewissermaßen natürlich. Damit kann dies zwar nicht einfach schön oder weg geredet werden, es ist aber der größere Fehler zu denken, man sei frei von Fehlern und der unwürdige Abgrund der Menschheit weil man etwas getan hat was nach eigenem Ermessen ein großer Fehler war. Damit hat man die Barmherzigkeit Gottes missverstanden und begeht somit einen Fehler im Glauben, nämlich dass Gott die Tat nicht vergeben kann und die Sünde größer ist als die Barmherzigkeit. Der Aufruf zur Hoffnung seitens Gott ist nämlich oftmals als Imperativ geschrieben, es ist also ein Befehl Gottes nicht die Hoffnung zu verlieren und auf die Barmherzigkeit Gottes zu vertrauen. Unsere Fehltritte entfernen uns also nicht von Gott sondern bringen uns noch näher zu Gott:

Außer denjenigen, die nach alledem bereuen und verbessern, so ist Allah Allvergebend und Barmherzig. (Sura al-Āl-i ʿImrān 89)

Allah liebt die Reumütigen, und Er liebt die, die sich rein halten. (Sura al-Baqara 222)

Gottes Zuneigung gilt letztendlich nicht etwa denen die „perfekt“ sind sondern denen die um Buße und Reue flehen. Nicht zuletzt ist es das Ziel des Teufels den Menschen in Hoffnungslosigkeit und Missmut zu stoßen. Wenn der Mensch sich wegen solcher negativen Gefühle in die er sich ständig hereinsteigert von Gott abwendet, hat der Teufel sein Ziel erreicht.     

Fragen an den islam

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