Wie haben wir den Ashura Tag wahrzunehmen? Was sollen wir am besten an diesen Tag machen?

Details der Frage

Ist es richtig zu trauern oder wäre das falsch? was sagen die Überlieferungen zum Ashura Tag?

Antwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

in der arabischen Sprache bedeutet ʿāšarā zehn und ʿāšir zehnte bzw. der zehnte Tag in diesem Kontext. So hat sich der Ausspruch ʿāšūrāʾ im Volk durchgesetzt als Benennung des zehnten Tages des Monats Muḥarram und daher sprechen wir auch oft vom ʿāšūrāʾ Tag.

Der Monat Muḥarram hat als Anfang/erster Monat des islamischen Kalenders eine besondere Stellung. Wichtige historische Ereignisse haben in diesem Monat stattgefunden und auch schon vor dem Islam haben die Araber u.a. diesen Monat als besonders wahrgenommen. Laut der Überlieferung von der Gattin des Propheten (s.a.s.) Hz. Āʾiša ist dies der Monat wo der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) nach dem Fasten im Ramadan am meisten fastete:

Nach dem Fasten im Ramadan ist das tugendhafteste Fasten das Fasten im Monat Muḥarram. (Müslim Siyam, 202-203)

Es gibt Überlieferungen die besagen dass das Fasten am ʿāšūrāʾ Tag die Sünden des vorhergehenden Jahres tilgen lässt.
Zu diesem Tag gibt es keinen Vers im Qurʾān. Im 36. Vers der Sura at-Tawba wird der Monat Muḥarram als eine der angesprochenen 4 besonderen Monate erwähnt.

Insbesondere den ʿāšūrāʾ Tag haben seit jeher viele Propheten in einem besonderen Maß wahrgenommen, da hier viele wundersame oder tragische Ereignisse stattfanden. Nach den Quellen hat dieser Tag seinen Namen dadurch erhalten dass Gott seinen Propheten 10 verschiedene Darbietungen und Segnungen zukommen ließ:

1. Durch ein Wunder Gottes hat Hz. Mūsā den See gespalten und entkam so dem Pharao und seiner Herde, welche im See begraben wurden.
2. Hz. Nūḥ ist mit der Arche in der Sintflut an diesem Tag auf den Berg aufgelaufen.
3. Hz. Yunus wurde an diesem Tag aus dem Magen des Waals errettet.
4. Die Buße von Hz. Ādam wurde an diesem Tag akzeptiert.
5. Hz. Yūsuf wurde an diesem Tag aus der Grube gerettet, in die er von seinen Brüdern gestoßen wurde.
6. Hz. ʿĪsā  kam an diesem Tag auf die Welt und stieg in den Himmel auf.
7. Die Buße von Hz. Dāwūd wurde an diesem Tag akzeptiert.
8. Hz. Ibrāhīm bekam an diesem Tag einen Sohn.
9. Hz. Yaʿqūb konnte nach der tiefen Trauer über den vermeintlichen Verlust seines Sohns an diesem Tag wieder seine Augen öffnen und sehen.
10. Hz. Ayyūb wurde an diesem Tag von seinen ihn plagenden Krankheiten erlöst. (vgl. Diyarbekri, Tarihu'l-hamis, 1/360; Sahih-i Müslim Şerhi 6/140)

Aus diesem Anlass gibt es in so gut wie allen islamischen Ländern zu Ehren dieses Tages eine besondere Süßspeise. Um diese historischen Ereignisse zu gedenken erlebt man somit freudenvolle Tage und man teilt diese Süßspeisen mit Freunden und Familie. Diese Tradition hat Bestand.

Aus islamischer Sicht gibt es keinerlei Befehl oder Verbot so eine Süßspeise an diesem Tag zu machen bzw. zu teilen. Man kann also keinen dafür kritisieren sie nicht zu machen und keinen dafür kritisieren sie gemacht zu haben. Die Süßspeisen die gemacht werden um Hz. Nūḥ zu gedenken, der die restlichen noch verbliebenen Getreide/Kornfrüchte gesammelt hat um daraus zum Zeichen der Dankbarkeit eine Süßspeise zu machen, würden wohl im Herzen des Gläubigen ein Wachrütteln und in dieser in Materialismus versinkenden Welt ein Lächeln erwirken. Sowohl für den Gaumen als auch für das Herz ist dies wohlbekommend. 

Als der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) nach Medina kam, sah er wie die Juden am ʿāšūrāʾ Tag fasteten und er fragte sie warum sie fasten. Sie antworteten:

Heute ist ein guter Tag. Gott hat die Söhne Israels an diesem Tag von der Tyrannei des Pharaos gerettet. Mūsā hat aus Dankbarkeit an diesem Tag gefastet. Wir tun dies auch. Der Prophet (s.a.s.) entgegnete das indem er sagte "Wir sind verbundener an die Sunna von Mūsā als ihr." So fastete er auch an diesem Tag und befahl seinen Gefährten dies ebenso zu tun. (Buhârî, Savm, 69; Tecrîd-i Sarih, VI/308, 309)

Basierend auf der Überlieferung von Hz. Āʾiša hat der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) auch in der mekkanischen Periode war an diesem Tag gefastet.

Zur Zeit des Unwissens haben die Quraiš am ʿāšūrāʾ Tag gefastet. Vor der hiǧra tat der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) dies ebenso. Er fuhr nach der hiǧra in Medina damit fort und befahl seinen Gefährten auch an diesem Tag zu fasten. Als im nächsten Jahr das Fasten im Ramadan befohlen wurde hat er das Fasten am ʿāšūrāʾ Tag (als Pflicht) unterlassen, wer wollte fastete an diesem Tag und wer nicht wollte konnte dies unterlassen. (Buhârî, Savm, 69; Tecrîd-i Sarîh, VI/307, 308).

Es herrscht eine allgemeine Meinungseinheit darüber dass das Fasten am ʿāšūrāʾ Tag eine Sunna und keine Pflicht darstellt. Bezüglich der Bestimmung zur anfänglichen Zeit des Islams sagt Abū Ḥanīfa dies sei verpflichtend, während Imam aš-šāfiʿī dies als eine andauernde Sunna des Propheten (s.a.s.) beschreibt. Nachdem das Fasten im Ramadan verpflichtet wurde, sah man das Fasten am ʿāšūrāʾ Tag als lobenswert an. Um den Juden nicht zu ähneln ist es schön wenn man mit dem zehnten Tag des Muḥarram auch den neunten oder elften Tag fastet. An diesem Tag wäre es angebracht und lobenswert neben dem Fasten auch andere schönen Traditionen und gute Taten wie etwa die Almosengabe aufleben zu lassen. Jeder teilt gemäß seiner Möglichkeiten Darbietungen mit Freund und Familie. Ohne Zweifel wird der Lohn dieser Taten vervielfacht, wenn man die Geschehnisse gedenkt die diesen Tag so besonders machen und von ihm berichten. Vor allem der Prophet (s.a.s.) hat den Gläubigen empfohlen an diesem Tag seiner Familie mehr Darbietungen/Geschenke zu machen als sonst zu einer Zeit.

Wer am ʿāšūrāʾ Tag seiner Familie und seinen Hausbewohnern Darbietungen/Geschenke präsentiert, dessen Güter werden von Gott auch das gesamte Jahr mit Segen und Wohl verschönert. (et-Tergîb ve'l-Terhİb, 2/116)

Zu dem was als Familie verstanden wird gelten hier Verwandte, Obdachlose, Verlassene und Nachbarn. Es ist allerdings nicht nötig für diesen Zweck große Mühen einzugehen und das Familienbudget zu strapazieren. Jeder kann dies im Rahmen seiner Möglichkeiten tun.

Neben der Reinheit und dem Glanz des ʿāšūrāʾ Tags ist auch die Trauer um die Tragödie von Kerbala zu vernehmen. Im 61. Jahr der hiǧra und am jeweiligen ʿāšūrāʾ Tag wurde der Enkel des Propheten (s.a.s.) Imam Ḥusain in Kerbala auf grausame Art und Weise massakriert. Hinter dieser schandhaften Gräueltat steckt der zweite ummayadische Kaliph Yazīd ibn Muʿāwiya. Dies ist ein Punkt der Geschichte, der das Herz der Gläubigen erschüttern lässt und auch der Prophet (s.a.s.) sprach ein halbes Jahrhundert davor von diesem künftigen Ereignis. Ḥusain ist als Märtyrer und Würdeträger in den Himmel Gottes aufgestiegen.

Zweifelsohne wird Gott die Gräueltäter und Tyrannen mit seiner unendlichen Gerechtigkeit bestrafen und die Märtyrer und Verfechter des Glaubens und der Gerechtigkeit sind im Himmel Gottes in die höchsten Stufen aufgestiegen. Jeder Gläubige der an das Schicksal glaubt und sich vor Gott verneigt, trauert über diese Geschehnisse aber er verliert sein Gutdünken, seine Nüchternheit und seine Besonnenheit nicht. Denn alles was geschieht ob traurig oder erfreulich anmutend, entspringt dem Urteil Gottes des Allmächtigen und seinem ewigem Urteil. Aus dieser Perspektive entspricht es nicht dem Verständnis der Ahl al-Sunna dies als eine Trauerzeremonie wahrzunehmen und zu beurteilen.   

Fragen an den islam

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