Ist es eigentlich in Ordnung Nichtmuslimen zu ihren Festen oder Traditionen wie Weinachten/Neujahr zu gratulieren und somit Anteil zu nehmen?
Zumal sie Sachen feiern, die vielleicht nicht unserer Religion entsprechen könnte man das ja eventuell falsch verstehen, dass Muslime hierzu positiv stehen.
Gespeichert von am Do., 18/12/2014 - 17:04
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Erklärung der DITIB (türkisch islamische Union der Anstalt für Religion) sagt hierzu kurz und prägnant folgendes;
Es gibt kein Bedenken, wenn Muslime im Rahmen der sozialen Beziehungen ihren nichtmuslimischen Nachbarn oder Bekannten zu ihren Festen, Neujahr oder ähnlichem gratulieren und somit Anteilnahme zeigen. Es ist allerdings nicht erlaubt diesen Traditionen und Sitten nachzuahmen.
Als Muslim darf man diese nichtmuslimischen Feste oder Zeremonien und die davon ausgehenden Traditionen nicht imitieren. Denn zum einem wirkt dies wie eine Bestätigung für die Richtigkeit dieser Traditionen und Sitten und zum anderem verkommt man allmählig zu dem was man imitiert bzw. man fängt an es innerlich zu akzeptieren. Das geht auch aus folgender Überlieferung hervor;
Wer sich einer jeglichen Gruppe angleicht, gehört zu dieser Gruppe. (Ebu Davud, Libas 4; Müsned V/50)
Wir haben aber auch nicht das Recht Andersgläubigen den Raum zum Leben und zur Entfaltung zu entziehen. Dass man sie als Nichtmuslime bezeichnet bedeutet auch nicht dass man sie erniedrigen darf, oder sie keinerlei Menschenrechte oder ähnliches hätten. Mithin können wir im Rahmen der Verkündigung lediglich Leute zur Religion einladen, sie aber nicht dazu zwingen. In jedem Falle sind wir aber zu Respekt verpflichtet und müssen ihnen ihre Grundrechte einräumen. Wenn Grundrechte, Entfaltung und Respekt nur mit dem Glauben einhergehen würden, dann wären alle Muslime auf der Welt erfolgreich sowie überlegen und die restliche Menschheit würde vor Elend verkommen. Wie wir aber realistischerweise sehen, schenkt Gott allen Menschen das Leben, sie werden dabei versorgt und bereichtert, ob sie glauben oder nicht. Gott ist der Besitzer des Throns der Erhabenheit. Aus diesem Thron waltet er aber mit Barmherzigkeit und Darbietung. Wenn Gott dies so handhabt, dann können wir nicht darüber hinausgehen. Es wäre eine Maßlosigkeit und eine insgeheime Auflehnung über Gottes Willen hinausgehen zu wollen.
Ein anderer Aspekt ist, dass der Islam manche positive Traditionen aufgenommen, teilweise mangelhafte Traditionen vervollständigt und bei Bedarf neue Traditionen eingeführt hat. So gehören Propheten wie Moses und Jesus auch Islam zu den wichtigsten Propheten, obwohl sie doch typischerweise immer dem Judentum bzw. dem Christentum verschrieben werden. Wenn alles vor dem Islam falsch wäre, müssten man sie auch ablehnen. Damit würde man aber ein Fehltritt im Glauben tätigen, denn man würde gegen diesen Vers handeln;
Sprecht: Wir glauben an Gott und an das, was zu uns herabgesandt wurde, und an das, was herabgesandt wurde zu Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen, und an das, was Mose und Jesus zugekommen ist, und an das, was den (anderen) Propheten von ihrem Herrn zugekommen ist. Wir machen bei keinem von ihnen einen Unterschied. Und wir sind Ihm ergeben. (Sura al-Baqara 136)
Auch der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) hat dies so gehandhabt. Er hat auf die gegenwärtigen Traditionen reagiert. Das Fasten im Islam welches der Prophet einführte, hat viele Ähnlichkeiten zum jüdischem Fasten. Wenn das Fasten eine exklusiv jüdische Tradition und deswegen falsch wäre, könnten Muslime auch nicht fasten. Das Fasten ist aber eine tugendhafte und positive Praktik, somit hat sie ihren gebührenden Platz im Islam und der Prophet (s.a.s.) hat diese Praktik in manchen Aspekten bereichert/verbessert und ihr so ihre heutige Form verliehen. In den arabischen Ländern der Zeit gab es eine fälschliche Praktik der Adoption. Adoptierte Kinder bzw. Stiefkinder wurden wie leibliche Kinder behandelt und von der Gesellschaft so wahrgenommen. Dies kann unter Umständen zur Zwietracht und zu einer fälschlichen Vermischung der Genealogie führen. Der Prophet hat dies am eigenen Exempel aufgehoben und darauf wurde dieser Vers herabgesandt;
Nennt sie nach ihren Vätern. Das ist gerechter in den Augen Gottes. Wenn ihr ihre Väter nicht kennt, dann gelten sie als eure Brüder in der Religion und eure Schützlinge. Und es wird euch nicht als Vergehen angerechnet, was ihr hier gefehlt habt, sondern was eure Herzen vorsätzlich anstreben. Und Gott ist voller Vergebung und barmherzig. (Sura al- Aḥzāb 5)
Wir sehen also, dass die Absicht und der Umgang wichtig ist, für die Bewertung einer Tradition. So kann man als Gläubiger solche Traditionen auch als Gelegenheit nutzen, um etwas positives zu bewirken. Man könnte z.B. durch Lesezirkel versuchen seine Verwändten und Freunde von dieser sündhaften Atmosphäre fern zu halten, in dem man ihnen einige Glaubenswahrheiten näher bringt. Man kann z.B. auch durch ein tugendhaftes Programm gefüllt mit Rezitationen und Gebeten versuchen, diese sündhafte Atmosphäre ein wenig einzudämmen. Dies wäre zumindest ein aktiver Ansatz der etwas bewirken könnte. Ein einfaches Ablehnen und ein untätiges Abstempeln wird aber keine wirkliche Entwicklung herbei führen. Um Irrtümer aufzuklären, muss man ihnen (bzw. ihren Trägern) zunächst begegnen und ihnen aktiv das Richtige bzw. das Wahre veranschaulichen, man muss also etwas tun. Letztendlich ist die Verkündigung ("Tablīġ") mit die größte Sunna des Propheten und der Kern der prophetischen Berufslaufbahn. Ob man ihr aktiv/passiv folgt, welche Methode man bevorzugt oder sie gar nicht befolgt, ist einem selbst überlassen. In jedem Falle sind wir aber zu einem gemäßigtem und respektvollem Umgang mit anders Gläubigen verpflichtet. Dies geht aus folgendem Vers hervor;
Und schmäht nicht diejenigen, die sie anstelle Gottes anrufen, damit sie nicht in Übertretung ohne (richtiges) Wissen Gott schmähen. So haben Wir jeder Gemeinschaft ihr Tun verlockend gemacht. Alsdann wird ihre Rückkehr zu ihrem Herrn sein, und Er wird ihnen kundtun, was sie zu tun pflegten. (Sura al-Anʿām 108)
Es ist uns also nicht erlaubt, Andersgläubige zu beschimpfen, denn sie werden wahrscheinlich gleicherweise auf uns reagieren und somit wird die eigentliche Wahrheit verschleiert. Durch so ein Verhalten wären wir also Schuld, dass die Wahrheit verschleiert bleibt. Bei der Verkündigung muss man also gewisse pädagogische und didaktische Sensibilitäten beachten.
Das Gratulieren und die Anteilnahme muss in diesem Kontext gelesen werden, es geht also nicht darum, mit ihnen zu feiern. Es geht eher darum respektvoll mit ihnen umzugehen und ihnen ihre Rechte zu zusprechen. Dabei kann man innerhalb der sozialen Beziehungen ihnen formell gratulieren, wie es bereits in der Erklärung besagt wurde.
Darüber hinaus denken wir, dass Respekt, Toleranz, Sensibilität und Führsorge in der Gesellschaft nur dann fruchtbaren Nährboden finden können, wenn dies auf Gegenseitigkeit beruht. Wenn man diese Werte nun einfordert, halten wir es für wichtig, die gute Absicht deutlich zu machen, indem man hier den Vortritt macht und die Hand ausstreckt. Als Muslime sollten wir also dem Dialog offen sein und auf unsere Mitmenschen eingehen, ehe wir dies für uns einfach einfordern. Somit würden wir dann auch für eine interkulturelle Begegnung sorgen, wodurch die Stereotypen sich auflösen, Missverständnisse aufgeklärt werden und Zweifel beseitigt werden. Dies entspricht auch am ehesten der didaktischen oder pädagogischen Vorgehensweise des Propheten Muḥammad (s.a.s.). Denn der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) hat seine Predigten und seine Gebote immer zuerst selbst befolgt und sie makellos ausgelebt. Als ein Beispiel für die Gesellschaft, trat er immer an vorderster Stelle auf und machte seine gute Absicht damit immer deutlich. Niemals forderte er einfach blind und agressiv etwas ein, was den Menschen nicht möglich wäre, statdessen ging er auf sie ein und erhörte sie. Dies ist die prophetische Vorgehensweise, die ihn über jeglichen religiösen Ansichten hinaus als Mensch auszeichnete. Man kann nicht freundlich lächeln und zugleich zornig schauen. Man kann niemanden die Hand ausstrecken und zugleich die Hand zur Faust ballen.
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