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Wann wurde das erste Gebet verpflichtend auferlegt und wie sah dessen Entwicklung aus?
(Zum Verständnis: Im Text kommt häufiger das Wort "Gebet" vor, mit Gebet und Gebetszeit ist hier generell das ritualisierte Gebet als einer der 5 Säulen im Islam gemeint. "Namaz" bzw. "ṣalā" sind diesgehörigen türkischen bzw. arabischen Wörter)
In vorherigen Gesetzesgebungen ("šarīʿa") gab es keine 5 Gebetszeiten. Jedoch gab es generell zu undefinierten Zeiten Gebete.
Das Gebet bzw. die Gebetszeiten wurde eineinhalb Jahre, vor der Auswanderung des Propheten von Mekka nach Medinam ("Hiǧra") in der Nacht der Himmelfahrt des Propheten ("Mi'rāǧ") als Pflicht aufgetragen. Nach der Überlieferung vom Rechtsgelehrten und Begründer der malikitischen Rechtsschulem "Mālik ibn Anas" wird zusammengefasst folgendes besagt:
Dem Propheten (s.a.s.) wurde in der Nacht des Mi'rāǧ das Gebet mit 50 Gebetszeiten verpflichtend aufgetragen. Danach wurde dies verringert und auf 5 Gebetszeiten reduziert. Anschließend wurde so zugerufen; Oh Muḥammad, wahrhaftig kommt dem Wort in unserem Antlitz keine Veränderung zu, für dich sind diese 5 Gebete die Gegenleistung für 50 Gebete. (Buhārī, ṣallāt, 76, anbiya, 5; Muslim, İmān, 263; Ahmad b. Hanbal, V, 122, 143)
Dass jede gute Tat zehnfach entgegnet wird, ist mit folgendem Vers verdeutlicht:
"Wer eine gute Tat tut, für den gibt es zehnfache Entgegnung hierfür." (Anamm 6/160; außerdem vgl. Naml, 27/89; Kasas, 28/84)
bevor die 5 Gebetszeiten zur Pflicht auferlegt wurden, bestand das Gebet des Propheten (s.a.s.), aus der Reflektion über die Kreationen Gottes und die Erhabenheit Gottes. Es wird überliefert dass der Prophet morgens und abends auch in Form von jeweils zwei "Rakat" (Abschnitt des Gebets) gebetet hat.
Auch die vorherigen Völker kannten das Gebet. Als Beispiel könnte man hierfür angeben, dass im Qurʾān der Gottesfreund und nach manchen Gelehrten auch Prophet, "Lukman" seinen Sohn das Gebet befiehlt (Lukman, 31/17), dass der Prophet "Ibrāhīm” (a.s.) zum Schutze des damaligen Gebiets vom heutigen Saudi-Arabien (“al-ḥiǧāz”) vom Gebet spricht und, dass Gott vom Propheten “Mūsā” auf dem Berg “ṭūr” während der ersten Offenbarung, das Gebet verlangt (Tahā, 20/14).
Im Islām stützt sich Legitimation des Gebets, auf den Qurʾān, den Propheten und den Konsens der Rechtsgelehrten.
Wie kann man sich, wenn man mit dem Gebet neu anfängt, daran (bzw. an den Rhtymus) gewöhnen?
Hier hilft uns folgende Überlieferung weiter. Als der Prophet (s.a.s.) seinen Gefährten und engen Vertrauten "Muāz ibn Ǧabal" nach Yemen sandte, erteilte er ihm folgendes:
"Du gehst zu einem Volk welches eine Offenbarungsschrift erhalten hat ("ʾahlu al-kitāb"). Ruf sie zunächst dazu auf, Gott zu dienen. Wenn sie Gott anerkennen, sag ihnen, dass Gott ihnen sowohl in der Nacht als auch im Tag 5 Gebetszeiten auferlegt. Wenn sie das Gebet verrichten; sag ihnen dass Gott, unter Anbetracht dass man es von den Wohlhabenden nimmt und es den Armen gibt, ihnen die Gabe der Almosen auferlegt ("Zakāt"). Wenn sie Gehorsam leisten, so nimm dies von ihnen entgegen, nimm von ihnen nicht ihr wertvollstes Gut, hüte dich vom Fluch des Unterdrückten. Denn zwischen seinem Gebet und Gott gibt es keinen Vorhang." (Buhārī, Zakā t, 41, 63, Maǧāzī, 60, Tawhīd, 1; Nasāī, Zakāt, 1; Dārimī, Zakāt, I)
Wie in der Überlieferung hervorgeht, befehligt der Prophet (s.a.s.) Muāz ibn Ġabal damit, den Christen in Yemen die zum Islam beigetreten sind zu sagen, dass das Gebet zu den 5 Gebetszeiten verpflichtend ist. Wenn es um die verpflichtenden Gebete geht, können wir hier, auch um der Angewöhnung willen, keine Makel oder Auslassungen gutheißen. Uns obliegt die Pflicht, jener Person mitzuteilen, dass das Gebet zu den 5 Gebetszeiten verpflichtend ist und dass er diese verrichten muss. Wenn die Person zu Zwecken der Angewöhnung nicht gleich alle 5 Gebetszeiten einhaltet bzw. einhalten kann, so soll sie selbst darüber entscheiden. Wir haben nicht das Recht ihr etwas zu suggerieren bzw. vorzuschreiben.
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Stimmt es, dass Imam Suyuti das „Mevlid-i nebevi“ als „Bidat-i hasene“ (gute Erneuerung) beurteilt?
Mevlid-i nebevi/maulid an-nabawiyy oder auch nur mevlid/maulid= Feierliches Zusammenkommen zum Gedenken der Geburt des Gesandten Allahs (s.a.s.)
Imam Suyuti bewertet das Thema folgendermaßen:
„Es ist eine gute Erneuerung (Bidatu-l-hasana), wenn die Menschen zum Maulid an-nabawiyy zusammenkommen, dabei den Qur`an lesen, sich über die Geburt bzw. das Leben des Propheten unterhalten und dazu ein Bankett/ Festessen organisieren.
Bei solchen Versammlungen wird dem Propheten Muhammed (s.a.s.) Respekt und Ehrerbietung gewidmet und gleichzeitig das Freudengefühl sowie die Begeisterung über Seine Geburt dargebracht. Dementsprechend werden solchen Handlungen als Segen gutgeschrieben. (El-Havi li’l-fetavi, 1/272-samile)
Obwohl einige Gruppierungen krampfhaft versuchen das Maulid an-nabawiyy als Abweichung von der wahren Religion zu beschreiben, bemerken sich nicht, dass sie durch ihre voreiligen Urteile diese Angelegenheit aus einer falschen Perspektive betrachten.
Es ist nämlich unislamisch und blasphemisch zu behaupten, dass ein Zusammentreffen von Menschen, die gemeinsam Qur`an lesen und den Propheten Muhammed gedenken, eine ketzerische und unzulässige Absicht (Niyya) beinhalten würde.
Sowohl der Qur`an als auch das Leben des Gesandten Allahs (s.a.s.) verdeutlichen, dass es kein sündhaftes Vergehen ist, einen bestimmten Tag als Mevlid-i nebevi zu bezeichnen und eine Versammlungen zu organisieren mit der Absicht das gemeinschaftliche Leben im Sinne des Islam zu fördern.
Die Äußerung von Hz. Umar (ra) “Welch' schöne Erneuerung“ (Buhari), die er bezüglich der freiwilligen Abendgebete im Monat Ramadan ausdrückte, verdeutlicht, dass man zwischen guten und schlechten Erneuerungen (Bidat) unterscheiden muss und nicht alles als Irrglaube abstempeln kann.
Der Rechtsgelehrte Imam Schafii so wie viele andere islamische Gelehrte (z.B. Imam Ghazali, Imam Haytami,…) vertreten dieselbe Ansicht, dass nicht jede Erneuerung als Abweichung vom Islam oder Irrglaube dargestellt werden kann, erst recht nicht, wenn sie nicht gegen die Anordnungen des edlen Qur`an und der Sunna widersprechen.
Folgend kann es auch nicht als Sünde oder Demoralisation interpretiert werden kann.
Ansonsten müsste behauptet werden, dass Hz. Umar (ra) mit seiner Äußerung und Imam Schafii sowie viele andere islamische Gelehrte dem Irrweg die Tür geöffnet hätten (Möge uns Allah vor solch einer blasphemischen, arroganten Behauptung bewahren).
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Warum ist die Kaba schwarz, quadratisch und was symbolisiert sie?
bei der Kaaba handelt sich um das erste Haus Gottes welches von dem Propheten Abraham (a.s) errichtet wurde. Da es in der Form eines zur Gottesanbetung gebaut wurde ist es quadratisch. Die Kaaba symbolisiert die Einheit der Muslime, denn alle Muslime gleich welcher Nation richten sich im Gebet in die Richtung der Kaaba in Makkah. Desweiteren ist das Umkreisen der Kaaba (Tawaaf) eines der Pflichtteile der islamischen Pilgerreise nach Makkah, welches auch wiederrum die Einheit der Muslime symbolisiert. Die Kaaba selbst ist nicht schwarz, sondern nur das Tuch welches zum Schutz vor Umwelteinflüssen über die Kaaba geworfen hat traditionell diese Farbe. Dieses Tuch wird jahrlich durch ein anderes muslimisches Land erneuert, so dass jede Nation daran beteiligt werden kann.
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Wird es eine Zeit ohne Strom geben?
wir kennen keine Überlieferung die aussagt das es keinen Strom geben wird. Wenn sie uns eine Quelle geben könnten, so wäre eine Recherche möglich.
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Weshalb ist das islamische Kalifat nicht bei der Familie des Propheten (Al-i Beyt) geblieben?
eigentlich waren sie diejenigen, die am besten dafür geeignet waren und es gebührte ihnen auch.
Die irdische Königsherrschaft ist verführend. Das Haus des Propheten war beauftragt damit, die islamischen Wahrheiten und die qur'anischen Gesetze zu bewahren. Wer Kalifat oder Königsherrschaft besteigt, soll entweder so rein sein wie ein Prophet, oder eine außerordentliche Entbehrung von irdischen Interessen gehabt haben wie die (ersten vier) rechtgeleiteten Kalifen (Hulefa-i Rashidin), Omar ibn Abdulasis der Omajade und Mahdi der Abbaside, damit er keiner Verführung unterliegen konnte. In der Tat zeigte uns die Dynastie der Fatimiten, die in Ägypten auf den Namen des Hauses des Propheten gegründet worden war, und die Regierung der Muvahhidin (Ein-Gott-Gläubigen) in Afrika und die Dynastie der Safewiden in Iran, dass die irdische Königsherrschaft bei dem Haus des Propheten nicht dienlich ist. Sie veranlasst das Haus des Propheten die ursprüngliche Aufgabe die Bewahrung des Glaubens und den Dienst am Islam zu vernachlässigen. In Wahrheit leistete es in einer glänzenden und erhabenen Weise einen Dienst für den Islam und den Qur'an, wenn es auf Königsherrschaft verzichtete.
So siehe!
Die Pole (Aqtab) aus den Nachkommen von Hasret Hasan, besonders die Vier Pole (Aqtab Erbaa) und insbesondere Scheich Abdulkadir Geylani der Ghaus A'sam (der große Helfer der Heiligen) und Imame (Vorbilder) aus den Nachkommen von Hasret Huseyn, besonders Seyn al-Abidin und Dschafar al-Ssadiq, deren jeder im Reiche des Geistes die Geltung eines Mahdis (derjenige, der auf den rechten Weg weist) hatte, welche geistige Grausamkeiten und Finsternisse beseitigten und die qur'anischen Lichter und Glaubenswahrheiten verbreiteten. Sie bewiesen, dass sie die Erben ihres Urgroßvaters waren.
(Aus dem Gesamtwerk der Risale-i Nur von "Bediuzzaman" Said Nursi)
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Die Himmelfahrt des Propheten
Eine der gesegneten Nächte, in der die Tugend und die Barmherzigkeit förmlich überquillt ist die Nacht der Himmelfahrt, die „Laylatu-l-Miʿrāǧ“. Die Himmelfahrt ist ein Aufstieg, ein Aufstieg zur höchsten Stufe und dem reinsten Dienen, gereinigt von jeglichen menschlichen und niederen Gefühlen. Es ist ein grenzenloser Horizont des Aufstiegs, der sich vor der Menschheit und personifiziert vor unserem ehrenwerten Propheten (s.a.s.) offenbart. Das Wunder der Himmelfahrt wird im ehrenwerten Qurʾān erzählt und unwiderlegbar dargelegt. Die erste Station dieser göttlichen Reise, die bis zur al-Masǧid al-Aqṣā führt, wird folgendermaßen geschildert;
Preis sei dem, der seinen Diener bei Nacht von der heiligen Moschee zur fernsten Moschee, die Wir ringsum gesegnet haben, reisen ließ, damit Wir ihm etwas von unseren Zeichen zeigen. Er ist der, der alles hört und sieht. (Sura al-Isrāʾ 1)
Die zweite Station der Himmelfahrt beschreibt wie der Prophet (s.a.s.) von der al-Masǧid al-Aqṣā ausgehend sämtliche Ebenen des Himmels überquert und schließlich in die Audienz Gottes tritt. Dies wird in folgenden Versen dargestellt;
Und war am obersten Gesichtskreis. Hierauf kam er näher und stieg herunter, so daß er (nur) zwei Bogenlängen entfernt war oder noch näher. Da gab Er Seinem Diener (als Offenbarung) ein, was Er eingab. Nicht hat sein Herz erlogen, was es sah. Wollt ihr denn mit ihm streiten über das, was er sieht? Und er sah ihn ja ein anderes Mal herabkommen, beim Sidr-Baum des Endziels, bei dem der Garten der Zuflucht ist. Als den Sidr-Baum überdeckte, was (ihn) überdeckte, da wich der Blick nicht ab, noch überschritt er das Maß. Wahrlich, er sah etwas von den größten Zeichen seines Herrn. (Sura an-Naǧm 7-18)
Wie ereignete sich die Himmelfahrt?
Die Himmelfahrt ist die 27. Nacht des Monats Raǧab und stellt den Aufstieg des Propheten Muḥammad (s.a.s.) unter der Einladung Gottes und der Führung des Engels Hz. Ǧibrīl (a.s.), in die göttliche Audienz dar und dabei überquert er beginnend bei der Masǧid al-Ḥarām und der Masǧid al-Aqṣā sämtliche Dimensionen und Pforten der göttlichen Schöpfung.
Der Prophet (s.a.s.) reiste von Mekka nach Jerusalem auf einem himmlischen weißen Geschöpf, welches einem Pferd ähnelt („burāq“). Bevor der Prophet (s.a.s.) Jerusalem erreichte, besuchte er auf dem Weg die Instanz von Hz. Mūsā (a.s.) und betete dort. Von dort aus fuhr er fort und erreichte die masǧid al-aqṣā. Sämtliche Propheten hießen ihn dort willkommen. Sie zelebrierten seine Himmelsfahrt. Als Vorbeter betete der Prophet (s.a.s.) mit allen anderen Propheten und hielt eine Predigt. Laut einer Überlieferung besuchte er auch die Geburtsstätte von Hz. ʿĪsā (a.s.) und betete dort. Von der Stelle an der sich heute die qubbatu ʾṣ-ṣaḫra befindet, stieg der Prophet (s.a.s.) dann in den Himmel auf. Er überquerte alle Stufen des Himmels. Nach der Reihenfolge der sieben Himmelsstufen hat er Propheten wie etwa Hz. Ādam (a.s.) Hz. ʿĪsā (a.s.), Hz. Mūsā (a.s.), Hz. Ibrāhīm (a.s.) und weitere getroffen, sie haben ihn begrüßt und ihm gratuliert.
Danach kam der Prophet (s.a.s.) in der Sidratu-l-Muntahā an, an dieser Stelle endet der Kosmos. Der Prophet (s.a.s.) sah dort vier Flüsse, von denen zwei offen erkennbar waren und zwei verborgen. Danach besuchte er die Bayt al-Maʿmūr, welches täglich von siebzig Engeln besucht wird.
Hz. Ǧibrīl (a.s.) konnte den Propheten (s.a.s.) ab diesem Punkt nicht mehr begleiten, denn weiter konnte er nicht. Der Prophet (s.a.s.) wurde jenseits von Zeit und Ort mit dem Antlitz Gottes unendlich beehrt.
als der Prophet (s.a.s.) von der Audienz Gottes zurückkehrte begegnete ihm Hz. Mūsā (a.s.) und er fragte "welche Pflicht hat Gott deiner Gemeinde auferlegt?", daraufhin antwortete der Prophet (s.a.s.) "50 Gebetszeiten".
Als Hz. Mūsā (a.s.) "Kehre zu deinem Schöpfer zurück und bitte darum, die Anzahl der Gebetszeiten zu senken, deine Gemeinde ist nicht in der Lage dazu" sagte, bat der Prophet (s.a.s.) fünf Mal um die Verringerung der Gebetszeiten. Jedes Mal wurden diese um 10 Gebetszeiten verringert, bis dann 5 Gebetszeiten festgelegt wurden.
Danach hat der Prophet (s.a.s.) unter der Führung von Hz. Ǧibrīl (a.s.) sämtliche Bereiche des Jenseits, des Himmels, der Hölle, sowie sämtliche Reiche der Schöpfung besucht, bis er dann schließlich nach Mekka zurückkehrte.
Am Morgen erzählte er den nahegelegenen Mekkanern von der Himmelfahrt. Sie wollten Beweise für die Himmelfahrt. Der Prophet (s.a.s.) berichtete ihnen von den Karawanen, die er auf dem Weg während der Himmelfahrt sah. Die Ansässigen sind sofort aus der Stadt gegangen um die kommenden Karawanen zu begrüßen und zu sehen, ob der Prophet (s.a.s.) Recht hatte. Wie vom Propheten (s.a.s.) beschrieben, kamen die Karawanen an und die Ansässigen sahen dies, ihre Herzen blieben jedoch für den Glauben verschlossen.
Trotzdem wollten sie hintereinander Beweise für die Himmelfahrt. Der Prophet (s.a.s.) erzählte von der Reise nach Jerusalem und zur Masǧid al-Aqṣā. Den Ansässigen stoß dies auf und sie entgegneten „Wie kannst du in einer Nacht dahin gelangen, wo man normalerweise einen Monat für diese Reise brauchen würde?“ und jene, die die Masǧid al-Aqṣā schon mal gesehen haben fragten den Propheten (s.a.s.) ob er denn die Masǧid al-Aqṣā beschreiben könnte.
Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) schilderte: Ihre Verleugnungen und Befragungen bedrückten mich. Ich hatte bisher sogar noch nie solch eine Bedrückung empfunden. Dann hat auf einmal Allah (c.c.) mir die Bayt al-Maqdis gezeigt. Ich habe diesen dann betrachtet und alles Stück für Stück beschrieben. Sie fragten mich sogar wie viele Türen die Bayt al-Maqdis hat. Ich hatte die Türen jedoch nicht gezählt. Als ich dann aber auf die Bayt al-Maqdis schaute habe ich die Türen nach einander gezählt und ihnen aufgelistet.
Die Ungläubigen haben darauf geschworen, dass sämtliche Erzählungen stimmten, aber sie wollten trotzdem nicht glauben. In dem Moment erschien Hz. Abū Bakr und die Ungläubigen schilderten ihn von diesen Erzählungen. Hz. Abū Bakr antwortete "Wenn ihr diese Worte von ihm gehört habt sind sie ohne Zweifel wahr" und somit bestätigte er sie sofort, ab dem Zeitpunkt bekam er auch den Titel des Loyalen und zweifellos Glaubenden.
Warum stieg unser Prophet (s.a.s.) in den Himmel auf?
Ein Herrscher kommuniziert zweierlei. Einmal kann er mit einem Bürger in seinem Reich verkürzt kommunizieren und eine kleine Angelegenheit besprechen. Er kann als Verwalter seines Reichs und seines Volkes mit seinen Gesandten privat sprechen, mit ihn Absprache halten und über ihn Verordnungen verkünden. Gleichermaßen kann man die Kommunikation zwischen Gott und seinen Untertanen begreifen. Zum einen kann eine spezielle und individuelle Kommunikation stattfinden und zum anderen kann eine allgemeingültige und allumfassende Kommunikation stattfinden. Die Inspiration, die manche Gottesfreunde mit hohen spirituellen Rang bekommen ist von erster Art.
Unser ehrenwerter Prophet (s.a.s.) ist über allen Rängen der Schöpfung erhaben und wird mit der Ansprache des allmächtigen Schöpfers beehrt, seine Kommunikation mit Gott ist von zweiter Art. Der Gesandte Gottes ist der Gesandte zweier Seiten. Er ist der Gesandte zwischen Recht und Volk und zwischen Volk und Recht. Die Eine ist die eher verborgene Seite der Himmelfahrt in Form der Gottesnähe und die Andere ist die offensichtliche Funktion als Gesandter Gottes. Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) ist also für uns und für unsere Repräsentanz in den Himmel aufgestiegen und hat so die Huldigung, das Gebet und den Gottesdienst sämtlicher Geschöpfe, allen voraus der Menschen dargestellt. Aus dieser Sicht ist die Himmelfahrt ein Aufstieg der Schöpfung und ein Weg zu Gott. Auf der anderen Seite brachte unser Prophet (s.a.s.) die Anweisungen und Verbote Gottes mit und verkündigte sie uns, das tägliche Gebet als die Essenz unserer Gottesdienste und unseres Glaubens ist solch ein Geschenk.
Wie kann der Prophet (s.a.s.) überhaupt mit Gott sprechen?
Wie hat man es zu verstehen, dass der Prophet (s.a.s.) einen Weg von 70 Tausend Jahren überquert und 70 Tausend Vorhänge aufmacht um anschließend mit Gott zu reden?
Gott ist jedem Geschöpf näher als alles andere aber die Geschöpfe sind unendlich entfernt von ihm. Wenn die Sonne z.B. einen Verstand hätte und mit uns reden wollte, könnte sie den Spiegel, der sich bei uns befindet dafür nutzen. Andererseits können wir uns mit unserem Auge, der auch wie eine Art Spiegel fungiert, uns der Sonne nähern. Jedoch ist die Sonne eigentlich immens viele Kilometer entfernt von uns. Es ist selbstverständlich unmöglich, dass ein Mensch sich körperlich der Sonne nähert. In diesem Sinne kann auch kein Mensch sich Gott körperlich nähern, denn Gott ist unendlich entfernt von allen Geschöpfen. Der Prophet (s.a.s.) ist aber mit der Erlaubnis und der Gnade Gottes auf einmal in den Himmel aufgestiegen und hat alle Distanzen somit unter dem Willen Gottes überquert. Wenn man bedenkt, mit welcher Allmacht Gott sämtliche Galaxien bewegt und darunter unzählig viele gigantische Planeten mit unfassbarer Geschwindigkeit bewegt, dann ist es auch nicht absurd zu denken, dass ein Mensch unter dem Willen Gottes eine gewaltige Strecke in wenigen Momenten überquert. Das ist eine Demonstration der Allmacht Gottes. Daher ist diese Himmelfahrt auch ein Wunder und ein Geschenk Gottes.
Wie lässt sich die kurze Dauer der Reise erklären?
Zeit ist relativ. Denn verschiedene Geschöpfe bewegen sich in verschiedenen Dimensionen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Licht bewegt sich z.B. anders als der Körper. Dabei ist es bekannt, dass viel in kurzer Zeit geträumt werden kann. In manchen Träumen die nur wenige Minuten dauern, geschieht so viel, dass man damit ganze Bücher füllen könnte. Die Regeln von Raum und Zeit können sich also verändern und anders auf die Geschöpfe wirken. Dementsprechend hat sich die Wirkung von Raum und Zeit unter dem Willen Gottes verändert und der Prophet (s.a.s.) konnte somit in überirdischer Geschwindigkeit über sämtliche Dimensionen reisen, mit Gott sprechen und zurückkehren.
Gibt es oder gab es denn Vergleichbares damit man sagen könnte die Himmelfahrt ist möglich und glaubhaft?
Es gibt viele Beispiele zur Himmelfahrt. Der Mensch kann mit seinen Augen in einer Sekunde unfassbare Distanzen überqueren und Astrophysiker können mit ihren Apparaten und ihrem Handwerk in wenigen Minuten in die Ferne und Tiefe der Galaxie schauen. Auch der Gläubige kann in seinem täglichen Gebet auf eine Art und Weise den Kosmos hinter sich lassen und Gottes Einladung wahrnehmen. Jene Menschen mit hohen spirituellen Rang und einen tiefen Glauben haben oft besondere Taten vollbracht und Zustände erwiesen. Die Bücher und Überlieferungen erzählen davon. Dass der Prophet (s.a.s.) also in den Himmel aufgestiegen ist und zurückkehrte ist dem Denken und dem Glauben nicht so entfernt wie man anfänglich meinen könnte.
Die Geschenke der Himmelfahrt
Erstens: Unser ehrenwerter Prophet (s.a.s.) hat alle Glaubenswahrheiten mit seinen eigenen Augen gesehen. Er sah das Jenseits, den Himmel und sogar die Schönheit Gottes und mit seinen Worten in denen sich nicht der Hauch einer Lüge oder eines Zweifels finden lässt, wird den Gläubigen gesagt, es gibt das Jenseits und einen Himmel. Für die Gläubigen ist dies ein immenses Geschenk, denn ihr Prophet (s.a.s.) konnte durch die Himmelfahrt ihnen vom Jenseits erzählen und ihr Glaube wird nochmal bestärkt.
Zweitens: Der Mensch ist wissbegierig. Er fragt sich ob es noch Leben im All gibt und ob man im Mond leben könnte. Dabei ist der Mond innerhalb des göttlichen Kosmos lediglich ein kleiner Punkt. Auch die Gläubigen sind wissbegierig. Was will unser Schöpfer von uns? Was sollen wir tun damit unser Schöpfer uns wohlgestimmt ist? Während die Gläubigen mit ihrer Leidenschaft im Herzen auf die Antwort dieser Fragen brennen und alles dafür tun würden, wurde dem Propheten (s.a.s.) die Himmelfahrt geschenkt und er kann nun diese Fragen beantworten. Durch die Himmelfahrt konnte der Prophet (s.a.s.) den Gläubigen erklären, was sie zu tun haben, damit Gott ihnen wohlgestimmt ist, angefangen mit dem täglichen Gebet.
Drittens: Der Prophet (s.a.s.) hat den Schlüssel zur Glückseligkeit und zum Jenseits empfangen und den Geschöpfen gegeben. Er hat mit seinen eigenen Augen den Himmel gesehen, das unendliche Glück erlebt und diese große Freudennachricht mit den Gläubigen geteilt. Als Prophet aller Geschöpfe warten diese Geschöpfe auf seine frohe Botschaft und daher ist die Himmelfahrt so wertvoll.
Viertens: Der Prophet (s.a.s.) kam in den Genuss die Schönheit Gottes betrachten zu dürfen. Als er zurückkehrte überbrachte er den Gläubigen diese Botschaft und besagte, dass die Gläubigen im Himmel auch die Schönheit Gottes betrachten werden dürfen.
Fünftens: Mit der Himmelfahrt wurde deutlich, dass der Mensch die wertvollste Frucht des Kosmos und Gottes direkter Adressat ist. In den unendlichen Weiten der Galaxie ist der Mensch ein verschwindend kleines und schwaches Geschöpf und mit der Himmelfahrt ist der Mensch in solch eine Stufe empor gestiegen, dass sein Rang den Rang aller anderen Lebewesen übersteigt.
In welch hohen Rang steigt der schwache, vergängliche Mensch auf, der ständig von Trennung und Vergänglichkeit in dieser Welt getroffen wird, wenn man ihm sagt „du wirst in den unendlichen Himmel und zur unendlichen Barmherzigkeit Gottes aufsteigen“. Im Himmel wird der Mensch im unendlichen Reich Gottes in beliebiger Geschwindigkeit reisen und alle Gelüste des Herzens werden gestillt. Er kommt in den Genuss der Schönheit Gottes und wird damit unendlich beehrt. Die Euphorie und die Spannung der Gläubigen ist nur allzu gut denkbar. Die Himmelfahrt und speziell die freudige Botschaft die darin steckt ist eine große Botschaft und ein Ausblick für den Gläubigen.
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Das Opferfest - Eine Lobpreisung Gottes
Wir verbringen und verrichten das Opferfest jedes Jahr gemeinsam mit den hundert Tausenden unserer Glaubensbrüder die sich in der Pilgerfahrt befinden in einer Gelassenheit und Freude. Und mit diesen Anlass an diesen heiligen Tag, bitten wir Gott um materielle und geistige Entwicklung für die islamische Welt.
Mit den der Ausspruch zur Einheit und Lobpreisung Gottes und unsere Gebete und Opfer zeigen wir dem ganzen Universum wie dankbar wir sind Diener des Allmächtigen zu sein. Und wir erneuern unser Bekenntnis zu unserer heiligen Religion.
Das Opferfest erinnert uns an die Geschichte von den Propheten Abraham, der seinen Sohn Ismail Opfern soll. Dass sein Sohn auch zustimmt geopfert zu werden, zeigt ihre Loyalität gegenüber Gott. Aus diesen Grunde erlaubt es Gott den Propheten Abraham ein Tier, statt seinen eigenen Sohn zu schlachten. Das Opfern ist symbolisch und steht für diesen erfolgreichen Test dieser zwei Propheten.
Vor allem die Pilgerfahrer bereichern mit ihrer Pilgerfahrt und den Erinnerungen das Opferfest noch weiter und erleben so eine noch größere Freude.
An den religiösen Feiertagen haben die Gebete, die unsere Schulden sind an unseren Schöpfer, einen anderen Stellenwert. An diesen Tagen beten wir nach dem Morgengebet, auch ein Festtagsgebet. Selbst die Menschen die einen sehr schwachen Glauben haben kommen zu diesem Gebet, das mit der Gemeinde verrichtet wird. Denn das Festtagsgebet ist ein fester Bestandteil der Gesellschaft geworden und ist eine schöne Tradition.
Während dem Gebet ist sich jeder bewusst, egal welchen weltlichen Rang sie tragen, oder wie reich sie auch sind, dass sie nur Diener des Allmächtigen und Barmherzigen sind.
Mit Lobpreisungen verkündigt er energisch seine Größe/Macht. Weiter verkündigt er mit Danksagungen seine glanzvolle Barmherzigkeit, die über den zahllosen Gnadengaben von ihm Ausdruck finden und das Herz des Gläubigen mit Dankbarkeit übersteigen lassen. Er öffnet seine Hände zum Gebet und fleht seinen Schöpfer an. Am Morgen des Opferfestes gedenkt er seinen Platz in einem Zeitstrahl der sich von der Vergangenheit bis zur Zukunft erstreckt und er will die Momente der Freude und des Wohls die aus seinem Glauben resultieren verewigen und dafür erfüllt er seinen Schwur als Untertan gegen seinen Schöpfer.
Auf der anderen Seite sind die Festtagsgebete der beste Beweis dass alle Muslime, die im Haus Gottes eine Reihe bilden, wahre Brüder im Glauben sind.
Egal wie Sündhaft oder fehlerhaft ein Bruder im Glauben ist, er ist immer noch ein Bruder. Ohnehin ist es der Geist der Brüderlichkeit, der von Generation zu Generation seit vierzehn Jahrhunderten den Geist des Islams beleuchtet und bis zum Tag des jüngsten Gerichts beleuchten wird.
Nach dem Festtagsgebet beglückwünschen sich die Menschen in Freude und gehen sofort ihrer nächsten Pflicht nach; dem Opfern des Tieres.
Das Tier Opfert man um Gottes Willen. Um die Nähe Gottes zu gewinnen, fängt man mit dem Gebet an und schreitet voran mit dem Opfern des Tieres. Der Gläubige spürt im inneren, dass zusammen mit dem Blut des Opfertieres, auch seine Sünden abfließen. Das beste Beispiel ein Opfer um Gottes willen zu erbringen, ist das Opferfest. Das Opfern ist ein Zeichen seiner Hingabe zu Gott.
Darüber hinaus ist das Opfern des Tieres eine Gelegenheit, sich und seine Familie vor aller Arten von Schwierigkeiten und Trübsal zu schützen.
Nachdem Schneiden des Tieres, kommt es zur Aufteilung des Fleisches. Ein Drittel des Fleisches geht an die Armen, ein Drittel an die Nachbarn und das verbleibende Drittel nach Hause zu Frau und Kind.
Somit zeigen sie neben der Pflicht gegenüber Gott, auch Verantwortung gegenüber den Mitmenschen. Die Gefühle der Liebe und Brüderlichkeit werden so weiter entwickelt. Und die Gefühle der Feindschaft und des Hasses verschwinden allmählich.
In diesem Zusammenhang der gottesdienstlichen Handlung, wird neben der Gewährleistung des Bedarfs an Nahrung der Armen, auch gleichzeitig die Solidarität zwischen Reich und Arm gestärkt.
Dass Millionen von Muslimen zur gleichen Zeit ein Opfer bringen, ist eine spektakuläre Ansicht. Das heißt es gibt so viele Menschen, die bereit sind nur durch einen einzigen Befehl ihres Herren, ihre ihnen gestellte Aufgabe zu erfüllen. Es ist nicht einfach sich vorzustellen welch spirituelle Größe dieser Gedanke und diese Vorstellung einem bringt.
Um Gottes Zustimmung zu erhalten, opfern die Menschen die dazu in der Lage sind ein Tier.
Auf der anderen Seite denken sich die Muslime und sagen sich gegen die Einwände der Menschen, die es nicht verstehen können folgendes:
„Auf der Welt werden täglich hundert tausende Tiere geschlachtet um den täglichen Bedarf der Menschen an Fleisch zu decken. Wenn dabei keine drastische Minderung der Zahl der Tiere zu Stande kommt, warum soll dies am Opferfest der Fall sein? Die Zahl der geschlachteten Tiere zum Opferfest übersteigt keineswegs die Zahl der sonst geschlachteten Tiere zu dem Zeitraum. denn die Metzger schlachten zu diesem Zeitraum auch viel weniger Tiere, da sie durch das Opferfest dies bereits abdecken.“
Während des Opferfests spielt auch neben der Verteilung des Opferfleisches, auch die Abgabe von Spenden und Almosen eine große Rolle. Nach dem Festtagsgebet ermutigte unser ehrenwürdiger Prophet (s.a.s.) der Gemeinde, Almosen abzugeben. Insbesondere bei den Frauen beharrte er auf die Almosen und ermutigte sie, das durch die Abgabe ihrer schönsten Schmucke zum Opferfeste, eine Gelegenheit ist für die Vergebung ihrer Sünden. (Müslim. Salatü'l-İydeyn:9)
Essen, Trinken und andere Menschen einladen, gehört zu den schönen Dingen die bei religiösen Feiertagen gemacht werden. An diesen Tagen ist das Fasten verboten.
Nach einer Überlieferung sagte unser Prophet: „die Tage des Miteinanders sind Tage der gemeinsamen festlichen Speisens“. (A.g.e., Sıyam:144)
In diesem Zusammenhang werden die im Gebet gesprochenen Lobpreisungen („tašrīk takbīr“) auch als Tage der Lobpreisung genannt. An diesen Tagen soll man essen, trinken, jubeln, Freude haben und es auch zeigen. Besonders an diesen Tagen Kindern eine Freude zu bereiten entspricht der Sunna.
Da die Festtage ein Anlass der Freude und Heiterkeit sind, ist es auch gestattet legitime Spiele die frei von Sünden sind zu spielen. (A.g.e., Salatü'l-İydeyn: 4) Denn es ist ein Zeichen der Ausgelassenheit und Freude des Geistes. Dieses sollte mein auch zeigen.
Allerdings sollte man in Maßen seine Freude darstellen und zelebrieren. Das Gewicht sollte man auf die Lobpreisung und andere gottesdienstliche Handlungen legen.Somit werden die Freuden die man erlebt zu einer Danksagung gegenüber der Gnadengaben und mit diesen Danksagungen werden die Gnadengaben auch immer mehr. Den wie es auch geschrieben steht: „Wenn ihr dankbar seid, werde Ich euch ganz gewiss noch mehr (Gunst) erweisen.“ (14/7). Wohingegen die Freuden die man in Achtlosigkeit erlebt nicht von Dauer sind. Nach diesen Freuden bleibt nur noch die Trauer dass es diese Freude vorüber ist. Somit sollte man darauf achten, dass man denjenigen nicht vergisst der diese Gnadengaben ermöglicht und ihn Danken, damit die Gnadengaben beständig bleiben.
Zu den schönen und lobenswerten Handlungsweisen am Opferfest gehört; Am Morgen des Festes früh aufstehen, die Ganzkörperreinigung vollziehen, die Zähne (mit dem Misvak) reinigen, wohlriechende Düfte auftragen, sich sauber und schön anziehen, sich und andere erfreuen, seinen Nächsten Geschenke machen, die Nacht mit Gottesdiensten verbringen, ggf. sein Fasten mit dem Fleisch des Opfertieres brechen, auf der Rückkehr von der Moschee einen anderen Weg nach Hause gehen als sonst, die anderen Gläubigen beglückwünschen, die Familie und insbesondere die Kinder mit Geschenken erfreuen. Die gemeinsam gesprochenen Lobpreisungen sind bis zum Nachmittagsgebet des vierten Tags des Opferfestes zwingend.
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Möge unser islamisches Neujahr gesegnet sein
Als Fragenandenislam - Team gratulieren wir allen zum islamischen Neujahr. Damit einhergehend wollen wir an dieser Stelle einige Informationen zu dieser besonderen Zeit geben. Die Zeit der hiǧra fängt mit dem Auswandern des Propheten Muḥammad (s.a.s.) von Mekka nach Medina an. Als Anfang eines Kalenders bzw. einer Zeitrechnung wurde dieses Ereignis aber erst zu der Amtszeit von ʿUmar b. al-Ḫaṭṭāb etabliert. Davor hatten die Araber keine eindeutige Zeitrechnung. Manche wichtigen Ereignisse (wie z.B. das Jahr des Elefanten) wurden als Anfang der Zeitrechnung genommen.
16 Jahre nach der hiǧra wollte der damalige Kaliph ʿUmar b. al-Ḫaṭṭāb bei einer Sitzung in Medina eine Lösung für das Problem um die Zeitrechnung. Auf die Empfehlung von ʿAlī b. Abī Ṭālib, die von allen beherzigt wurde, nahm man die hiǧra als Anfang für die Zeitrechnung im Islam und der Monat Muḥarram wurde als erster Monat des Jahres festgelegt. Diese Einführung wurde an zwei Gesichtspunkten erklärt. Bei einer Vorlage einer Geldschuld konnte nicht festgestellt werden ob die Schulden zu dem Jahr oder dem vorherigen Jahr fällig waren. Zur selben Zeit hat der damalige Gouvernour von Basra in einem Schreiben mitgeteilt dass die vom Kaliphat entsandten Dokumente mit rechtlichen Bestimmungen nicht eindeutig bestimmbar waren, somit herrschte Verwirrung und er bat um die Erledigung dieser Problematik rund um die Zeitrechnung. So wurde dann die hiǧra als Anfang der Zeitrechnung festgelegt.
Der islamische Kalender hat 12 Monate. Neben dem ersten Monat Muḥarram werden auch die Monate Raǧab, Ḏū l-qaʿda und Ḏū l-Ḥiǧǧa als „šuhūr al-ḥurūm" also als in etwa als "Monate der Ehre/Respekt" wahrgenommen und in diesen Monaten meidete man möglichst allerlei gewaltsame Ausschreitungen.
Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) hat empfohlen am neunten, zehnten und elften Tag dieses Monats zu fasten. Nach dem Fasten im Ramadan ist das am meisten gelobte Fasten, das was am ehrenvollen Monat Muḥarram getätigt wird (Riyazü's-Sâlihin, II, 504). In einer anderen Überlieferung wird beschrieben dass zum ereignisreichen Tag der ʿāšūrāʾ welche in diesem Monat verortet wird, das Fasten zur Gelegenheit wird, alle Sünden und Fehtritte im letzten Jahr durch die Vergebung Gottes zu reinigen (Riyâzü's-Salihin, II, 509).
Zu der Zeit von Yazīd ibn Muʿāwiya, dem zweitem Oberhaupt der Umayyaden fand die Schlacht statt in der Hz. Ḥusain, der Enkel des Propheten (s.a.s.) als Märtyrer gefallen ist. Mit vielerlei Gedichten und Erzählungen wird dieser Tag als ein trauriger Ausschnitt der muslimischen Geschichte in Erinnerung gehalten und so hat sich dieser Tag durch die Zeit großflächig als ein besonderer Tag des Gedenkens etabliert.
Es wird mitunter überliefert dass am Tag der ʿāšūrāʾ, also der zehnte Tag des Monats Muḥarram viele wichtige Ereignisse stattgefunden haben darunter kann man mitunter diese zählen:
- Hz. Nūḥ ist mit der Arche in der Sintflut an diesem Tag auf den Berg aufgelaufen. Dies ist bekanntermaßen das Ereignis in der die Gläubigen mit Hz. Nūḥ errettet wurden, während die Ungläubigen vernichtet wurden.
- Hz. Ādam tut Buße
- Hz. Ibrāhīm wird ins Feuer gestoßen und gleichzeitig aber mit Gottes Gnade vom Feuer geschützt.
- Hz. Yaʿqūb wird wieder mit seinen Sohn Hz. Yūsuf vereint.
- Andererseits wird am 16. Tag des Muḥarram die qibla festgelegt und am 17. Tag kamen die Gefolgsleute des Elephanten kamen (siehe Sura al-fīl).
Der Monat Muḥarram wird auch zur Zeit der Osmanen besonders gehuldigt. Unter den Namen „Muharremiye“ gibt es eine Vielzahl an osmanischen Gedichten zu diesem Monat. Da dies auch das islamische Neujahr war stiegen die Regierungsleute in die Audienz des Sultans auf, gratulierten ihm und erhielten von ihm Geschenke unter den Namen „Muharremiye“. Im osmanischem Archiv wird dieser Monat als „Muharremü’l-Haram“ notiert (Mefail HIZLI - Şamil İslam Ansiklopedisinden).
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Eine grandiose Gelegenheit: Die Zehn Tage im Monat Zilhidja
Eine grandiose Gelegenheit: Die Zehn Tage im Monat Zilhidja
Am Dienstag den 15 September 2015 ist der Beginn der gesegneten 10 Tage des Monats Zilhidja angesetzt. Zilhidja ist ein Monat des Vergebens. Zihidja ist der zwölfte Monat im islamischen Kalender und ein Monat in dem gepilgert wird, welches gleichzeitig eines der fünf Grundpfeiler im Islam ist
Wie schon oben erwähnt, nennt man die ersten Zehn Tage im gesegneten Monat Zilhidja
„layāli-l-ašara“, der zehnte Tag ist der erste Tag des Opferfestes.
Um diesen Wert der Tage zu verstehen sagte unser Prophet (s.a.s.)
„Es gibt keine Tage, bei denen Allah mit den guten Taten so sehr erfreut wird, wie bei diesen 10 Tagen. Das Fasten an jenen dieser Tage, entspricht einem Jahr Fasten und jedes verrichtete Gebet in der Nacht, entspricht der Nacht des Bestimmung.“ (Tirmizi: Savm, 52; İbn Mace: Sıyam, 39)
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Was ist der Unterschied zwischen nabiyy und rasul und wie viele gibt es?
das Wort Nabiyy hat seinen Ursprung im Wortstamm aba, welches so viel wie Nachricht bedeutet. Nabiyy ist also eine partizipiale (aktive) Form. Demnach ist ein Nabiyy der, der seine Prophetie dem Volk verkündigt bzw. der die Bestimmungen Gottes durch die Offenbarung verkündigt (H. Cisrî, Risâle-i Hamidiye, 524).
Das Wort kann auch in passiv partizipialer Form verstanden werden. Demnach ist ein Nabiyy der, dem von Gott die Prophetie verliehen wurde bzw. dem Gott manche göttliche Bestimmungen aufgezeigt hat. Ein Rasūl ist jemand der von Gott entsandt wurde um die göttlichen Bestimmungen zu verkündigen (a.g.e., 524).
Als Wort wurden Nabiyy und Rasul hinsichtlich der Bedeutung mancherorts gleichgesetzt und mancherorts als unterschiedlich aufgefasst. Es sind aber durchaus Unterschiede erkennbar. Nach Überlieferungen wird davon ausgegangen, dass es 313 Rusul (Plural von Rasūl) gibt und mehr als 124 tausend ʾAnbiyāʾ (Plural von Nabiyy) gibt (a.g.e., 525).
Im Qurʾān werden beide Wörter getrennt erwähnt, daraus ergibt sich, dass beide Wörter verschieden aufzufassen sind (Vgl. 22:52). An manchen Stellen ist dies jedoch nicht so. Bei der getrennten Betrachtung spricht man gerne davon, dass der Rasūl eine neue und bis dato nicht vorhandene Bestimmung Gottes bzw. eine Erneuerung zur vorhandenen göttlichen Bestimmung erhält, um sie zu verkündigen, während der Nabiyy die bereits vorhandene göttliche Bestimmung weiter verkündigt und ihr folgt (H. Cisrî, a.g.e., 526).
In die deutsche Sprache könnte man Nabiyy und Rasūl wohl treffenderweise mit Prophet und Gesandter übersetzen um diese Unterscheidung auch im Wortlaut aufzugreifen. Im üblichen Gebrauch wird diese Unterscheidung allerdings nicht immer zwingend verwendet. So wird oft von Muḥammad als der islamische Prophet gesprochen, obwohl er, wenn man so will, eigentlich als Gesandter zu benennen ist.
Explizit zu nennen sind sicherlich die religionsstiftenden Propheten/Gesandten Hz. Ibrāhīm, Hz. Mūsā, Hz.ʿĪsā und Hz. Muḥammad. Auf diese Namen gehen nämlich die heutigen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam zurück. In islamischer Tradition wird der Gesandte Hz. Muḥammad als "Ḫātam al-ʾAnbiyāʾ", also als Siegel der Propheten angesehen. Mit Hz. Muḥammad wurde die göttliche Offenbarung abgeschlossen und vollendet, daher wird es keinen weiteren Propheten/Gesandten geben.
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Können sie uns Alles Wissenswerte zum Thema Aqiqa Opfer sagen?
man nennt die ersten Haare auf dem Kopf des Neugeborenen "Aqīqa" und nach 7 Tagen werden die Haare auf dem Kopf des Neugeborenen abrasiert (ganz oder teilweise) und anschließend wird das Kind benannt. Als Ausdruck der Dankbarkeit wird ein Tier als Opfer geschlachtet, daher kommt auch der Begriff Aqīqa für dieses Opfertier.
Hz. Āʾiša (r.a.) überliefert:
Der ehrenwerte Prophet befiehl uns für männliche Kinder zwei und für weibliche Kinder ein Schaf (als Aqīqa) zu schlachten. (İbn Mâce hadis no: 3163, Zebâih, no: 1515)
Hz. Āʾiša (r.a.) überliefert auch, dass der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) nach dem 7. Tag der Geburt seiner Enkel ein Opfertier geschlachtet und sie danach benannt hat. (Tecrid-i Sarih Tercümesi, XI/401)
Dieser Opfertier kann ab der Geburt des Kindes bis hin zu Beginn der Geschlechtsreife des Kindes geschlachtet werden. Es empfiehlt sich aber am 7. Tag der Geburt des Kindes dies zu tun, da dies gesegneter ist.
Es ist Brauch die Knochen des Tieres nicht zu zerbrechen, sondern das Fleisch an den Gelenken zu schaben und zu kochen/braten und die Knochen später zu vergraben. Dahinter steckt die Absicht, dass das Kind gesund sein soll und dies ist eine Art Gebet dafür. So wie der Geber des Opfertieres selbst vom Fleisch des Tieres essen kann, so kann auch die Familie davon essen. Ein Teil wird den Bedürftigen gespendet.
Die arabischen Stämme haben, bevor sie den Islam kennenlernten, nur für ihre Söhne ein Opfertier geschlachtet, für die Töchter gab es keine Zeremonie. Der Islam sorgte durch diese Neuerung auch für eine Wertschätzung der Mädchen.
Aus einer Überlieferung geht hervor:
Für ein männliches Kind müssen zwei sich gleichende/ebenbürtige Opfertiere geschlachtet werden, für ein weibliches Kind muss ein Opfertier geschlachtet werden. Es macht kein Unterschied, ob das Tier männlich oder weiblich ist. (Ebû Dâvud, Edâhî 21, 2834, 2835, 2836; Tirmizî, Edâhî 17, (1516); Nesâî, Akîka 3, 7, 165)
1) Diese Überlieferungen zeigen die Unterschiede der zu schlachtenen Opfertiere bei männlichen und weiblichen Kindern auf. Bei männlichen Kindern sprechen wir von zwei Tieren und bei weiblichen Kindern von einem Tier. Für das männliche Kind müssen die Tiere alle Bedingungen eines Opfertieres erfüllen und sie dürfen in dem Sinne keine Mängel haben. Dies gilt für beide Tiere gleichermaßen.
2) Nach dieser Überlieferung handelnd urteilen die Gelehrten, dass für die männlichen Kinder zwei Schafböcke geschlachtet werden sollen und dabei bekräftigen sie ihre Ansicht mit manchen Indizien außerhalb der Überlieferungen. Sie sagen: "Unser Gesetz urteilt für die Hälfte der Frau im Erbe, im Zeugnis und in der Religion".
3) Auch wenn die Überlieferung vom äußerlichen Wortlaut das Opfern eines Tieres für das Kind als zwingend ("Wāǧib") darstellt, haben die Gelehrten bezogen auf das Thema auch weitere Überlieferungen wahrgenommen und sind zum Schluss gekommen, dass es nicht zwingend ist. Lediglich die zahiritische Schule spricht sich dafür aus, dass das Schlachten eines Tieres zwingend ist. Bis auf die hanafitische Rechtschule, sprechen sich die drei Rechtsschulen dafür aus, dass das Schlachten der Sunna entspricht. Die hanafitische Schule deklariert das Schlachten als erlaubt und lobenswert. Demnach ist es keine Sünde, wenn man kein Opfertier als Aqīqa schlachtet.
Nach der mehrheitlichen Meinung der Gelehrten ist es ausreichend für männliche und weibliche Kinder jeweils ein Tier zu schlachten. Diese Überlieferung belegen dies. Nach den Überlieferungen haben nämlich viele wichtige Persönlichkeiten dies so gehandhabt, darunter Abdu-l-llah ibn ʿUmar, der dafür berühmt ist der Sunna des Propheten (s.a.s.) akribisch zu folgen. Abdu-l-llah ibn ʿUmar gab jedem aus seiner Familie immer nur ein Opfertier als Aqīqa, wenn er nach einem Tier gefragt wurde. Für jedes seiner Kinder, ob männlich oder weiblich, schlachtete er ein Tier. Eine Überlieferung besagt:
Es erreichte mich, dass ʿAlī b. Abī Ṭālib (r.a.) dies auch so gehandhabt hat. (Muvatta, Akîka 4, 2, 501)
Diese Überlieferung ist ein Indiz dafür, dass ein Tier für das Kind, ungeachtet des Geschlechts, ausreicht. Die Urväter unserer Religion haben dies ebenso getan.
Abdu-l-llah ibn ʿabbās Überliefet:
Als Aqīqa hat der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) für seine Enkel Ḥasan und Ḥusain jeweils ein Schaf geschlachtet. (Ebû Dâvud, Edâhî 21, 2841)
Diejenigen, die die Position vertreten, für Kinder beidem Geschlechts reicht ein Tier, berufen sich auf diese Überlieferungen.
Die Bedingungen für das Opfertier:
Das Tier darf nicht blind auf beiden oder auf einem Auge sein. Die Mehrheit der Zähne darf nicht ausgefallen sein. Die Hörner oder eines der Hörner dürfen nicht am Ansatz abgebrochen sein. Die Ohren oder der Schwanz des Tieres muss überwiegend vorhanden sein, der Großteil darf also nicht abgeschnitten sein. Die Mehrheit der Euter/Zitzen darf nicht abgeschnitten sein, es darf kein Tier sein, dass von Geburt aus keine Ohren oder keinen Schwanz hat. Der Prophet (s.a.s) hat es verboten, als Brauch auf das Haupt Blut zu schmieren. (Ebu Dâvud, Edahî, 20) Er befohl, Gold oder Silber im Gewicht der abrasierten Haare zu spenden. Da das Wort Aqīqa der Bedeutung "Aufmüpfigkeit gegen die Eltern" gleichkommt, hat der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) dies mit dem Wort "Nasika" ersetzt, was "Gehorsam und Gottesdienst" bedeutet. (İbn Hanbel, II/182)
Nach der schaafitischen und hanbalitischen Schule wird das Fleisch vom Knochen genommen und gekocht/gebraten, ohne dabei die Knochen des Tieres zu brechen, als Wunsch für die Gesundheit des Kindes. Dies ist gelobt. Nach den anderen Rechtsschulen wird gelobt, die Knochen des Tieres zu zerbrechen, damit das Kind bescheiden wird und frei von weltlichen Ambitionen und Habgier wird. In dem Fall hängt die Handlung von der Absicht ab. Es empfiehlt sich je nach Absicht entsprechend dem Urteil der Rechtsschulen zu handeln.
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Was ist Bidʿa, was ist es nicht?
von Zeit zu Zeit kommt es dazu, dass neuartig wahrgenommene Dinge als verwerfliche, mit dem Islam in Widerspruch stehende Bidʿa („Neuerung“) bezeichnet werden. Daher ist es umso wichtiger zu wissen, was genau als Bidʿa gilt, damit nicht jede Neuheit als solche kategorisiert wird. So hört man häufig Aussagen wie:
„Das Tragen eines Hemdes ohne Kragen ist Sunna, ein Hemd mit Kragen hingegen Bidʿa;“ „Auf dem Boden zu sitzen ist Sunna, auf dem Sofa zu sitzen hingegen Bidʿa;“ „Ohne Mikrofon zum Gebet zu rufen (aḏān) ist Sunna, das Mikrofon dabei zu benutzen hingegen Bidʿa;“ „Mit einer Gebetskappe (Takke) und Turban zu beten ist Sunna, ohne Kopfbedeckung zu beten hingegen Bidʿa;“
Auch wenn hierbei häufig die Erhaltung der Sunna beabsichtigt wird, führen derartig voreilige Beurteilungen zu Streitigkeiten zwischen Familienmitgliedern und Glaubensgeschwistern sowie zu unberechtigten Beschuldigungen Andersdenkender.
Unter den islamischen Gelehrten wurde die Bidʿa-Thematik unter Berücksichtigung des Lebens sowie der Sunna des Propheten (s.a.s) in vielerlei Hinsicht erarbeitet und in ihren Werken beschrieben. Hierbei fokussierten sie sich sowohl auf die allgemeine Bedeutung des Begriffs Bidʿa als auch auf Unterscheidungen im Spezifischen.
So findet sich bei unter anderem aš-Šāfiʿī, an-Nawawī und Ibn ʿĀbidīn inhaltlich die Beschreibung: „Bidʿa ist all das, was nach dem Gesandten Gottes (s.a.s.) aufgekommen ist.“ Demnach ist Bidʿa also zunächst einmal ein weit gefasster Begriff und impliziert sowohl Aspekte der Religion als auch Praktiken und Bräuche aus dem alltäglichen Leben. In Zusammenhang damit wird folgende Überlieferung angeführt:
„Wer meine Sunna aufrechterhält und den Menschen dazu verhilft sich nach ihr zu richten, der wird ohne Abstriche denselben derer Lohn erhalten, denen er zur Ausübung der Sunna verholfen hat. Und wer eine Neuerung erfindet und Schuld daran hat, dass andere nach dieser Bidʿa handeln, dem werden ohne Abstriche dieselben Sünden derer auferlegt, denen er zur Ausübung der Bidʿa verholfen hat.“ (Ibn Māǧa, Muqaddima, 15)
Gleichzeitig unterscheiden die Gelehrten spezifisch betrachtet die Bidʿa in zwei Kategorien: die gute Neuerung (bidʿa ḥasana), und die verwerfliche Neuerung (bidʿa sayyi’ah). So sind beispielsweise Dinge wie der Bau von Minaretten und Lehreinrichtungen gute, erlaubte Neuerungen, auf Gräbern Kerzen anzuzünden dagegen verwerfliche Neuerungen. Demnach handelt es sich bei den in den Überlieferungen thematisierten Neuerungen (Bidʿa) um die Kategorie der verwerflichen Neuerungen (bidʿa sayyi’ah). Als ʿUmar b. al-Ḫaṭṭāb (r.a.) sieht, dass in der Prophetenmoschee (al-Masǧid an-Nabawī) das Tarāwīḥ-Gebet gemeinschaftlich verrichtet wird, soll er auf gute und gebilligte Neuerungen (bidʿa ḥasana) hinweisend gesagt haben:
„Welch schöne Neuheit (Bidʿa) dies ist.“ (Buḫārī, Tarāwīḥ, 1)
Bei einigen Gelehrten, die den Begriff Bidʿa enger fassen, wie unter anderem Imām Mālik, Badr al-Dīn al-ʿAynī, al-Baihaqī, Ibn Ḥaǧar al-ʿAsqalānī, Ibn Ḥaǧar al-Haitamī, Imam Birgiwi und Ibn Taymiyya findet sich sinngemäß die Definition: „Bidʿa bezeichnet jegliche Neuerungen in religiösen Angelegenheit nach dem Ableben des Gesandten Gottes (s.a.s.), die Zufügungen oder Abstriche in der Religion darstellen.“ Diesem Verständnis nach fallen allerart Neuerungen ohne religiösen Charakter gar nicht erst unter die Kategorie Bidʿa, sodass neue Gewohnheiten und Bräuche außerhalb des Begriffs Bidʿa behandelt werden. Diese Ansicht stützt sich auf Überlieferungen wie:
„Das Schlimmste sind die nachträglich erfundenen Dinge.“ (Muslim, Ǧumʿa, 43)
„Alles was nachträglich eingeführt wird ist Bidʿa.“ (Ibn Māǧa, Muqaddima,7)
„Jede Neuerung (Bidʿa) ist Irrtum.“ (Muslim, Ǧumʿa, 43)
„Hütet euch vor den neu eingeführten Dingen, denn alles Neueingeführte ist eine Neuerung (Bidʿa) und jede Neuerung ist Irregehen. So haltet fest an meiner Sunna und an der Sunna meiner vorbildhaften rechtgeleiteten Kalifen.“ (Abū Dāwūd, Sunna, 5)
Dieselbe Ansicht befürwortet der im Bereich Uṣūl al-fiqh (Methodologie der Normenlehre) profilierte aš-Šāṭibī, der Bidʿa als einen nachträglich dargebotenen religiösen Weg erachtet, indem er sinngemäß konstatiert: „Der Grund dafür, dass sich jemand eine religiöse Neuerung (Bidʿa) als Weg nimmt, ist seine Absicht Allah noch besser dienen zu können. Dinge, die keine religiösen Inhalte betreffen oder nicht als religionsbezogen erachtet werden, werden nicht als Neuerungen (Bidʿa) betrachtet. Beispielsweise ist es keine Bidʿa, wenn jemand sich selbst etwas untersagt, was ihm eigentlich erlaubt (ḥalāl) ist; wenn er dieses Untersagen jedoch im Namen religiöser Frömmigkeit vornimmt, so ist dies eine Bidʿa.“ Somit ist nach Ansicht von aš-Šāṭibī die Unterscheidung in gute Neuerung (bidʿa ḥasana) und verwerfliche Neuerung (bidʿa sayyi’ah) nicht richtig. (Vgl. Abū Isḥāq Ibrāhīm Ibn-Mūsā aš-Šāṭibī, al-Iʻtiṣām; Rahmi Yaran: Bid’at, in: Türkiye Diyanet Islâm Ansiklopedisi, Bd. 6, S.129-132)
Der indische Gelehrte Ahmad al-Fārūqī al-Sirhindī, auch bekannt als Imām ar-Rabbānī, greift diese Thematik folgendermaßen auf:
„Der Glückseligste ist derjenige, der in einer für den Islam und die Muslime schwierigen Zeit eine vernachlässigte und verlassene Sunna wiederbelebt und eine verbreitete Neuerung (Bidʿa) abschafft. Nun sind 1000 Jahre seit der Prophetie des ehrenwerten Gesandten Gottes (s.a.s.) vergangen und die Anzeichen des Jüngsten Gerichts haben begonnen sich zu zeigen. Je weiter sich unsere Zeit vom Zeitalter der Glückseligkeit (ʿAṣr al-Saʿādah) entfernte, um so mehr wurden die sunan (pl. von sunna) untergraben und die Neuerungen aufgrund abscheulicher Lügen vermehrt. Nun bedarf es einem solchen Helden, der die sunan wiederbelebt und die Neuerungen abschafft. Denn die Etablierung von Neuerungen führt zur Schädigung der Religion.“ (al-Maktūbāt, 1, 34-35)
Ebenso wie aš-Šāṭibī kritisiert Imām ar-Rabbānī die Kategorisierung von Neuerungen in gut (ḥasan) und verwerflich (sayyi’ah):
„Die früheren Gelehrten scheinen einige gute Aspekte an Neuerungen (Bidʿa) erkannt zu haben, sodass sie manche Neuerungen als gute Neuerungen (Bidʿa ḥasana) bezeichneten. Doch was meine Wenigkeit betrifft, so teile ich diesbezüglich nicht ihre Meinung. Ich kann keine Neuerung als gut (ḥasan) bezeichnen. Ich sehe in ihnen nichts als Dunkelheit und Düsterkeit. Denn der Gesandte Allahs (s.a.s.) sagte: „Jede Neuerung ist Irrtum“. In einer Zeit in der der Islam schwach und fremd scheint, ist Errettung einzig durch die Befolgung der Sunna gewährleistet, während jegliche Neuerungen zum Untergang führen.“ „Wenn alles, was im Nachhinein eingeführt wird als Bidʿa gilt und jede Bidʿa Irrtum ist, wie kann es dann sein, dass in einer Bidʿa etwas Gutes steckt. So wie es in den Überlieferungen erwähnt wird, hebt jede Neuerung eine Sunna auf. Dies beschränkt sich nicht nur auf einige Neuerungen, jede Neuerung ist verwerflich (sayyi’ah).“ Der ehrenwerte Gesandte Gottes sagte sinngemäß: „Jedes Volk, welches sich nach seinem Propheten Neuerungen im Glauben ausdenkt, verschwendet im selben Maße dieser Neuerung (Bidʿa) eine Sunna.“ (At-Tarǧīb Wa- t-Tarhīb, 1:109)
Von H̩assān ibn T̠ābit wird überliefert:
„Wenn eine Gemeinschaft eine Neuerung in ihrem Glauben erfindet, so nimmt Allah der Erhabene eine Sunna von ihr weg, entfernt diese und gibt diese nicht zurück bis zum Jüngsten Gericht.“ (al-Maktūbāt, 1, 160)
Wie zu sehen ist, nimmt es Imām ar-Rabbānī streng mit der Erhaltung der Sunna. Dennoch bezeichnet er neuartige Dinge, welche sich prinzipiell auf die Sunna stützen, nicht als Bidʿa, sondern als guter Brauch oder sunna ḥasana. (Mehmed Paksu, Sünnet ve Aile, S. 19)
Auch der Gelehrte Bediüzzaman Said Nursī gehört zu jenen, die ihr Leben für die Erhaltung und Wiederbelebung der Sunna aufgeopfert haben. In seiner Abhandlung "Mirkatü's-Sünne ve Tiryaku Marazı’l-Bid'a" (Mirqātu s-sunna wa-tiryāqu maraḍi l- bidʿa - Die Stufen der Sunna und die Heilung der Bidʿa-Krankheit) beschreibt er ausführlich die Bidʿa-Thematik, wobei er die Ansicht derjenigen Gelehrten priorisiert, die den Begriff Bidʿa inhaltlich enger fassen, wie unter anderem Imām Mālik, Badr al-Dīn al-ʿAynī, al-Baihaqī, Ibn Ḥaǧar al-ʿAsqalānī, Ibn Ḥaǧar alHaitamī, Imam Birgivi und Ibn Taymiyya. So schreibt er:
„Neuerungen im Bereich gottesdienstlicher Normen sind Bid’a" Ausgehend von der Überlieferung „Alles Neueingeführte ist eine Neuerung (Bidʿa) und jede Neuerung ist Irregehen.“ und dem Vers „Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und meine Gnade an euch vollendet“ (al-Māʾida 5:3) betont er: „Mit neuen Etablierungen die Prinzipien der Šarīʿa und der Sunna zu missbilligen, obwohl diese ihre Vervollkommnung (mit dem Ende der Offenbarung) erreicht haben, oder gar - Gott bewahre - diese als mangelhaft betrachtend Neuerungen (Bidʿa) einzuführen, sind Irrtum und (führen zum) Feuer.“ (RNK, Lem'alar, S. 609)
Demnach betrachtet Nursī lediglich Neuerungen im Bereich des Glaubens und der Glaubenspraxis als verwerflich und konstatiert, dass sich der Begriff Bid’a konkret auf diese bezieht. Gottesdienstliche Handlungen bilden einen Teil der Sunna und sind in Fiqh-Werken dargelegt, diese willkürlich zu verändern wäre Bid’a. Den Angelegenheiten der Gewohnheiten und ethischen Sitten der Sunna zuwider zu handeln, kann nicht als Bid’a bezeichnet werden, jedoch würde man den Nutzen versäumen, den die Erleuchtung und die wahrhaftige Tugend des prophetischen Charakters bietet. Unter diese Kategorie fallen Dinge wie die Redensart des Propheten (s.a.s.), seine Art zu essen, zu trinken, zu schlafen sowie weitere Umgangs- und Verhaltensweisen. (Vgl. RNK, Lem'alar, S. 609)
So wie er die Sunna in ihrer Art nach qawlī (Worte), fiʿlī (Taten) und ḥalī (Zustände) unterteilt, so unterscheidet er in diesen jeweils nochmals nach ihrer Verbindlichkeit in die Stufen farḍ (verpflichtend), nāfila (empfohlen) und gute ādāt (Gewohnheiten). Während Praktiken des Propheten (s.a.s.) wie die Pilgerreise oder das Pflichtgebet verpflichtende sunan (pl. sunna) sind, sind zusätzliche nāfila-Gottesdienste empfohlen (mustaḥabb). Die Praktizierung dieser ist mit großem Lohn verbunden, diese zu verändern wäre Bid’a und Irregehen. Die als gute Gewohnheiten (ādāt) des Propheten geltenden sunan auszuüben, welche insbesondere das persönliche und soziale Leben betreffen, gilt als mustaḥsan, also als sehr schön. (Vgl. RNK, Lem'alar, S. 610)
Ferner verwendet Bediüzzaman in seinen Werken an einigen Stellen den Ausdruck „Ahl al-Bid’a“ (Anhänger von verwerflichen Neuerungen), wobei er entgegen mancher Gruppierungen und Ideologien den Islam zu bewahren versucht: „Welchen Nutzen für sich sehen diese ahl al-bid’a und ahl al-ilḥād bloß in diesem Unglauben ?“ (RNK, Mektubat, S. 558) „Die ahl al-bid’a haben solch eine schändliche Idee von fremden Aufklärern übernommen, sodass sie sagen: 'Wenn bereits im Christentum eine Reform (im Sinne einer willkürlichen Aufklärung) stattgefunden hat, dann kann auch im Islam eine solche religiöse Reform vollzogen werden'.“ (RNK, Mektubat, S. 557) „Jene Ahl al-Bid’a, die Inhalte des Islam verändern, sagen: 'Diese Beharrung in der Religion ist der Grund für unseren Rückstand. In dieser Zeit zu leben erfordert die Abkehr vom Beharren.“ In seinem Werk Mektubat (al-Maktūbāt) widerlegt Said Nursī die abgeirrten und verwerflichen Argumente, mit welchen die Anhänger von Neuerungen versuchen, ihre Thesen zu belegen. Er unterscheidet zwischen zwei Arten von für die Religion destruktiven Anhängern von Neuerungen: Die einen zielen darauf ab, angeblich im Namen der Religion und aus vermeintlicher Loyalität zum Islam, die Religion als Unterstützung für nationalistische Bestrebungen betrachtend 'den erleuchteten Baum der Religion in die dunkle Erde des Rassismus zu pflanzen'. Dies als verwerfliche, die Religion verändernde Absicht bezeichnend, benennt Said Nursī diese Art der Ahl al-Bid’a als unwissende „ʿUlamāʾ as-Sūʾ“ (niederträchtige Gelehrte). Die zweite Gruppe der Ahl al-Bid’a, so Nursī, strebe im Namen nationalistischer Interessen danach, 'das Volk mit der islamischen Religion zu impfen’ und erfinde daher Neuerungen im Glauben. (Vgl. RNK, Mektubat, S. 559) In seiner Schrift Barla Lâhikası rechnet er die Befürwortung schädlicher, verwerflicher Neuerungen zu den sieben größten Sünden. (Vgl. RNK, Barla Lâhikası, S. 154-157)
Des Weiteren gibt er zwei Beispiele mit Blick auf gute Neuerungen, die er prinzipiell nicht als Bid’a betrachtet:
Erstens: Jede Strömung und Gemeinschaft (wie etwa Sufi-Bruderschaften) hat individuelle Arten und Formen des ḏikr und tasbīḥ (Lobpreisung und Gebetsformeln). Solange diese als zusätzliche Lobpreisungsformen betrachtet werden, auf Koran und Sunna basieren und nicht im Widerspruch zur Sunna stehen, zählen sie nicht als Neuerung (Bid’a). Auch wenn manche Gelehrte diese als Bid’a benennen, bezeichnen sie sie als bidʿa ḥasana (gute, erlaubte Neuerung). (RNK, Lem'alar, S. 56)
Zweitens: In manchen Moscheen und Gebetsstätten werden Haarsträhnen des Bartes oder der Haare des ehrenwerten Propheten s.a.s.) ausgestellt, sodass diese zu bestimmten Zeiten von Menschen besucht und betrachtet werden. „Auch wenn manche fromme Autoritäten dies mit Blick auf Vorsicht, Frömmigkeit und Edelmut kritisieren, kritisieren sie dies personenbedingt und im Spezifischen. Selbst wenn sie es als Neuerung sehen, ist es als gute, erlaubte Neuerung (bidʿa ḥasana) zu betrachten, da es Anlass zur Lobpreisung (ṣalawāt) des Propheten bietet. (RNK, Lem'alar, S. 637)
Unter Berücksichtigung der angeführten Beschreibungen, Darlegungen und Beispiele geht hervor, dass neue Etablierungen und Veränderungen in Angelegenheiten der Glaubensfundamente, Glaubensinhalte sowie Gottesdienste unter die Kategorie Bidʿa fallen, da diese im Widerspruch zur Sunna stehen und sie zu ändern versuchen. Denn grundlegend betrachtet schafft eine Neuerung (Bidʿa) eine normative Regelung ab und bringt eine menschliche, willkürliche Neuheit an dessen Stelle. Dinge zu unterlassen, die persönliche Gewohnheiten und Bräuche des Propheten (s.a.s.) darstellen, wäre hingegen lediglich einen Wegfall zusätzlicher Belohnung. Sofern also Regelungen - wie etwa im Bereich alltäglicher Handlungen oder zusätzliche Lobpreisungsformen (ḏikr ) - nicht im Widerspruch zum Koran und zur Sunna stehen und den eigenen Rahmen der Religion nicht überschreiten, können sie entsprechend des Prinzips „was die Muslime als gut erachten, das ist gewiss gut“ als gute, erlaubte Neuerungen (bidʿa ḥasana/sunna ḥasana) betrachtet werden. Man sollte bemüht sein auf Sanftmut, Diskretion und Sympathie zu achten, wenn versucht wird, in einer entsprechenden Situation den Gegenüber bei einem Fehlverhalten diesbezüglich zu korrigieren, sodass man in guten Worten spricht und auf konstruktive Weise vorgeht.
Um es kurz zu fassen:
„Wer in einer Zeit, in der Neuerungen und Irrtümer sich verbreiten, sich an der Sunna sowie an den Inhalten des Koran orientiert, kann den Lohn von 100 Märtyrern erhalten.“ (At-Tarǧīb Wa- t-Tarhīb, 1:41)
„Wie schön für denjenigen, der von der Sunna profitiert und seinen Nutzen daraus zieht. Wehe demjenigen, der die Sunna nicht würdigt und in Neuerungen (Bidʿa) irregeht.“ (RNK, Lem'alar, S. 609)
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können sie uns etwas zum islamischen Neujahr und die Zeitrechnung sagen? Was macht den Monat Muharrem besonders?
die Zeit der hiǧra fängt mit dem Auswandern des Propheten Muḥammad (s.a.s.) von Mekka nach Medina an. Als Anfang eines Kalenders bzw. einer Zeitrechnung wurde dieses Ereignis aber erst zu der Amtszeit von ʿUmar b. al-Ḫaṭṭāb etabliert. Davor hatten die Araber keine eindeutige Zeitrechnung. Manche wichtigen Ereignisse (wie z.B. das Jahr des Elefanten) wurden als Anfang der Zeitrechnung genommen.
16 Jahre nach der hiǧra wollte der damalige Kaliph ʿUmar b. al-Ḫaṭṭāb bei einer Sitzung in Medina eine Lösung für das Problem um die Zeitrechnung. Auf die Empfehlung von ʿAlī b. Abī Ṭālib, die von allen beherzigt wurde, nahm man die hiǧra als Anfang für die Zeitrechnung im Islam und der Monat Muḥarram wurde als erster Monat des Jahres festgelegt. Diese Einführung wurde an zwei Gesichtspunkten erklärt. Bei einer Vorlage einer Geldschuld konnte nicht festgestellt werden ob die Schulden zu dem Jahr oder dem vorherigen Jahr fällig waren. Zur selben Zeit hat der damalige Gouvernour von Basra in einem Schreiben mitgeteilt dass die vom Kaliphat entsandten Dokumente mit rechtlichen Bestimmungen nicht eindeutig bestimmbar waren, somit herrschte Verwirrung und er bat um die Erledigung dieser Problematik rund um die Zeitrechnung. So wurde dann die hiǧra als Anfang der Zeitrechnung festgelegt.
Der islamische Kalender hat 12 Monate. Neben dem ersten Monat Muḥarram werden auch die Monate Raǧab, Ḏū l-qaʿda und Ḏū l-Ḥiǧǧa als „šuhūr al-ḥurūm" also als in etwa als "Monate der Ehre/Respekt" wahrgenommen und in diesen Monaten meidete man möglichst allerlei gewaltsame Ausschreitungen.
Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) hat empfohlen am neunten, zehnten und elften Tag dieses Monats zu fasten. Nach dem Fasten im Ramadan ist das am meisten gelobte Fasten, das was am ehrenvollen Monat Muḥarram getätigt wird (Riyazü's-Sâlihin, II, 504). In einer anderen Überlieferung wird beschrieben dass zum ereignisreichen Tag der ʿāšūrāʾ welche in diesem Monat verortet wird, das Fasten zur Gelegenheit wird, alle Sünden und Fehtritte im letzten Jahr durch die Vergebung Gottes zu reinigen (Riyâzü's-Salihin, II, 509).
Zu der Zeit von Yazīd ibn Muʿāwiya, dem zweitem Oberhaupt der Umayyaden fand die Schlacht statt in der Hz. Ḥusain, der Enkel des Propheten (s.a.s.) als Märtyrer gefallen ist. Mit vielerlei Gedichten und Erzählungen wird dieser Tag als ein trauriger Ausschnitt der muslimischen Geschichte in Erinnerung gehalten und so hat sich dieser Tag durch die Zeit großflächig als ein besonderer Tag des Gedenkens etabliert.
Es wird mitunter überliefert dass am Tag der ʿāšūrāʾ, also der zehnte Tag des Monats Muḥarram viele wichtige Ereignisse stattgefunden haben darunter kann man mitunter diese zählen:
- Hz. Nūḥ ist mit der Arche in der Sintflut an diesem Tag auf den Berg aufgelaufen. Dies ist bekanntermaßen das Ereignis in der die Gläubigen mit Hz. Nūḥ errettet wurden, während die Ungläubigen vernichtet wurden.
- Hz. Ādam tut Buße
- Hz. Ibrāhīm wird ins Feuer gestoßen und gleichzeitig aber mit Gottes Gnade vom Feuer geschützt.
- Hz. Yaʿqūb wird wieder mit seinen Sohn Hz. Yūsuf vereint.
- Andererseits wird am 16. Tag des Muḥarram die qibla festgelegt und am 17. Tag kamen die Gefolgsleute des Elephanten kamen (siehe Sura al-fīl).
Der Monat Muḥarram wird auch zur Zeit der Osmanen besonders gehuldigt. Unter den Namen „Muharremiye“ gibt es eine Vielzahl an osmanischen Gedichten zu diesem Monat. Da dies auch das islamische Neujahr war stiegen die Regierungsleute in die Audienz des Sultans auf, gratulierten ihm und erhielten von ihm Geschenke unter den Namen „Muharremiye“. Im osmanischem Archiv wird dieser Monat als „Muharremü’l-Haram“ notiert (Mefail HIZLI - Şamil İslam Ansiklopedisinden).
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Wie haben wir den Ashura Tag wahrzunehmen? Was sollen wir am besten an diesen Tag machen?
in der arabischen Sprache bedeutet ʿāšarā zehn und ʿāšir zehnte bzw. der zehnte Tag in diesem Kontext. So hat sich der Ausspruch ʿāšūrāʾ im Volk durchgesetzt als Benennung des zehnten Tages des Monats Muḥarram und daher sprechen wir auch oft vom ʿāšūrāʾ Tag.
Der Monat Muḥarram hat als Anfang/erster Monat des islamischen Kalenders eine besondere Stellung. Wichtige historische Ereignisse haben in diesem Monat stattgefunden und auch schon vor dem Islam haben die Araber u.a. diesen Monat als besonders wahrgenommen. Laut der Überlieferung von der Gattin des Propheten (s.a.s.) Hz. Āʾiša ist dies der Monat wo der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) nach dem Fasten im Ramadan am meisten fastete:
Nach dem Fasten im Ramadan ist das tugendhafteste Fasten das Fasten im Monat Muḥarram. (Müslim Siyam, 202-203)
Es gibt Überlieferungen die besagen dass das Fasten am ʿāšūrāʾ Tag die Sünden des vorhergehenden Jahres tilgen lässt.
Zu diesem Tag gibt es keinen Vers im Qurʾān. Im 36. Vers der Sura at-Tawba wird der Monat Muḥarram als eine der angesprochenen 4 besonderen Monate erwähnt.
Insbesondere den ʿāšūrāʾ Tag haben seit jeher viele Propheten in einem besonderen Maß wahrgenommen, da hier viele wundersame oder tragische Ereignisse stattfanden. Nach den Quellen hat dieser Tag seinen Namen dadurch erhalten dass Gott seinen Propheten 10 verschiedene Darbietungen und Segnungen zukommen ließ:
1. Durch ein Wunder Gottes hat Hz. Mūsā den See gespalten und entkam so dem Pharao und seiner Herde, welche im See begraben wurden.
2. Hz. Nūḥ ist mit der Arche in der Sintflut an diesem Tag auf den Berg aufgelaufen.
3. Hz. Yunus wurde an diesem Tag aus dem Magen des Waals errettet.
4. Die Buße von Hz. Ādam wurde an diesem Tag akzeptiert.
5. Hz. Yūsuf wurde an diesem Tag aus der Grube gerettet, in die er von seinen Brüdern gestoßen wurde.
6. Hz. ʿĪsā kam an diesem Tag auf die Welt und stieg in den Himmel auf.
7. Die Buße von Hz. Dāwūd wurde an diesem Tag akzeptiert.
8. Hz. Ibrāhīm bekam an diesem Tag einen Sohn.
9. Hz. Yaʿqūb konnte nach der tiefen Trauer über den vermeintlichen Verlust seines Sohns an diesem Tag wieder seine Augen öffnen und sehen.
10. Hz. Ayyūb wurde an diesem Tag von seinen ihn plagenden Krankheiten erlöst. (vgl. Diyarbekri, Tarihu'l-hamis, 1/360; Sahih-i Müslim Şerhi 6/140)
Aus diesem Anlass gibt es in so gut wie allen islamischen Ländern zu Ehren dieses Tages eine besondere Süßspeise. Um diese historischen Ereignisse zu gedenken erlebt man somit freudenvolle Tage und man teilt diese Süßspeisen mit Freunden und Familie. Diese Tradition hat Bestand.
Aus islamischer Sicht gibt es keinerlei Befehl oder Verbot so eine Süßspeise an diesem Tag zu machen bzw. zu teilen. Man kann also keinen dafür kritisieren sie nicht zu machen und keinen dafür kritisieren sie gemacht zu haben. Die Süßspeisen die gemacht werden um Hz. Nūḥ zu gedenken, der die restlichen noch verbliebenen Getreide/Kornfrüchte gesammelt hat um daraus zum Zeichen der Dankbarkeit eine Süßspeise zu machen, würden wohl im Herzen des Gläubigen ein Wachrütteln und in dieser in Materialismus versinkenden Welt ein Lächeln erwirken. Sowohl für den Gaumen als auch für das Herz ist dies wohlbekommend.
Als der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) nach Medina kam, sah er wie die Juden am ʿāšūrāʾ Tag fasteten und er fragte sie warum sie fasten. Sie antworteten:
Heute ist ein guter Tag. Gott hat die Söhne Israels an diesem Tag von der Tyrannei des Pharaos gerettet. Mūsā hat aus Dankbarkeit an diesem Tag gefastet. Wir tun dies auch. Der Prophet (s.a.s.) entgegnete das indem er sagte "Wir sind verbundener an die Sunna von Mūsā als ihr." So fastete er auch an diesem Tag und befahl seinen Gefährten dies ebenso zu tun. (Buhârî, Savm, 69; Tecrîd-i Sarih, VI/308, 309)
Basierend auf der Überlieferung von Hz. Āʾiša hat der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) auch in der mekkanischen Periode war an diesem Tag gefastet.
Zur Zeit des Unwissens haben die Quraiš am ʿāšūrāʾ Tag gefastet. Vor der hiǧra tat der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) dies ebenso. Er fuhr nach der hiǧra in Medina damit fort und befahl seinen Gefährten auch an diesem Tag zu fasten. Als im nächsten Jahr das Fasten im Ramadan befohlen wurde hat er das Fasten am ʿāšūrāʾ Tag (als Pflicht) unterlassen, wer wollte fastete an diesem Tag und wer nicht wollte konnte dies unterlassen. (Buhârî, Savm, 69; Tecrîd-i Sarîh, VI/307, 308).
Es herrscht eine allgemeine Meinungseinheit darüber dass das Fasten am ʿāšūrāʾ Tag eine Sunna und keine Pflicht darstellt. Bezüglich der Bestimmung zur anfänglichen Zeit des Islams sagt Abū Ḥanīfa dies sei verpflichtend, während Imam aš-šāfiʿī dies als eine andauernde Sunna des Propheten (s.a.s.) beschreibt. Nachdem das Fasten im Ramadan verpflichtet wurde, sah man das Fasten am ʿāšūrāʾ Tag als lobenswert an. Um den Juden nicht zu ähneln ist es schön wenn man mit dem zehnten Tag des Muḥarram auch den neunten oder elften Tag fastet. An diesem Tag wäre es angebracht und lobenswert neben dem Fasten auch andere schönen Traditionen und gute Taten wie etwa die Almosengabe aufleben zu lassen. Jeder teilt gemäß seiner Möglichkeiten Darbietungen mit Freund und Familie. Ohne Zweifel wird der Lohn dieser Taten vervielfacht, wenn man die Geschehnisse gedenkt die diesen Tag so besonders machen und von ihm berichten. Vor allem der Prophet (s.a.s.) hat den Gläubigen empfohlen an diesem Tag seiner Familie mehr Darbietungen/Geschenke zu machen als sonst zu einer Zeit.
Wer am ʿāšūrāʾ Tag seiner Familie und seinen Hausbewohnern Darbietungen/Geschenke präsentiert, dessen Güter werden von Gott auch das gesamte Jahr mit Segen und Wohl verschönert. (et-Tergîb ve'l-Terhİb, 2/116)
Zu dem was als Familie verstanden wird gelten hier Verwandte, Obdachlose, Verlassene und Nachbarn. Es ist allerdings nicht nötig für diesen Zweck große Mühen einzugehen und das Familienbudget zu strapazieren. Jeder kann dies im Rahmen seiner Möglichkeiten tun.
Neben der Reinheit und dem Glanz des ʿāšūrāʾ Tags ist auch die Trauer um die Tragödie von Kerbala zu vernehmen. Im 61. Jahr der hiǧra und am jeweiligen ʿāšūrāʾ Tag wurde der Enkel des Propheten (s.a.s.) Imam Ḥusain in Kerbala auf grausame Art und Weise massakriert. Hinter dieser schandhaften Gräueltat steckt der zweite ummayadische Kaliph Yazīd ibn Muʿāwiya. Dies ist ein Punkt der Geschichte, der das Herz der Gläubigen erschüttern lässt und auch der Prophet (s.a.s.) sprach ein halbes Jahrhundert davor von diesem künftigen Ereignis. Ḥusain ist als Märtyrer und Würdeträger in den Himmel Gottes aufgestiegen.
Zweifelsohne wird Gott die Gräueltäter und Tyrannen mit seiner unendlichen Gerechtigkeit bestrafen und die Märtyrer und Verfechter des Glaubens und der Gerechtigkeit sind im Himmel Gottes in die höchsten Stufen aufgestiegen. Jeder Gläubige der an das Schicksal glaubt und sich vor Gott verneigt, trauert über diese Geschehnisse aber er verliert sein Gutdünken, seine Nüchternheit und seine Besonnenheit nicht. Denn alles was geschieht ob traurig oder erfreulich anmutend, entspringt dem Urteil Gottes des Allmächtigen und seinem ewigem Urteil. Aus dieser Perspektive entspricht es nicht dem Verständnis der Ahl al-Sunna dies als eine Trauerzeremonie wahrzunehmen und zu beurteilen.
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Welche übernatürlichen Phänomene wurden während der Geburt des Propheten Mohammed beobachtet?
die Mutter des Propheten Muḥammad (s.a.s.), der eine Ehre zuteilwurde, die keiner anderen Mutter zuteilwurde, beschreibt diesen besonderen Moment wie gefolgt:
„Im sechsten Monat meiner Schwangerschaft träumte ich, dass jemand mir entgegen trat und sagte:
'Oh Âmina ! Wisse dass du einen Segen für alle Welten gebären wirst. Wenn du ihn gebärst so nenne ihn Muḥammad und behalte deinen Umstand für dich.'
Schließlich kam die Zeit der Geburt. Mein Schwiegervater ʿAbd al-Muṭṭalib b. Hāšim war zur Kaaba gegangen. Ich war zu Hause. Plötzlich hörte ich ein außergewöhnliches Geräusch, sodass ich aus Angst erstarrte. Was sollte ich auf einmal sehen? Ungeahnt erschien ein Vogel der an meine Seite trat und mit seinem Flügel meinen Rücken streichelte. Von diesem Moment an war meine Furcht und meine Besorgnis wie verschwunden.“
„Ich warf ein Blick an meine Seite und sah, wie mir in einer weißen Schale 'sharba' (süßes Getränk) serviert wird. Als ich die Schale ausgetrunken hatte, umhüllte mich ein Licht.“
„Und Muḥammad war geboren…“
Die Momente nach der Entbindung schildert die edle Mutter folgendermaßen:
„Ich sah eine Flagge im Osten, eine Flagge im Westen und eine Flagge über der Kaaba. Die Geburt war vollendet. Ich blickte auf das Kind und sah, wie es sich in der Niederwerfung (saǧda) befand und den Zeigefinger zum Himmel empor hob. Augenblicklich erschien eine Wolke über dem Kind und bedeckte ihn. Ich hörte eine Stimme sagen:
'Bringt und führt ihn in den Osten und in den Westen, geleitet ihn zu den Meeren, auf dass alle Geschöpfe über Muḥammad mit seinem Namen, seinen Eigenschaften und seiner Erscheinung kundig sein mögen.'
Ein wenig später verschwand die Wolke wieder.“
In der selben Nacht soll Âmina ein Licht gesehen haben, in welchem sie die Paläste und Schlösser von Damaskus sehen konnte.
Während der Geburt des Gesandten Gottes befanden sich Šifā Ḫātūn, die Mutter von Abd ar-Raḥmān ibn ʿAuf - die als Hebamme Âmina betreute - und Fāṭima Ḫātūn, die Mutter von Uṯmān ibn Abu al-ʿĀṣ vor Ort.
Die Hebamme Šifā Ḫātūn und Fāṭima Ḫātūn berichten:
Ich war dabei als der Gesandte Allahs (c.c.) geboren wurde. Ich hörte wie gesagt wird: 'Die Barmherzigkeit Allahs (c.c.) möge auf Ihm sein.'
Licht erfüllte den Osten und den Westen, ich sah sogar einige Paläste des römischen Reiches. Anschließend nahm ich den Gesandten Allahs (c.c.) in meine Arme und stillte ihn. Plötzlich begann mein Körper zu zittern und mir wurde schwarz vor Augen. Ich verlor das Kind aus den Augen. Eine Stimme fragte „Wo ist er hingegangen?“. „Er wurde nach Osten gebracht“ wurde geantwortet.
Diese Worte sind mir nie aus dem Kopf gegangen, bis schließlich der Gesandte Allahs (c.c.) seine Prophetie verkündet hatte und ich mich ohne zu zögern denen anschloss, die zuerst den Islam annahmen.1
Von Fāṭima Ḫātūn wird ebenfalls berichtet, dass in jener Nacht ein Licht das Haus erfüllte und dass die Sterne strahlend zum Boden hingen als würden sie vom Himmel fallen.2
Eine weitere Besonderheit ist, dass der Prophet (s.a.s.) beschnitten mit bereits durchtrennter Bauchnabelschnur auf die Welt kam.3
Auf seinem Rücken zwischen beiden Schulterblättern, auf Höhe seines Herzens, befand sich das sogenannte Siegel des Prophetentums (ein Muttermal). Dieses war ein Zeichen (welches auch den damaligen Juden und Christen durch ihre Überlieferungen bekannt war) dafür, dass er der erwartete letzte Prophet ist.
Der Prophetengefährte Sā’ib ibn Yazīd (r.a.) sagt Folgendes über das Siegel des Prophetentums:
„Als ich ein Kind war brachte meine Tante mich zum edlen Propheten (s.a.s.) und sagte zu ihm: 'Oh Gesandter Allahs (c.c.), mein Neffe hat Schmerzen am Fuß.’ Der Gesandte Allahs (c.c.) ging mit seiner Hand über meine Stirn und betete für mich. Danach vollzog er die Gebetswaschung und ich trank von diesem Wasser. Anschließend stand ich hinter ihm und sah zwischen seinen Schultern das Siegel des Prophetentums in der Größe eines Knopfes.“
ʿAlī b. Abī Ṭālib (r.a.) beschreibt ebenfalls den Propheten (s.a.s.) und erwähnt: „Zwischen seinen Schulterblättern war ein breites Siegel, welches ein Zeichen seiner Prophetie darstellte.“
1) Kastalanî, Mevâhibü'l-Ledünniye, 1/122
2) Kaâdı İyaz, Şifâ, 1/267
3) Den Überlieferungen zu Folge kam der erste Mensch und Prophet Adam (a.s.) sowie die Propheten Seth, Idrīs, Noah, Mose, Salomo, Schuʿayb, Yaḥya und Hūd ebenfalls beschnitten auf die Welt.
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Was versteht man unter dem Begriff „Bidʿa“? Gibt es je nach Rechtsschule unterschiedliche Auffassungen diesbezüglich?
das Wort Bidʿa bezeichnet fachspezifisch jegliche nachträgliche Neuerungen und Etablierungen in der Religion, sofern sich diese auf die ʿAqīda (Glaubenslehre) oder auf gottesdienstliche Handlungen (ʿIbādāt) beziehen. So ist also jede spätere Zufügung und Erfindung im Bereich der Gottesdienste sowie auch jede vom ehrenwerten Propheten (s.a.s.) untersagte Glaubensweise und Gebetsform als Bidʿa („verwerflichen Neuerung“) zu betrachten.
Es ist nicht möglich unterschiedliche Verständnisse der Bidʿa-Thematik ausschließlich nach Rechtsschulen zu kategorisieren, da nicht jede Rechtsschule eine für sich typische und einheitliche Meinung vertritt. Auch innerhalb einer Rechtsschule haben Gelehrte verschiedene Auffassungen zum Begriff Bidʿa. Generell sind zwei unterschiedliche Zugänge zu finden, wobei ersterer Zugang den Begriff Bidʿa mit Blick auf seine linguistische Bedeutung zunächst umfassender betrachtet und letzterer Zugang ein im Vergleich dazu engeres Verständnis vertritt:
a)
Gelehrte wie Imām aš-Šāfiʿī, Imām an-Nawawī und hanafitische Gelehrte wie Ibn ʿAbidīn betrachten den Begriff Bidʿa zunächst als Bezeichnung für alle Arten von Neuerungen, Entwicklungen und Erfindungen sowohl im Bereich religiöser Angelegenheiten als auch in
allen anderen Bereichen des menschlichen Lebens. So findet sich bei ihnen inhaltlich die Beschreibung: „Bidʿa ist all das, was nach dem Gesandten Gottes (s.a.s.) aufgekommen ist.“ Demnach ist für sie zunächst einmal die linguistische/semantische Bedeutungsebene von Relevanz, sodass Bidʿa also erst einmal ein weit gefasster Begriff ist und sowohl Neuerungen in den Aspekte der Religion als auch neuartige Praktiken und Bräuche aus dem alltäglichen Leben bezeichnet. Diesbezüglich wird folgende Überlieferung als Hinweis angeführt:
„Wer meine Sunna aufrechterhält und den Menschen dazu verhilft sich nach ihr zu richten, der wird ohne Abstriche denselben Lohn derer erhalten, denen er zur Ausübung der Sunna verholfen hat. Und wer eine Neuerung erfindet und Schuld daran hat, dass andere nach dieser Bidʿa handeln, dem werden ohne Abstriche dieselben Sünden derer auferlegt, denen er zur Ausübung dieser Bidʿa verholfen hat.“ (Ibn Māǧa, Muqaddima, 15)
Gleichzeitig unterscheiden diese Gelehrten aber spezifisch betrachtet die Bidʿa in zwei Kategorien: die gute Neuerung (bidʿa ḥasana), und die verwerfliche Neuerung (bidʿa sayyi’ah). So sind beispielsweise Dinge wie der Bau von Minaretten und Medressen gute, erlaubte Neuerungen, auf Gräbern Kerzen anzuzünden dagegen verwerfliche Neuerungen. Demnach handelt es sich bei den in den Überlieferungen des Propheten (s.a.s.) thematisierten Neuerungen (Bidʿa) um die Kategorie der verwerflichen Neuerungen (bidʿa sayyi’ah). Als ʿUmar b. al-Ḫaṭṭāb (r.a.) sieht, dass in der Prophetenmoschee (al-masǧid an-nabawī) das tarāwīḥ-Gebet gemeinschaftlich verrichtet wird, soll er auf gute und gebilligte Neuerungen (bidʿa ḥasana) hinweisend gesagt haben: „Welch schöne Neuheit (Bidʿa) dies ist.“ (Buḫārī, Tarāwīḥ, 1) Dies betonend konstatiert aš-Šāfiʿī:
„Die Neuerung (Bidʿa) unterscheidet sich in zwei Arten, in gut (ḥasana) und verwerflich (sayyi’ah). Eine Neuerung, die sich mit der Sunna deckt und ihr entspricht ist lobenswert; eine Neuerung, die der Sunna widerspricht ist hingegen verwerflich. (Vgl. Ibn Taymiyya, al- Furqān bayna Awliyā’ ar-Rahmān wa-Awliyā’ aš-Šayṭān, 1, S.126)
Der Gelehrte Bediüzzaman Said Nursī, der zur Gruppe der Gelehrten gehört, die den Begriff Bidʿa prinzipiell nicht unterscheiden und nur bei Neuerungen in religiösen Angelegenheiten von Bidʿa sprechen, verknüpft beide Positionen wie folgt:
„Neuerungen im Bereich gottesdienstlicher Normen sind Bid’a. Da diese somit dem Wesen des Verses „Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und meine Gnade an euch vollendet“ (al-Māʾida 5:3) widersprechen, sind sie verwerflich und
abzulehnen.“ (RNK, Lem'alar, S. 609)
„Jede Strömung und Gemeinschaft (wie etwa Sufi-Bruderschaften) hat individuelle Arten
und Formen des ḏikr und tasbīḥ (Lobpreisung und Gebetsformeln). Solange diese als zusätzliche Lobpreisungsformen betrachtet werden, auf Koran und Sunna basieren und nicht im Widerspruch zur Sunna stehen, zählen sie nicht als Neuerung (Bid’a). Auch wenn manche Gelehrte diese als Bid’a benennen, bezeichnen sie sie als bidʿa ḥasana (gute, erlaubte Neuerung).“ (RNK, Lem'alar, S. 56)
So sagt er beispielsweise bezüglich der Praxis, dass in manchen Moscheen und Gebetsstätten Haarsträhnen des Bartes oder der Haare des ehrenwerten Propheten (s.a.s.) ausgestellt werden, sodass diese zu bestimmten Zeiten von Menschen besucht und betrachtet werden, folgendes: „Auch wenn manche fromme Autoritäten dies mit Blick auf Vorsicht, Frömmigkeit und Edelmut kritisieren, kritisieren sie dies personenbedingt und im Spezifischen. Selbst wenn sie es als Neuerung sehen, ist es als gute, erlaubte Neuerung (bidʿa ḥasana) zu betrachten, da es Anlass zur Lobpreisung (ṣalawāt) des Propheten bietet. (RNK, Lem'alar, S. 637)
b)
Bei Gelehrten, die den Begriff Bidʿa enger fassen, wie unter anderem Imām Mālik sowie die schāfiʿitischen Gelehrten al-Baihaqī, Ibn Ḥaǧar al-ʿAsqalānī und Ibn Ḥaǧar al-Haitamī, die hanafitischen Gelehrten Badr al-Dīn al-ʿAynī und Imam Birgivi und der hanbalitische
Gelehrte Ibn Taymiyya, findet sich sinngemäß und inhaltlich die Definition: „Bidʿa bezeichnet jegliche Neuerungen in religiösen Angelegenheit nach dem Ableben des Gesandten Gottes (s.a.s.), die Zufügungen oder Abstriche in der Religion darstellen.“ Diesem Verständnis nach fallen allerart Neuerungen ohne religiösen Charakter gar nicht erst unter die Kategorie Bidʿa, sodass neue Gewohnheiten und Bräuche außerhalb des Begriffs Bidʿa behandelt werden. Diese Ansicht stützt sich auf Überlieferungen wie:
„Das Schlimmste sind die nachträglich erfundenen Dinge.“ (Muslim, Ǧumʿa, 43)
„Jede Neuerung (Bidʿa) ist Irrtum.“ (Muslim, Ǧumʿa, 43)
„Hütet euch vor den neu eingeführten Dingen, denn alles Neueingeführte ist eine Neuerung (Bidʿa) und jede Neuerung ist Irregehen. So haltet fest an meiner Sunna und an der Sunna meiner vorbildhaften rechtgeleiteten Kalifen.“ (Abū Dāwūd, Sunna, 5)
So weisen aus Sicht dieser Gelehrte derartige Überlieferungen - welche die Bidʿa als schlecht, verwerflich, Feuer und Irregehen darstellen - daraufhin, dass diese Thematik sich lediglich auf theologische Aspekte und Angelegenheiten der Religion beschränkt.
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Zwischen Tradition und Moderne - Rechtsfindung im Islam
Religion hat vielerorts die Neigung sich mit dem was viele unter „Kultur“ verstehen zu vermischen. Das hat damit zu tun, dass der Mensch tendenziell eine Orientierung und ein System braucht um sein alltägliches Leben zu regulieren. So kann man häufig beobachten, wie Menschen eine Sitte oder einen Brauch als religiöse Pflicht verstehen und entsprechend auch nach außen darstellen, obwohl es dazu keine textlichen Belege gibt. Aus religionswissenschaftlicher Sicht ist dies kein unübliches Verhalten. Wenn das Neue auf das Alte trifft und dabei entsprechende Kompatibilitäten erkannt werden, kommt es nicht selten vor, dass diese Kompatibilitäten auch überleben oder überlebensfähig bleiben. Dies erkennt man auch an der Verbreitung des Islams aus historischer Perspektive. Die Offenbarungsgeschichte des Islams ist beispielweise keine komplett eigene und neue Geschichte, sie ist vielmehr die Weiterführung einer einzigen Offenbarungstradition, welche sich auch in frühen jüdisch-christlichen Quellen wiederfinden lässt. Mit der Entsendung und dem Wirken des ehrenwerten Propheten (s.a.s.) wurden verwerfliche Traditionen abgeschafft beziehungsweise reformiert, löbliche Traditionen hingegen beibehalten. Die Primärquellen des Islams sowie seine geschichtliche Entfaltung billigt prinzipiell also diesen Umstand. In unserer Gegenwart jedoch kann man leider häufig beobachten, wie der Begriff „Tradition“ (gemeint ist kulturelle Tradition, nicht die Tradition islamischer Wissenschaften) in diesem Sinne fehlinterpretiert wird. Tradition und Religion wird häufig auf eine falsche Art und Weise vermengt. In manchen Familien übt zum Beispiel der Vater teilweise extreme Restriktionen aus und beruft sich dabei vermeintlich auf seinen Glauben, in Wahrheit führt er jedoch lokal verbreitete Traditionen fort. In Hochzeiten von vielen jungen Menschen erkennt man neumodische Traditionen und Bräuche, deren Einhaltung der Wahrnehmung nach sogar über dem Einhalten von religiösen Pflichten zu stehen scheint. So stellt sich diesbezüglich die Frage, inwiefern derartige Phänomene sowie die Begriffe Tradition, Brauch, Sitte und Gewohnheit vor dem Hintergrund islamischer Quellen und Verständnisse zu betrachten sind. Auf diesen Aspekt soll im Folgenden detaillierter eingegangen werden, da derartig komplexe Themen facettenreiche Diskussionen ermöglichen und nicht mit monokausalen Erklärungen ausreichend erfasst werden können.
In Gesellschaften gibt es sowohl materielle als auch spirituelle Eigenschaften und Gewohnheiten, die mit der Zeit aufkommen und Akzeptanz finden. Es sind Handlungs- und Verhaltensweisen, welche von früheren Generationen übernommen werden und sich in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens etablieren. Zunächst kann nicht pauschalisierend jede von früheren Generationen übernommene Denkweise und Sitte als verwerflich oder definitiv nutzbringend bezeichnet werden. Während mancherlei Bräuche und Traditionen zu Degenerationen und zur Trägheit innerhalb einer Gesellschaft führen können, erweisen sich andere als nützlich für den Fortbestand und die Harmonie des sozialen Lebens.
In früheren Jahrhunderten wurden Gewohnheiten und Bräuchen eine größere Rolle beigemessen. Die Etablierung eines auf der geistigen und wirtschaftlichen Situation der Menschen abgestimmten Rechts- und Normensystems anhand normativer Prinzipien schien den Menschen erschwert, weshalb Gewohnheiten und Traditionen die Quelle für Grundsätze des sozialen Lebens bildeten. Deshalb machten unterschiedliche Zivilisationen sich bestimmte Traditionen zu eigen und richteten sich nach ihnen.
Bräuche und Gewohnheiten können folglich grundlegend sein und lassen sich in starker Abhängigkeit zu den Bedürfnissen, Werten und Kapazitäten der jeweiligen Gemeinschaft beziehungsweise Gesellschaft wahrnehmen. Sie sind dynamisch und entwickeln sich mit der Gesellschaft mit. Gleichzeitig können Gewohnheiten und Traditionen die Defizite und Lücken von Rechtssystemen kompensieren, weshalb Menschen sich in Angelegenheiten zu denen keine rechtlichen Bestimmungen durch die Justiz formuliert wurden, an den vorherrschenden Gewohnheiten und
Bräuchen orientieren. Daher wird das kulturelle Gewohnheitsverständnis häufig als Referenz und Quelle bei der Etablierung von Gesetzen betrachtet.
Vor dem Hintergrund dieser Charakteristika hat sich in der islamischen Normenlehre das sogenannte Gewohnheitsrecht unter der Bezeichnung „ʿUrf“ etabliert. Der ʿUrf gehört zu den sekundären Rechtsquellen und berücksichtigt die in einer Gesellschaft gegenwärtigen Gewohnheiten, Traditionen, Bräuche und Sitten. Zur Bezeichnung dieser werden häufig die Begriffe ʿUrf (dt. Gewohnheit) und ʿĀda (dt. Brauch, Sitte) verwendet, die in erster Linie synonym gebraucht werden. Nichtsdestotrotz unterscheidet sich der ʿUrf von der ʿĀda insofern, als dass ʿĀda jeden bei Individuen oder Gemeinschaften auftretenden Brauch und Usus bezeichnet. ʿUrf ist eine Form von ʿĀda und impliziert die Sitten und Bräuche eines Volkes beziehungsweise einer Gesellschaft in Wort und Tat.
(Vgl. Muḥammad Fārūq al-Nabhān, İslâm Anayasa ve İdare Hukukunun Genel Esasları, übers. von Servet Armağan, İstanbul 1980, S. 241-339)
Die islamischen Gelehrten definierten ʿUrf und ʿĀda sinngemäß etwa wie folgt:
„Regelmäßig praktizierte Dinge in der Bevölkerung, die dem gesunden Menschenverstand übereinstimmend entsprechen.“
Des Weiteren ist es beim ʿUrf wichtig darauf zu achten, dass er „der islamischen Normgebung und der Vernunft entsprechend gutartig ist und nicht als schädlich erachtet wird.“ (Vgl. Yusuf Kerimoğlu, Kelimeler Kavramlar, İstanbul 1983, S. 139)
Viele Bräuche und Sitten die während der Verbreitung des Islam in entsprechenden Bevölkerungen und Gesellschaften als Gewohnheiten etabliert waren, wurden sofern sie als gut und nützlich wahrgenommen wurden so belassen. Auf diese Weise führte es zur Berücksichtigung des ʿUrf in der islamischen Normenlehre. (Vgl. Osman Öztürk, Osmanlı Hukuk Tarihinde Mecelle, İstanbul 1973, S. 7)
Die während des Aufkommen des Islam in Arabien vorhandenen Sitten und Bräuche wurden kategorisiert, sodass je nach Entsprechung manche abgelehnt, manche reformiert und manche akzeptiert wurden.
Jedes Land beziehungsweise Volk hat eigene nationale Werte und Gewohnheiten. Mit dem Islam im Widerspruch stehende Gewohnheiten abzuwenden und den Grundprinzipien des Glaubens nicht widersprechende Gewohnheiten weiterzuführen, ist ein vom Islam begrüßter Aspekt.
ʿUrf
ʿUrf ist ein als Gewohnheitsrecht verstandener Begriff, der sich in der islamischen Normenlehre etabliert hat. Sprachlich werden folgende Bedeutungen darunter verstanden: Güte, Gutmütigkeit, Kenntnis, Bekanntschaft, das von Verstand und Glaube als gut erachtete; Pferdemähne; hohe Stelle; Welle, Geduld; mit Hilfe des Verstands bei Menschen Akzeptanz findende und der gesunden Vernunft entsprechende wörtliche und praktische Gewohnheiten. (Vgl. Abū Sunnah, al-ʿUrf wa'l- ʿĀda, Kairo 1947, S. 8; al-Ǧurǧānī, Kitāb at-Taʿrīfāt, Dersaadet 1283, S. 99)
Pluralformen von ʿUrf sind „Aʿrāf“ und „ʿUraf“. ʿUrf kann auch eine situationsbedingte Beurteilung und Handlungsweise bezeichnen, welche sich nicht zwangsläufig im Recht manifestieren muss. (Vgl. Âsım Efendi, Kamus Tercemesi, İstanbul 1305, III, S. 674; al-Muʿǧamu l-Wasīṭ, II, S.601)
Definitionen mancher zeitgenössischer islamischer Rechtsgelehrte sind wie folgt:
„ʿUrf bezeichnet allen bekannte Aussagen und Handlungen, welche mit der Tradition weitergetragen und praktiziert werden“ (Vgl. al-Hallaf, al-Masādir, Kuwait 1970, S. 145)
„ʿUrf bezeichnet die durch die islamische Bevölkerung akzeptierten, sich angewöhnten und täglich berücksichtigten Worte und Taten.“ (Vgl. Zaidān, al-Waǧīz, Bagdad 1967, S. 215)
„ʿUrf meint die mehrheitlich akzeptierten und zur Angewohnheit gewordenen Angelegenheiten und jene Aussprüche, bei denen man an nichts anderes denkt wenn man sie hört als an das, wofür die Aussage gewöhnlich verwendet wird.“ (Vgl. Zakiyyuddīn aš-Šaʿbān, Uṣūl al-fiqh al-Islamī, übers. von İbrahim Kafi Dönmez, Ankara 1990, S. 175)
Wie hervorgeht wird unterschieden zwischen Sprachbrauch (ʿurf qaulī) und Handlungsbrauch (ʿurf ʿamalī). Beispielsweise können unter ʿurf ʿamalī Dinge wie der Einkauf von Gegenständen (Brot, Zeitung, Zeitschrift usw.) verstanden werden, bei dem auch ohne Sprachgebrauch Geld bezahlt und im Gegenzug die Ware entgegengenommen wird. Ebenso zählt z.B. der Usus, dass man die Miete zum fälligen Datum vollständig bezahlt, zu einem ʿurf ʿamalī. Wenn zum Beispiel das Wort „Kind“, welches sowohl weibliche als auch männliche Kinder bezeichnet, in einer Gemeinschaft oder Kultur nur im Zusammenhang mit männlichen Kindern verwendet wird, also darunter nur „Junge“ verstanden wird, so spricht man hier von einem ʿurf qaulī.
Das Wort ʿĀda ist eine Substantivform aus der Wortwurzel „a-w-d“, was so viel bedeutet wie „zurückkehren von wo man kommt“. ʿĀda bezeichnet eine Handlung, welche regelmäßig ausgeführt wird und zur Gewohnheit geworden ist. So wird beispielsweise die Menstruation der Frau manchmal auch als ʿĀda bezeichnet, da diese in bestimmten Zyklen nach und nach auftritt. (Vgl. Mehmet Şener, İslâm Hukukunda Örf, İzmir 1987, S. 104-105)
ʿUrf und ʿĀda werden in der islamischen Normenlehre synonym verwendet. Die Begriffe Taʿāmul und Istiʿmāl werden ebenfalls in diesem Sinne gebraucht. ʿUrf und ʿĀda können im Allgemeinen folgendermaßen definiert werden: Es sind schriftlich nicht fixierte und als normativ erachtete Prinzipien, die in der Gesellschaft etabliert sind und seit jeher Anwendung finden, weshalb sie als bindend im normativen Sinne gelten. (Vgl. Zahit İmre, Medenî Hukuka Giriş, İstanbul 1976, S. 166).
Das Wort ʿUrf kommt zwei Mal im gnadenreichen Koran vor. Im Vers „gebiete mit ʿUrf“ (al-Aʿrāf 7:199) bezeichnet es das aus islamischer Sicht Gute und Vernünftige. Dies ist gleichzeitig auch eine Bedeutung von Maʿrūf. Des Weiteren kommt der Begriff im Vers „wa-l-mursalāti ʿurfan“ (al-Mursalāt 77:1) vor, welcher sinngemäß „Bei denen, die nacheinander (wie eine Mähne) gesandt werden.“ Bedeutet. (Vgl. Muḥammad ibn Manẓūr, Lisān al-ʿArab, IX, S.239)
Der Begriff ʿUrf kommt im Koran und den Hadithen eher in seiner Partizip-Passiv-Form „Maʿrūf“ vor. Diese bezeichnet die Güte sowie Jenes, was vom Glauben und der Vernunft als gut erachtet wird. In dieser Form kommt die Bezeichnung an 39 Stellen im Koran vor. (Vgl. M. Fuʿād ʿAbd al-Bāqī, al-Muʿǧam al-Mufahras fī Alfāẓ al-Qurʾān al-Karīm, Kairo 1958, Artikel „ʿUrf“)
In der islamischen Normenlehre und ihrer Methodologie (Fiqh und Uṣūl al-fiqh) werden Normen aus den vier kanonischen Rechtsquellen abgeleitet. Diese sind der Koran, die Sunna, der Konsens (al- Iǧmāʿ) und der Analogieschluss (al-Qiyās). Diese werden auch als al-adilla al-arbaʿa (vier Quellen) oder als adillatu l-aḥkām (Rechtsquellen) bezeichnet und stellen die sogenannten Primärquellen dar.
Zusätzlich zu diesen Quellen die als Hauptreferenzen zur Ableitung von islamischen Normen dienen, werden weitere Hilfsquellen herangezogen. Zu diesen Sekundärquellen gehören unter anderem: der Istiḥsān („Billigkeitserwägung“), der Istiṣlāḥ („Orientierung am Gemeinwohl“), das Sadd aḏ-ḏarāʾiʿ („Versperren der Mittel zum Verbotenen“), der Istiḥāb („Fortgeltung der Grundnorm“), der ʿUrf („Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht“), šarʿu man qablanā („Normgebungen vor unserer Zeit“) und qawl aṣ-ṣahabī („Aussage eines Prophetengefährten“).
Demnach ist ʿUrf eine Rechtsquelle sowie eine Referenz im Islam. So sagte der verehrte Prophet (s.a.s.) sinngemäß: „Was die Menschen für gut halten, das ist auch bei Allah gut.“ (Musnad Aḥmad ibn Ḥanbal, I, 379)
In der Majalla (Mecelle-ʾi Aḥkām-ı ʿAdlīye), einer Kompilation normativer abstrakter Rechtssätze des osmanischen Reiches, zeigen folgende Rechtssätze die Relevanz des ʿUrf im intersubjektiven Umgang:
„Das durch ʿUrf etablierte gilt wie eine Bedingung.“ (Artikel 43)
„Festlegung durch ʿUrf ist wie eine Festlegung durch Textbeleg zu beurteilen“ (Artikel 45)
Kategorien des ʿUrf mit Blick auf ihre Verbindlichkeit:
Damit der ʿUrf als Gewohnheitsrecht eine normative Referenz darstellen kann muss er gültig sein. Daher spricht man vom gesundem, gültigen Brauch (ʿurf ṣaḥīḥ) und schlechtem, verwerflichen Brauch (ʿurf fāsid):
1. ʿUrf ṣaḥīḥ: Bräuche und Sitten die nicht im Widerspruch zum Koran und zur Sunna stehen und somit ihnen entsprechen werden dieser Kategorie zugeordnet. So wird beispielsweise bei Streitigkeiten zwischen Ehepartnern bezüglich der Fälligkeit der Entrichtung (bei oder nach Eheschließung; Gesamt- oder Ratenzahlung) der Brautgabe (al-mahr) ein Rechtsgutachten in Anlehnung an den vorherrschenden ʿUrf gegeben. (Vgl. al-Hallaf, al-Masādir, S. 146; Vgl. Zaidān, al-Waǧīz, S. 215; Hamdi Döndüren, Delilleriyle İslâm İlmihali, İstanbul 1991, S. 36)
2. ʿUrf fāsid: Jene Bräuche und Sitten die einem Koranvers oder einem Hadith widersprechen und somit als ungültig beziehungsweise verwerflich gelten, werden dieser Kategorie zugeordnet. Beispielsweise können Alkoholkonsum und Zinswucher zu einem verbreiteten Brauch in einer Region gehören. Ebenso das gemeinsame Feiern von sich fremden Frauen und Männern auf Hochzeitsfeiern, Verlobungsfeiern oder ähnlichen Veranstaltungen, sofern nicht auf entsprechende Bekleidungsvorschriften (tasattur) und Diskretion geachtet wird. Diese Gewohnheiten und Sitten stehen im Widerspruch zum Islam und sind somit verwerflich. Selbst wenn diese sich innerhalb einer gesamten muslimischen Gesellschaft ausbreiten würden, würden sie keine Gültigkeit und Legitimität erhalten. Jeder Gläubige hat sich und seine Umgebung vor solchen Gewohnheiten zu schützen. (Vgl. Ibn ʿĀbidīn, Našru l-ʿUrf, II, S.116; Zaidān, al-Waǧīz, S. 216)
Der in der islamischen Jurisprudenz als Referenz geltende ʿUrf ṣaḥīḥ wird mit Blick auf seine Verbreitung wiederum in zwei Kategorien unterteilt. Dem allgemeinen Brauch (ʿurf ʿāmm) und dem speziellen Brauch (ʿurf ḫāṣṣ):
1. ʿUrf ʿāmm: Gewohnheiten, Sitten, Bräuche und Traditionen, die keiner lokalen und sozialen Begrenzung unterliegen und in allen Regionen jahrhundertelang gegenwärtig für die Muslime waren, sind dieser Kategorie zuzuordnen, da sie nicht auf eine einzelne Gesellschaft oder Region zu begrenzen sind. Der seit den Prophetengefährten bis in die heutige Zeit berücksichtigte und von Gelehrten in ihren iǧtihādāt (pl. von iǧtihād; Bemühung zur Meinungsfindung) als Referenz betrachtete ʿUrf ist von dieser Kategorie. (Vgl. Ibn ʿĀbidīn, Risalātu l-ʿUrf, II, S.124; Ali Haydar, Dürerul-Hükkâm Şerhu Mecelletil-Ahkâm, İstanbul 1330, I, S.93-94)
Ein hierfür sehr bekanntes Beispiel ist der sogenannte ʿaqd al-istiṣnaʿ (etwa: handwerklicher Kundenauftrag). Seit früheren Zivilisationen gibt es bei den Menschen den Brauch, die Herstellung einer Sache in Auftrag zu geben. Somit schließt man einen Kaufvertrag mit beispielsweise einem Handwerker über die Anfertigung eines Gegenstands. Nun ist der Verkauf einer nicht vorhandenen Sache jedoch durch den Propheten (s.a.s.) untersagt worden. (Vgl. Abū Dāwūd, Buyūʿ, 68; at-Tirmidhī, Buyūʿ,19; an-Nasāʾī, Buyūʿ 60; Ibn Māǧa, Tiǧārāt, 20; Aḥmad ibn Ḥanbal, III, 402)
Obwohl die oben beschriebene Art des Verkaufes also einer allgemeinen Untersagung zu widersprechen scheint, wurde diese Art des Produktionshandels von der großen Mehrheit der Rechtsgelehrten unter Berücksichtigung des in diesem Falle vorliegenden ʿUrf als legitim betrachtet.
2. ʿUrf ḫāṣṣ: Bei Bräuchen, Redewendungen und Sitten die spezifisch in einzelnen Gesellschaften, Völkern oder Regionen gegenwärtig sind spricht man vom ʿurf ḫāṣṣ. Beispielsweise wurde der Begriff „ad-Dābbah“ (dt. Tier) im irakischen Kulturraum eher speziell für die Bezeichnung eines Pferdes gebraucht. Ebenso die regionalbedingte schriftliche Buchhaltung von Händlern statt des Heranziehens eines Zeugen als Beweismittel bezüglich eines Verkaufs oder Schulden kann in diesem Sinne als ʿurf ḫāṣṣ verstanden werden.
Im Koran und der Sunna gibt es Angelegenheiten die dem ʿUrf überlassen werden.
Beispiele zu Angelegenheiten im Koran:
1. Im Islam hat der Mann für den Unterhalt der Familie, also seiner Ehefrau und Kinder zu sorgen. Der Koran nennt diesbezüglich keinen konkreten Betrag und überlässt dies dem ʿUrf:
„Und demjenigen (Vater), der das Kind gezeugt hat, obliegt es, für die Versorgung und Kleidung der Mutter in sittlicher Weise/anerkannter Handhabung (bi-l-maʿrūfi) aufzukommen. Keiner Seele wird mehr auferlegt, als sie zu leisten vermag.“ (al-Baqarah 2:233)
„Der Wohlhabende soll entsprechend seinem Vermögen die Aufwendungen gestalten. Und wem der Unterhalt bemessen zugeteilt wurde, der soll von dem ausgeben, was Gott ihm hat zukommen lassen. Gott fordert von einem nur das, was Er ihm hat zukommen lassen. Gott wird nach der schwierigen Lage Erleichterung schaffen.“ (aṭ-Ṭalāq 65:7)
Hieraus wird ersichtlich, dass die Unterhaltszahlungen des Ehemannes den Bedürfnissen seiner Ehefrau genügen und der finanziellen Handhabung des Ehemannes entsprechen sollen. (Vgl. as-Saraḫsī, Kitāb al-Mabsūṭ, Beirut 1978, V, S.181; Uṣūl al-fiqh, I, S.237; al-Ǧaṣṣāṣ, Aḥkām al-Qur’ān, Istanbul, Istanbul 1947, I, S.404; Hamdi Döndüren, Delilleriyle İslâm Hukuku, İstanbul 1983, S. 294ff.)
Auch der Unterhalt der Kinder richtet sich nach dem ʿUrf. So fragte Hind bt. ʿUtba, die Ehefrau von Abū Sufyān b. Ḥarb, den Propheten (s.a.s.) danach, ob sie ohne ihren Mann zu fragen von seinem Besitztum nehmen und ausgeben darf, da dieser nicht genug Unterhaltsausgaben für sie und ihre Kinder vornahm. Der Prophet (s.a.s.) antwortete:
„Du darfst von seinem Besitztum nehmen wie viel für dich und deine Kinder dem ʿUrf entsprechend nötig ist.“ (Buḫārī, Buyūʿ, 95; an-Nasāʾī, Quḍāt, 31; Ibn Māǧa, Tiǧārāt, 65; ad- Dārimī, Nikāḥ, 54)
2. Die Entlohnung einer Amme beziehungsweise Nährmutter (für ihr Stillen eines Kindes) wird ebenfalls dem ʿUrf entsprechend getätigt. So heißt es in einem Vers:
„… Und wenn ihr eure Kinder (von einer Amme) stillen lassen wollt, so ist darin keine Sünde für euch, sofern ihr das, was ihr geben wollt, dem ʿUrf entsprechend aushändigt …“ (al-Baqarah 2:233)
3. Der Sorgeberechtigte eines Waisenkindes darf sofern er selbst in Armut lebt, vom Besitz des Waisenkindes (was ihm an Besitz hinterblieben ist) dem ʿUrf entsprechend ausgeben:
„Und prüft die Waisen, bis daß sie das Heiratsalter erreicht haben. Und wenn ihr dann an ihnen Besonnenheit feststellt, so händigt ihnen ihren Besitz aus. Und zehrt es nicht verschwenderisch und voreilig auf, bevor sie älter werden. Und wer nicht darauf angewiesen ist, soll sich enthalten; wer arm ist, soll in dem ʿUrf entsprechend davon zehren. Und wenn ihr ihnen dann ihren Besitz aushändigt, so nehmt Zeugen vor ihnen …“ (an-Nisāʾ 4:6)
Schließlich wird deutlich, dass der in den Koranversen verwendete Begriff „maʿrūf“ sich je nach Zeit, Lokalität und Gesellschaft ändern kann und sich auf die in einer Gesellschaft etablierten und akzeptierten Bräuche und die Sitten bezieht. (Vgl. Abū Sunnah, al-ʿUrf wa'l- ʿĀda, S.49)
Beispiele zu Angelegenheiten in der Sunna:
1. In einem Hadith heißt es sinngemäß:
„Was die Muslime für gut erachten ist auch bei Allah gut.“ (Aḥmad ibn Ḥanbal, I, 379)
Der berühmte Gelehrte Šams al-Aʾimma (Sonne der Imame) as-Saraḫsī legt diesen Hadith wie folgt dar: „Dem Analogieschluss (Qiyās) nach wäre es nicht erlaubt, eine Produktion auf Bestellung (ʿaqd al-istiṣnaʿ) zu beauftragen, da dies der Verkauf einer nicht vorhandenen Sache wäre, was wiederum untersagt wurde. Dennoch gibt es diesbezüglich einen Brauch (ʿUrf) der seit der Zeit des Propheten (s.a.s.) etabliert ist, weshalb wir statt des Analogieschlusses (Qiyās) den ʿUrf als Referenz nehmen und Verträge wie den ʿaqd al-istiṣnaʿ beziehungsweise Produktionsaufträge als erlaubt erachten. Dies geht aus dem Hadith „Was die Muslime für gut erachten ist auch bei Allah gut (Aḥmad ibn Ḥanbal, I, 379) hervor. (Vgl. as-Saraḫsī, Kitāb al-Mabsūṭ, XII, S.181; Uṣūl al-fiqh, II, S.203)
2. Die (bereits oben genannte) vom Propheten (s.a.s.) an Hind bt. ʿUtba, die Ehefrau von Abū Sufyān, gerichtete Antwort zeigt, dass sich die Unterhaltszahlungen eines Mannes an seine Ehefrau und Kinder nach dem ʿUrf richten:
„Du darfst von seinem Besitztum nehmen wie viel für dich und deine Kinder dem ʿUrf entsprechend nötig ist. (Buḫārī, Buyūʿ, 95; Muslim, ʿAqdiyya, 7; Abū Dāwūd, Buyūʿ, 79)
Es gibt zahlreiche weitergeführte Bräuche und Sitten aus der Zeit der ǧāhilīya, welche vom Islam überholt und reformiert wurden. Diese sind im beispielsweise Bereich des Handels, der Pfändung und Hypothek, der Ehe und der Erbschaft wiederzufinden. Bräuche die verwerflich und schädlich sind, wie etwa der Zinswucher, das Glücksspiel sowie das Töten weiblicher Kinder durch lebendiges Vergraben (aufgrund einer Abneigung gegenüber weiblichen Nachkommen) hat der Islam verboten und abgeschafft.
Änderung der Bestimmung durch Änderung im ʿUrf:
Bei einem Iǧtihād (Normfindung durch eigenständige Bemühung) den der Gelehrte auf eine ʿUrf- Referenz stützt, ist es offensichtlich, dass durch eine Änderung dieses spezifischen ʿUrfs (der dem Kontext des jeweiligen Gelehrten entspricht) der Iǧtihād seine Referenz verliert. So beschreibt Ibn ʿĀbidīn:
„Normative Angelegenheiten (Bestimmungen) stützen sich entweder auf einen klaren Textbeleg (Koranvers oder Hadith) oder kommen durch raʾy und Iǧtihād (Bemühung um eigenständige Urteilsfindung) zustande. Bei den meisten normativen Angelegenheiten dieser Kategorie orientierte sich der jeweilige Muǧtahid (zum Iǧtihād befugter Gelehrte) am ʿUrf seiner Zeit. Wenn dieser Muǧtahid in der Zeit des gegenwärtig vorherrschenden ʿUrf leben würde, so würde er eine andere, seiner vorherigen Ansicht widersprechende Meinung vertreten. Daher haben die Gelehrten es als eine der Bedingungen des Iǧtihād angesetzt, die Bräuche und Sitten der Menschen ihrer Zeit zu kennen. Mit dem Voranschreiten der Zeit ändern sich viele normative Bestimmungen. Würden diese Bestimmungen unverändert in ihrer vorherigen Form weiterbestehen, würden sie sowohl dem Volk Last und Schaden bereiten als auch den Prinzipien der islamischen Normgebung widersprechen, welche die Etablierung von Erleichterung und Ordnung sowie die Prävention von Beeinträchtigungen und Chaos zum Ziel haben. Deshalb haben die Gelehrten verschiedener Rechtsschulen ihren Vorgängern (in manchen Angelegenheiten) widersprochen. Denn sie wussten, dass die vorherigen Gelehrten ebenfalls wie sie gedacht hätten, wenn diese in der selben Zeit wie sie gelebt hätten. (Vgl. Ibn ʿĀbidīn, Risalātu l-ʿUrf, II, S.124)
Dass spätere Muǧtahidūn (pl. von Muǧtahid) mit Blick auf diese Tatsache in zahlreichen Angelegenheiten ihren Vorgängern aufgrund einer neuen ʿUrf-Wahrnehmung widersprochen haben, zeigt sich unter anderem in folgenden Beispielen:
1. Nach der hanafitischen Rechtsschule ist es nicht gestattet für gottesdienstliche Handlungen wie beispielsweise das Vorbeten als Imam, dem Unterrichten von Koranrezitation oder der Tätigkeit als Muezzin (Gebetsrufer) eine Entlohnung zu erhalten. Denn diese Dinge gehören zur Dienerschaft, also zu den gottesdienstlichen Handlungen gegenüber Gott. Diese normative Bestimmung (ḥukm) war der frühen Zeit der führenden Muǧtahidūn und der Rechtsschul-Imame (Formative Phase der islamischen Normenlehre) entsprechend, denn zu der damaligen Zeit war es so, dass diejenigen, die ihre Zeit für Dienstleistungen im Bereich religiöser Dienste opferten und währenddessen nicht gleichzeitig für sich selbst sorgen konnten, vom Bayt al-Māl (eine Art Staatskasse des islamischen Reiches) eine entsprechende finanzielle Unterstützung bekamen, sodass sie nicht abhängig von anderen waren. Später wurden derartige Unterstützungen unterbrochen, sodass die im Bereich derartiger freiwilliger Dienste tätigen Menschen teilweise gezwungen waren, ihre Zeit für den Verdienst ihres Lebensunterhaltes zu nutzen. Dies führte wiederum zu einer Vernachlässigung öffentlicher religiöser Dienste und Studien. Unter Berücksichtigung der Umstände, welche sich in dieser Angelegenheit mit Blick auf früher änderten, sprachen sich spätere hanafitische Muǧtahidūn für die Fatwā (Rechtsgutachten) aus, nach welcher die Entlohnung derer, die sich in öffentlich-sozialen religiösen Dienstleistungen (wie Imame, Muezzins und Koranschullehrer) engagieren, gestattet wird. In der schafiitischen Rechtsschule wurden diese Angelegenheit bereits von Anfang an als Dienstleistungen betrachtet, für welche eine finanzielle Entlohnung als erlaubt betrachtet wird. (Vgl. Zakiyyuddīn aš-Šaʿbān, Uṣūl al-fiqh al-Islamī, S. 179; Muḥammed Abū Zahra, Uṣūl al-fiqh S.276)
2. Theoretisch wird etwas Anvertrautes nur dann erstattet, wenn dies durch vorsätzliche Beschädigung oder fahrlässigen Umgang notwendig wird. Da jedoch mit der Zeit das Vertrauen einander gegenüber nachgelassen hat, Schädigungen sich vermehrt haben und das Vertrauen in dieser Hinsicht immer öfter missbraucht worden ist, wurde das Prinzip der Erstattung von Waren und Gütern etabliert, wonach derjenige Geschäftspartner oder unter Umständen auch Angestellter, der die Verantwortung für einen Verlust oder eine Beschädigung trägt, selbst für diesen aufkommen muss. Dies hat zum Ziel vorsätzlichen und fahrlässigen Missbrauch zu verhindern.
3. Laut Abū Ḥanīfa ist ausgehend vom Hadith des Propheten (s.a.s.) „Muslime sind einander gegenüber aufrichtig.“ (Vgl. Ibn Qaiyim al-Ǧauziya, Iʿlām al-muwaqqiʿīn ʿan rabb al-ʿālamīn, I, S.30.) die Prüfung der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit von Zeugen (bei Zeugenaussagen) nicht erforderlich. Diese Beurteilung entspricht der Zeit Abū Ḥanīfas. So nahm in späterer Zeit das Lügen und Falschaussagen unter den Menschen zu, weshalb Abū Yūsuf und Muḥammad aš-Šaibānī (die Schüler Abū Ḥanīfas) sich dafür aussprachen, dass bei richterlichen Beschlüssen die Prüfung der Zuverlässigkeit von Zeugen eine Bedingung darstelle. (Vgl. Muḥammed Abū Zahra, Uṣūl al-fiqh S.266)
Tradition
Allgemein betrachtet wird unter Tradition in der Regel die in einer Gesellschaft, Gemeinschaft oder Kultur etablierte und weitertradierte Gesamtheit sprachlicher und nicht-sprachlicher Gepflogenheiten, Konventionen, Glaubensvorstellungen, Bräuche und Sitten verstanden, welche im Unterschied zu Instinkten in der Zeit auftreten und nicht angeboten sind. Im islamischen Verständnis wird ʿUrf ausgeprägter verstanden, da dieser Begriff stärker etablierte Traditionen und Sitten impliziert.
Traditionen und Sitten stellen gewisse soziale Handlungsmuster in verschiedenen Bereichen des Lebens dar. Diese von früheren Generationen aufgenommene und weitertradierten Gewohnheiten und Gedanken können nicht pauschal als schädlich oder nützlich bewertet werden. So führen manche von ihnen zu Konflikten und Degenerationen während manch andere nützlich für den Fortbestand und die Harmonie im gesellschaftlichen Leben sind.
In der westlichen Literatur wird die Tradition beziehungsweise die Gewohnheit häufig als „soziales Erbe, welches sich nur schwierig ändern lässt und eine Bindung zu früheren Gesellschaften darstellt“ beschrieben. Das Verhältnis zwischen Adaption an die Gegenwart und Orientierung am Usus früherer Generationen ist von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich. Manche Soziologen merken an, dass Revolutionen kulturelle Gewohnheiten einer Gesellschaft aufheben. Dennoch sieht man selbst nach den stärksten Revolutionen gewisse Traditionen und Sitten bestehen. (Vgl. H. Ziya Ülken, Sosyoloji Sözlüğü, Istanbul 1969, S. 115)
Eine in den modernen Gesellschaftswissenschaften allgemein behandelte Thematik ist das Phänomen der Entwicklung sozialer Wertevorstellungen. Dies bedeutet auch zwangsläufig einen Wandel in der Kultur. So beschreibt Maurice Duverger, wie traditionelle Werte einer Kultur mit jedem Tag stärker von neu auf die Kultur einwirkenden Gedanken, Handlungsweisen und Gestaltungen verdrängt werden. Da diese manchmal nur der bestehenden Kultur hinzugefügt werden, komme es in solchen Fällen zur schlichten Ansammlung. Doch in den meisten Fällen bedingen neue Werte das Ersetzen älterer Aspekte der Kultur beziehungsweise Tradition. Auf diese Weise sei ihm zufolge jede Kultur stetig in einem Entwicklungsprozess. (Vgl. Maurice Duverger, Siyaset Sosyolojisi, Istanbul 1975, S.124)
Derartige Vorstellungen führten zu pauschalisierenden und undifferenzierten Perspektiven in der westlichen Welt gegenüber kultureller Traditionen, was vor allem auch vor dem Hintergrund der mittelalterlich-christlichen Geistesgeschichte zu tun hat, welche besonders nach der Zeit der Aufklärung als Anlass dafür diente, die gesamte Vergangenheit des christlichen Europas zu verteufeln. In der islamischen Geschichte hingegen ist meistens zu beobachten, dass entsprechend dem islamischen Verständnis eine differenzierte Betrachtung kulturell-traditioneller Werte und Bräuche vorgenommen wurde, sodass aus nützlichen und vernünftigen Werten der Tradition profitiert wurde. Dies ist daran zu erkennen, dass die äußerst vorbildlichen Wertevorstellungen der Ära des Propheten Muhammad (s.a.s.) und seiner Gefährten über die Jahrhunderte versucht wurden aufrechtzuerhalten. So stellt der Islam und daraus resultierend auch die Vernunft für Muslime den Maßstab dafür dar, was aus kultureller Tradition auf einer Seite und der Moderne auf der anderen Seite als verwerflich oder aber als nützlich erachtet werden soll.
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Die Besonderheit und Relevanz der „Beraat-Nacht" (Nacht der Begnadigung)
Am Ende eines Geschäftsjahres ist es von Üblichkeit, dass in die Buchaltung eingelesen wird, um nach Gewinn und Verlust zu kalkulieren. Nach den Ergebnissen beginnt die Vorbereitung auf das nächste Jahr. Durch diese jährlichen Berechnungsmaßnahmen haben die Wirschaftsbetriebe das Ziel, einen stabilen, sicheren, gewinnorientierten und vernünftiger Weg zu verfolgen.
In diesem Sinne wollen/sollten wir auf unsere spirituelle Welt schauen.
Da das weltliche Leben als (spiritueller) Wirtschaftsmarkt und Handelsplatz erschaffen wurde, bei dem wir das Paradies im Jenseits erarbeiten und insbesondere die Zufriedenheit unseres Herrn (Rabbi) erlangen sollen, ist es für uns eine Notwendigkeit unseren jährlichen Gewinn und Verlust zu kalkulieren. Dies ist für den menschlichen Werdegang deswegen von Bedeutung und Wichtigkeit, um unseren Ist-Zustand unserer Erschaffungsaufgabe und -zweck zu definieren und unseren Weg zum Soll-Zustand zu ermitteln.
Wir haben es in einer gesegneten Nacht hinabgesandt - Wir haben ja (die Menschen) immer wieder gewarnt. (44/3)
Über diesen Vers und die weiteren Verse in der Sura 44 gibt es verschiedene Meinungen. Gängig ist die Meinung unter den Gelehrten, dass mit der gesegneten Nacht hier die Qadr-Nacht gemeint ist. Nach anderen Meinungen geht es hierbei um die Beraat-Nacht. Es gibt auch eine Verschmelzung dieser Meinungen. Demzufolge geht es um die „weisen Angelegenheiten“ im weiteren Vers um solche Angelegenheiten die zwischen der Beraat-Nacht und der Qadr-Nacht stattfinden. Wie kann man das verstehen und was könnten solche Angelegenheiten sein?
Das jährliche Programm des Schicksals
Laut einer Überlieferung von Ibn al-ʿAbbās werden diese weisen Angelegenheiten auf diese Weise verdeutlicht.
„Alle Ereignisse von diesem Jahr bis zum nächsten Jahr werden von einzelnen Engeln in Büchern aufgeschrieben. Gnadengaben, Todesfälle, Reichtum, Armut etc. werden dabei erfasst. Selbst die Pilgerfahrten werden dabei erfasst. Alles wird einzeln beziffert und niedergeschrieben.
Die Bücher über die Gnadengaben werden dem Engel Mīkā’īl übergeben.
Die Bücher über den Krieg werden dem Engel Ǧibrīl übergeben.
Die Bücher über die Taten im Diesseits werden dem Engel Isrāfīl übergeben.
Die Bücher über den Tod und Unheil werden dem Engel ʿAzrāʾīl übergeben.“
Nach der Erklärung von Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī fängt die Sortierung und Handhabung dieser Bücher in der Beraat-Nacht an und endet in der Qadr Nacht. Dann erhält jeder Besitzer sein Buch.(1)
Die Bedeutung, dass die Beraat-Nacht “ein geheiligter Kern für das ganze Jahr und eine Art Programm für die jährlichen Taten des Menschen ist, macht sie so bedeutsam wie die Qadr-Nacht.“(2)
Ob der Qurʾān in dieser Nacht überliefert wurde wird folgendermaßen erklärt:
Die Beraat-Nacht ist die Nacht in dem der Qurʾān als Ganzes aus dem gesicherten Buch des Schicksals (lawh al-mahfuz) in das Diesseits übersendet wird. In der Qadr-Nacht wird der Qurʾān dem ehrenwerten Propheten (s.a.s.) erstmals und phasenweise übersendet.
Die Besonderheiten der Beraat-Nacht
Man findet zu dieser Nacht folgende Analogie: So wie man ein Beleg für das Bezahlen der Steuerschulden erhält und so dann von der Last befreit wird, so tilgt auch Allah (c.c.) die Schulden der Menschen.
Beraat als Wort bedeutet in etwa “Freispruch”. Die Menschen werden in dieser Nacht also von ihren Fehlern und Lasten freigesprochen als Akt der Barmherzigkeit Gottes.
Die 5 Besonderheiten der Beraat-Nacht:
1. Die Aufteilung aller weisen und sinnvollen Angelegenheiten.
2. Die vielfache Entlohnung von Gottesdiensten.
3. Die allumfassende Barmherzigkeit Gottes.
4. Die Höchstform der Vergebung Gottes.
5. Die Beauftragung des Propheten (s.a.s) mit Fürsprache.
Dass die Zamzam Quelle in dieser Nacht offenkundig überquillte wird als geheiligtes Zeichen für die Bedeutsamkeit dieser Nacht gesehen.(3)
In einer Überlieferung betont der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) die Bedeutsamkeit dieser Nacht:
Verbringt die 15. Nacht des Shaban wach und mit Gottesdiensten und fastet am Tage. An dieser Nacht, wenn die Sonne untergeht herrscht die Barmherzigkeit Allahs (c.c.) und ER (c.c.) fragt dabei: Gibt es niemanden der Buße tut, so dass ich ihn vergeben kann? Gibt es niemanden, der für Gnadengaben betet, so dass ich sie ihm geben kann? Gibt es niemanden den ein Unheil traf, so dass ich ihm sofort Gesundheit und Wohlgefühl geben kann? So geht es weiter im Laufe der Nacht. (4)
Diese Nacht ist also eine besondere und einmalige Gelegenheit für die Menschen. Welch Glück der Mensch hat, der diese Gelegenheit nutzt und Buße tut und innig zu seinem barmherzigen Schöpfer betet. Wie verloren muss der Mensch sein, der diese Gelegenheit auslässt und einfach so verstreichen lässt?
Diejenigen, die in dieser Nacht von der Barmherzigkeit ausgenommen sind
Über Diejenigen wird in Überlieferungen gesprochen:
- Zweifelsohne ummantelt Allah (c.c.) mit seiner Barmherzigkeit alles in der 15. Nacht des Shaban. Er vergibt seiner gesamten Schöpfung. Einzig die Polytheisten und jene Menschen die ihr Herz mit Feindseligkeit gegenüber anderen füllen und mit nichts anderem mehr ihre Zeit verbringen, sind von dieser Gnade ausgeschlossen. (5)
- Allah (c.c.) bietet allen Muslimen Vergebung außer selbsternannten Hellsehern und Esoterikern oder Menschen die einen Groll hegen, dem Alkoholismus verfallen, die ihre Eltern verletzen und beharrlich Ehebruch begehen. (6)
- Allah (c.c.) bekundet in der 15. Nacht des Shaban und vergibt allen außer jenen die aufmüpfig gegen die Eltern sind und Götzen dienen. (7)
Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) trat in eine gesonderte Spiritualität mit dem Eintreffen der geheiligten drei Monate ein und behandelte insbesondere den Shaban mit größter Sensibilität. Dann widmete er sich besonders seinem Gottesdienst, wie sonst zu keiner Zeit.
Mit größtmöglicher Aufrichtigkeit sich in dieser Nacht an Gott zu wenden und die Nacht mit Gottesdiensten zu verbringen, bringt uns den Segen eines ewigen Lebens in Gottesdiensten in nur einer Nacht.
Daher ist es ein großer Gewinn seine Zeit mit Rezitationen und Buße zu verbringen.(8)
Wenn man nun bedenkt, dass man in der Umma und im Glauben verbunden ist, dann merkt man erst welche Reichweite die Beraat-Nacht hat. Denn durch die Verbindung im Glauben beteiligen sich Muslime überall auf der Welt an den eigenen Gottesdiensten und Gebeten. So wird der Lohn und die Barmherzigkeit sogar noch größer. Man kann es vergleichen mit einer großen Firma und den Gesamtumsatz. Die einzelnen Mitarbeiter könnten niemals so viel Gewinn alleinständig erwirtschaften, aber zusammen ist das möglich.
Das Gebet des Propheten (s.a.s.) sah so aus:
Ya Rabb, von deiner Pein flüchte ich in deiner Vergebung, von deinem Zorn flüchte ich in dein Wohlwollen, von dir flüchte ich wieder nur zu dir. Ich bin unfähig dir gebührend Dankbarkeit zu zeigen. Du bist ehrwürdig, genauso wie du dich auch lobst. (9)
Möge Allah (c.c.) uns wachrütteln und uns bewusst machen, welch besondere Gelegenheit vor uns liegt. Möge uns das Beispiel des Propheten (s.a.s.) dazu ermahnen, diese Nacht mit größter Sensibilität und mit größtem Eifer zu begegnen.
Quellen:
1 Hülâsâtü'l-Beyân, XIII/5251.
2 Said Nursi - Şualar, s,426.
3 Hak Dini Kur'an Dili, V/4295.
4 İbni Mâce, İkame, 191.
5 İbni Mâce, İkame, 191.
6 et-Tergîb ve't-Terhib, II/118.
7 İbni Mace, İkametü's-Salât, 191; Tirmizî, Savm, 38.
8 Said Nursi - Şualar, s.426.
9 et-Tergib ve't-Terhîb, II/119, 120.
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Ist das Kalifat eine vom Islam vorausgesetzte Institution? Müssen wir jetzt den Kalifen im Islamischen Staat wählen?
das Konzept des Kalifats entspringt einer koranische Terminologie;
Allah hat denjenigen von euch, die glauben und rechtschaffene Werke tun, versprochen, daß Er sie ganz gewiß als Statthalter auf der Erde einsetzen wird, so wie Er diejenigen, die vor ihnen waren, als Statthalter einsetzte, daß Er für sie ihrer Religion, der Er für sie zugestimmt hat, ganz gewiß eine feste Stellung verleihen wird, und daß Er ihnen nach ihrer Angst (, in der sie gelebt haben,) statt dessen ganz gewiß Sicherheit gewähren wird. Sie dienen Mir und gesellen Mir nichts bei. Wer aber danach ungläubig ist, jene sind die (wahren) Frevler. (24/55)
Unser Prophet (s.a.s.) sagte:
Das Kalifat nach mir - oder das Kalifat des Prophetentums - ist für dreißig Jahre. (siehe Abu Dawud, Sunna, 8, Tirmidhi, Fiten, 48, Ahmad bin Hanbal, 4/272; 5/220, 221)
Das Konzept des Kalifats hat also auch in der Sunna seinen entsprechenden Platz. Aus diesem Grund führten Muslime nach dem Ableben des Propheten (s.a.s) die Institution des Kalifats weiter.
Neben dem Konzept des Kalifats wird in koranischer Terminologie auch vom Befehlshaber gesprochen;
O die ihr glaubt, gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und den Befehlshabern unter euch! Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es vor Allah und den Gesandten, wenn ihr wirklich an Allah und den Jüngsten Tag glaubt. Das ist am besten und am ehesten ein guter Ausgang. (4/59)
Das Konzept des Kalifats als institutioneller Mechanismus ist demnach ein Phänomen, das sowohl die weltlichen als auch die religiösen Dienste und Aufgaben aufgreift. Besonders in den letzten Zeiten des osmanischen Staates gab es diverse Entwicklungen die dafür sorgten, dass beide Bereiche separiert worden und das Kalifat lediglich in religiösen Angelegenheiten gefragt war. Später wurde dann die Institution des Kalifats abgeschafft und die entsprechenden Aufgaben wurden dem Parlament delegiert. Somit begann eine Phase der Säkularisierung.
Angesichts dieser Informationen können wir sagen, dass es für uns in einem bestimmten Land sehr schwierig ist, ein individuelles Kalifat zu haben, da das "Kalifat" die ganze Umma umschließen sollte. Denn in diesem Fall wäre das Kalifat ein bedeutungslose, irrelevante und machtlose Institution und allenfalls ein Symbol. Da in diesem Jahrhundert überwiegend parlamentarische Regierungssysteme bevorzugt und gepflegt werden, is es auch wichtig für Muslime, sich entsprechend aufzustellen. Es wäre nicht ratsam sich diesen Entwicklungen und Strukturen entgegen zu setzen und an Symbolen festzuhalten, die man nicht mit Leben füllen kann.
Daher gilt es zu sagen, dass es weniger wichtig ist, Symbole zu pflegen. Der Islam besteht nicht aus einer Aneinanderreihung von Symbolen. Erst wenn die Grundgebote des Islams gelebt werden können etwaige Symbole sich entsprechend gestalten und entfalten.
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Sind neue Rechtsurteile (Idjtihad/Idschtihad) noch möglich?
Rechtsurteile („iǧtihād“) erfordern in der Auslegung bestimmte Basiskonzessionen und bedürfen in diesem Zusammenhang neun Bedingungen bzw. Voraussetzungen:
1- Das Beherrschen der arabischen Sprache in Grammatik und Semantik, da sich das Rechtsquellenverständnis an dem Qurʾān und der Sunna orientiert. Diese wiederum wurden in der arabischen Sprache niedergeschrieben.
2- Ausführliches Verständnis und Wissen über die inhaltliche Zeichensystematik, Syntax, historische Lexikologie sowie allgemeine Bedeutungslehre (Semantik), Entscheidungskriterien zu spezifischen Thematiken, Entwicklungs- und Normhierarchie, Abrogation („nasḫ”) sowie deren Beziehungsstrukturen im Qurʾān.
3- Detailliertes Wissen bezüglich der Sunna (Lebensweise, Verhalten, Handlungsmuster, Äußerungen, Rechtssprüche…) des Propheten Muḥammad (s.a.s.)
4- Wissen über die Thematik mit dem sich die Rechtsangelegenheit befasst und deren theoretische Sachverhaltsbeschreibungen, wie („Iǧmāʾ“) Übereinkunft (der religiösen Autoritäten) oder differenzierende Perspektiven („Iḫtilāf“). Über die historische Gegebenheit eines Konsens („Iǧmāʾ“) gibt es keinen Zweifel, da die Prophetengefährten in vielen Angelegenheiten keine Meinungsverschiedenheit („Iḫtilāf“) hatten. Jedoch wurde von dem Gelehrten „Aḥmad ibn Hanbal“ die Ansicht vertreten, dass es nach der Ära der der Prophetengefährten keine grundlegende Übereinkunft („Iǧmāʾ“) mehr gab. Obwohl er die religiösen Übereinkünfte der ersten Generationen nach den Prophetengefährten nicht verleugnete, wurden sie als Entscheidungskriterium von ihm nicht akzeptiert.
5- Wissen über die Strukturen und Vergleichsgrundlagen beim Analogieschluss („qiyas“) und deren Bestimmungsregeln
6- Quellenverständnis der islamischen Urteils- bzw. Rechtsbestimmungen sowie deren Zweck und Zielsetzung.
7- Die kognitive Befähigung das Rechte („Ḥaq“) vom Falschen („Bāṭil“) nach den fachspezifischen Verhältnismäßigkeiten und Kriterien unterscheiden zu können.
8- Eine ehrliche und rechtschaffene Haltung sowie Gesinnung bezüglich rechtswissenschaftlichen Bestimmungen und islamischen Angelegenheiten
9- Aufrichtige Einstellung zu den Verbindlichkeiten der Glaubenslehre und die Ablehnung von theologischer Häresie („Bidʿa“)
Alles in allem wird deutlich, dass der Entscheidungsprozess von islamischen Rechtsbestimmungen keine einfach zu regelnde Disziplin ist.
Nicht jeder kann sich als bildende Instanz für Rechtsurteile deklarieren. Anhand von ideellen Engagements, die auf abweichenden Ideologien bzw. auf einem inkompatiblem Quellenverständnis basieren, kann keiner in islamischen Angelegenheiten als legitime Instanz anerkannt werden.
Grundsätzlich sind neue Rechtsurteile („İǧtihād“) jederzeit möglich. So wie es in der ersten Epoche (zur Zeit des Propheten sowie der Prophetengefährten) möglich war, wird es auch zu allen Zeiten möglich sein. Es muss nur eine Autorität vorhanden sein, welche die Vorraussetzungen für solch eine Urteilsbestimmung („İǧtihād“) besitzt. Zu behaupten, dass nur zu dieser oder jener Zeitepoche eine neue Urteilsbestimmung („İǧtihād“) durchführbar war, ist falsch.
Demnach kann eine historische Einschränkung bezüglich der Entwicklung von Rechtsbestimmungen („İǧtihād“) weder nachgewiesen noch determiniert werden, da die Befähigung zu solch einer statischen Doktrin von niemandem erteilt wurde.
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Dürfen in einem muslimischen Land Atheisten leben? Zahlen sie dann cizye?
wir wollen die Frage in zwei Bereiche aufteilen und in diesem Kontext beantworten. Einerseits hat die Frage einen rechtlichen Aspekt. Den beantworten wir zuerst. Danach wollen wir auch einen sozialen Aspekt der Fragestellung betrachten.
Wir nehmen Bezug auf ein Werk namens „Mukayeseli Islam Hukuk“ (übersetzt in etwa: „vergleichende Rechtsprechung im Islam“).
Die Inhaber der Schriften also die „ʾAhlu al-Kitāb“ sind zu respektieren und das bezieht sich auf auch Rechtsprechungen. Unter diesen Gruppen besteht also ein Vertrag. Es geht also um jene Gruppen, die außerhalb dieser Klassifizierung bleiben, dazu würden dann auch die Atheisten in der Fragestellung zählen. Dazu gibt es mitunter Meinungsverschiedenheiten.
Nach der hanbalitischen, shafiitischen, zahiriitischen und den imamiitischen Gelehrten dürfte man mit solchen Leuten keinen Schutzvertrag machen. Die Begründung sieht wie gefolgt aus: „Nach dem die Schutzmonate abgelaufen sind, tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet…“ (9/4). Basierend auf den Vers ist man befehligt die Gottesgegner zu bekämpfen, bis sie den einzigen Gott akzeptieren. Sobald sie dies aussprechen kommen damit Verpflichtungen für einen einher und sie sind fortan schutzbefohlen und haben Sicherheit für ihr Hab und Gut sowie ihr Leben (Buhârî, İman, 17).
Nach den Hanafiten; Man kann mit allen Nichtmuslimen außer den altarabischen Götzendienern einen Schutzvertrag machen. Denn der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) hatte mit den Anhängern des Zoroastrismus solch einen Vertrag geschlossen. Dementsprechend kann man also gemäß der Sunna ebenso handeln.
Dass die altarabischen Götzendiener davon ausgenommen sind, geht ebenso auf eine Sunna zurück. Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) hatte die Kopfsteuer („ǧizya„“ von ihnen nicht angenommen. Dabei muss allerdings der Kontext beachtet werden, denn die Gruppe von Menschen die als „altarabische Götzendiener“ beschrieben werden, waren damalige und erklärte Feinde des Propheten (s.a.s.). Diese Gruppe existiert in dieser Form nicht mehr.
Nach anderen Gelehrten, darunter auch malikiitischen Gelehrten ist es möglich mit allen Nichtmuslimen – darunter auch die altarabischen Götzendiener – einen Schutzvertrag abzuschließen. Dafür gibt es folgende Indizien.
Der Vers mit Bezug auf die Tötung der Polytheisten kam vor dem Vers bezogen auf die Kopfsteuer. Der spätere Vers vervollständigt den früheren Vers. Demnach kommt man zum Urteil, dass es um jene Menschen geht, die den Islam oder die Kopfsteuer ablehnen.
Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) bekämpfte die damaligen Gottesfeinde und akzeptierte ihre Kopfsteuer nicht bis der entsprechende Vers herabgesandt wurde. Danach wurde die Kopfsteuer dieser Leute akzeptiert. Also lässt sich das unterschiedliche Handeln des Propheten (s.a.s.) in dieser Sache mit der Verkündung der Verse zu verschiedenen Zeitpunkten erklären. Als ein weiteres Indiz wird angebracht, dass der Unglaube der „Maǧūs“ intensiver war, als der der altarabischen Götzendiener. Sie haben neben ihrem Unglauben z.B. auch die Ehe von engen Verwandten akzeptiert. Wenn man also mit ihnen einen Schutzvertrag eingehen konnte, kann man als Schlussfolgerung auch mit den altarabischen Götzendienern einen Schutzvertrag abschließen, wenn es sie noch weiter gegeben hätte.
Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) ermahnte seine Generäle dazu, dass sie bei Sichtung eines Feindes, ihn zunächst zum Islam einladen und später zur Abgabe der Kopfsteuer einladen, wenn sie den Islam ablehnen sollten. Diese Handhabung kam nach der Verkündung des Verses mit der Kopfsteuer zustande und galt dann für alle Nichtmuslime.
Eine andere Sichtweise: Wenn man die Möglichkeit des Schutzvertrages für eine Gruppe gänzlich ausschließt, zwingt man sie auch automatisch zwischen zwei Optionen (den Islam anzunehmen oder in den Krieg zu gehen) auszuwählen. Der Islam sieht aber keinen Zwang vor (2/256). Daher würde die kategorische Ablehnung eines Schutzvertrages nicht in den Islam passen.
Zum Schluss bleibt noch zu sagen: Man baut kein Rechtswesen auf eine Rechtsschule auf. Die Gelehrten setzten sich zusammen und entwickeln gemeinsam eine angemessene Lösung für eine Frage, die so umfassend ist und so viele Menschen betrifft.
Nun steckt in der Frage auch eine soziale Komponente. Als Muslime in Deutschland hat für uns die Frage nach der Behandlung der Atheisten einen anderen Stellenwert. Deutschland ist kein muslimisches Land, daher besteht hier auch keine islamische Grundordnung. Dass in Deutschland viele Muslime leben, ändert an dieser Tatsache nichts. Häufig nutzt man gerade passend erscheinende Quellen und Indizien, um Feindschaft und sogar Gewalt zu legitimieren, dabei wird allerdings der Kontext gerne außer Acht gelassen. Wie man im ersten Teil der Antwort bereits sieht, gab es für die damaligen Praktiken klare Bedingungen und auch Grenzen. Der Prophet (s.a.s.) behandelte die Götzendiener stets fair und gemäß seiner Pflichten. Es ging also nie um die „Ausrottung“ von Menschengruppen, um Feindschaft oder um die Freude an Gewalt. Gewalt und Sanktionen waren für den Propheten (s.a.s.) stets letzte und nie erste Option. In einem Land wie Deutschland, wo es eine bestehende Ordnung gibt und die Muslime unter dieser Ordnung mit anderen Menschengruppen Schulter an Schulter leben, kann man nicht einfach alte Praktiken basierend auf einer dünnen Quellenlage auslegen und ausüben. Damit gerät man nur in Konflikt mit der bestehenden Ordnung und hat eher noch den Islam in ein schlechtes Licht gerückt. Wie geht man also mit Götzendienern in Deutschland als Muslim um? Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) ist da wieder das beste Beispiel. Denn er behandelte die Menschen stets mit Respekt und Würde unabhängig von seinen konkreten Pflichten, die er ausüben und darlegen würde. Als Muslim haben wir also kein Recht mit Hass und Gewalt den Menschen zu begegnen. Ein Muslim in Deutschland sollte daher einen Atheisten wie jeden anderen Menschen behandeln, also mit Respekt. Er sollte versuchen, ihn von seinen Irrweg abzubringen indem er ihn die Schönheiten der Religion in Wort und Tat näher bringt, so wie es auch der Prophet (s.a.s.) getan hat.
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Schiiten - Wer sie sind und woran sie glauben

Im Arabischen hat das Wort Schia Bedeutungen wie z.B. Gesellschaft, Partei, Unterstützer, Helfer.
Dieses Wort, das an verschiedenen Stellen im Koran erwähnt wird, wird im Arabischen hauptsächlich im Sinne von Unterstützer verwendet. Hier ist eine kleine Übersicht der Koranstellen zu diesem Wort:
(6/65, 159; 15/10; 19/69; 28/4, 15; 30/32; 34/54; 54/-51; 37/83)
In den Ereignissen, die nach der Ermordung von den Kalifen Uthman b. Affan stattfanden, ist es zu sehen, dass die Anhänger von Ali b. Abu Talib (Shatu Ali b. Abu Talib) genannt werden. (Vgl. (eş-Şehristan, el-Milel ve'nNihal, I, 146)
Die Verwendung des Wortes Shia in diesem Sinne bezieht sich im Allgemeinen auf das Martyrium von Husain welches am 10 Muharram in Karbala 61./10. Oktober 681 geschah.
Einige Zeit nach dem Vorfall in Karbala wurde der Begriff “Schia” für die Leute benutzt, die zusammenkamen um einerseits sich für das Martyrium von Hz. Hüseyin zu rächen und andererseits die Rechte der Nachkommen von Ali geltend zu machen und zu beschützen.
Allgemein gilt aber das Ableben des Propheten (s.a.s.) als die Geburtsstunde des Shiitentums. Die Nachfolge des Propheten (s.a.s.) also die Führung der Gemeinde war ungewiss. Während viele den engsten Vertrauten Abu Bakr als geeignet ansahen, gab es auch welche, die Ali b. Abu Talib als geeignet sahen. Ali war der nächste Verwandte und Schwiegersohn des Propheten (s.a.s.) also damit auch Teil des Ahl al-Bayt. Nach dieser Logik kam ihm eine besondere Rolle zu. Historisch gesehen setzte sich aber die mehrheitliche Meinung durch und Abu Bakr wurde der erste Kalif. Eine kleine Gruppe blieb aber dabei, Ali vorderrangig zu sehen.
Zur welcher Zeit die Schia als feste Gruppe entstanden ist, ist höchst umstritten. Schiitische Quellen besagen, das zu Lebzeiten unseres Propheten (s.a.s.) es einige Gefährten des Propheten gab, wie z.b Abu Zar al-Gıfarî, Salmân al-Farisî, Mikdad b. al-Asvad, die Ali b. Abu Talib den anderen Gefährten gegenüber überlegen und als würdigsten für das Kalifat sahen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet wären es die ersten Schiiten. (Vgl. En-Nevbaht, Firaku'ş-şîa, Necef 1368, 39-40)
Es gibt jedoch Sichtweisen demnach diese Gruppe, die Ali als überlegen und tugendhaft ansieht, und die Schiiten insgesamt als rein politische Bewegung entstanden sind.
Es gilt festzuhalten, dass die Shia ein großes Spektrum abbildet und deswegen gibt es viele unterschiedliche Shiiten mit unterschiedlichen Glaubensansichten. Einige von ihnen trennen sich scharf von den Sunniten und Andere zeigen größere Nähe. Die Nähe zum Prophetengefährten Ali ist aber keine alleinige Sache der Shiiten, da auch für die Sunniten Ali von besonderer Bedeutung ist.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die islamische Geschichte irgendwann auch Kapitel hatte, in denen es um Rang- und Machtkämpfe ging. Politisch motivierte Streitigkeiten gab es und so gibt es nicht wenige Momente, in denen das Shiitentum primär durch politische Streitigkeiten auffiel.
Bedeutend für das Shiitentum ist der Glaube an die „Imame“, wobei damit etwas Anderes gemeint ist als das was die mehrheitlichen Muslime unter dem Wort generell verstehen. Hier sind die Imame nämlich so etwas wie messianische Figuren, also rechtgeleitete besondere Heilige, die die Gemeinde führen werden, wenn sie wieder auftauchen. Für alle Shiiten ist Ali ein Imam und auch seine Söhne Hasan und Husain sind Imame. Dann aber gibt es unterschiedliche Linien und Abspaltungen. Daher gibt es z.B. auch die sogenannten 12, 7 oder 5 Imame mit ihren jeweiligen Gemeinden. Die Imame gehen aber immer auf die Blutlinie des Propheten und auf Ali zurück.
Heute bildet die Shia ca. 15-20% aller Muslime aus und die größte Dichte findet sich im Iran. Es leben aber auch viele Shiiten in Aserbaidschan, Bahrain, Irak und Libanon.
Als die Umayyaden als Dynastie (ab dem 6./7. Jahrhundert) die muslimische Gemeinde leiteten, waren viele Muslime unzufrieden. Die Umayyaden hatten sich im Vergleich zu den vorherigen Kalifen etwas entfernt von religiöser Leitung und wirkten eher wie ein Königtum. Außerdem regierten sie mit eher strenger Hand, wenn es darum ging, ihren Willen durchzusetzen. Während viele Muslime diesen Umstant eher missbilligend hinnahmen, gab es auch einige aktive Gegner bzw. Oppositionelle. Es gab Unruhen und Shiiten behaupteten, dass jemand aus der Blutlinie von Ali das Oberhaupt stellen sollte und dass die Umayyaden dieses Recht beraubt hätten. Unter ihnen war z.B. Zayd ibn Ali.
Durch diese Reibungen wurden auch die Fronten verhärtet, weil die Shiiten im Konflikt ihre Grundsätze verstärkt als Legitimation genutzt haben und die Umayyaden sowie auch Andere ihnen genau das zum Vorwurf gemacht haben. So entstand eine wechselseitige Wirkung in denen sich die Lager immer stärker distanzieren würden. Aus shiitischer Sicht hat sich dabei der Gedanke entwickelt, die Widersacher aus ihrer Sicht und die Prophetengefährten zusammen als Feinde und als fehlgeleitet zu betrachten.
Man muss aber auch betonen, dass der Konflikt sowie die negative Beschreibung der Prophetengefährten nicht bei allen Shiiten gleichermaßen vorhanden ist. Daher muss man genauer auf den jeweiligen Kontext schauen und nicht alle Shiiten in einen Topf werfen. Es ist möglich zu sagen, dass die Politisierung der Religion ab einem Punkt für die Spaltung und Feindseeligkeit sorgt.
Meinungsverschiedenheiten und theologische Diskurse sind eigentlich gängig im Islam und die Geschichte des Islams ist voll von Diskursen. Darin zeigt sich der Reichtum der islamischen Ideenwelt und die Komplexität der islamischen Kultur. In diesem Sinne sind Absolutismus und faschistische Ideologien, die den Islam benutzen, um Streit anzuführen eigentlich eine Neuerung in der islamischen Welt. In Wahrheit kennt der Islam keine Kultur, wo alles mit Druck und sogar Gewalt glattgebügelt werden soll.
Es ist natürlich für einen sinnsuchenden und ratsuchenden Menschen nicht leicht immer den Überblick zu behalten. Es gibt zwei Prinzipien, die einem die Richtung weisen können. Eine wichtige Richtung ist es stets sich an den etablierten Gelehrten der Ahlu Sunna zu orientieren. Das andere wichtige Prinzip ist es sich stets vor dem Takfir (Leuten den Glauben abzusprechen) zu hüten. Denn so wie jeder Mensch ein Individuum ist, so ist es teilweise unvermeidbar, dass daraus eben verschiedene Positionen entstehen. Selbst wenn man einer Meinung ist, gibt es dennoch in der Sprache und im Verständnis der Menschen große Unterschiede. 10 Menschen würden denselben Text unterschiedlich lesen und in Folge auch unterschiedlich wiedergeben. Es wäre im Grunde genommen unnormal, wenn immer und überall absolute Meinungsgleichheit herrschen würde. Das kann also nicht das Ziel sein. Ebenso ist es auch völlig normal, dass man als Mensch Recht haben oder behalten will und sich daran stört, wenn andere Menschen einem widersprechen.
Es ist zulässig zu sagen „mein Weg gefällt mir am besten“ aber es ist nicht richtig zu sagen „mein Weg ist der einzig Richtige“. Es ist schließlich auch theologisch nicht möglich oder zulässig, das göttliche Urteil über eine Sache in die eigene Hand zu nehmen und aus seiner menschlichen beschränkten Sichtweise heraus, die Stellung der Menschen zu definieren.
Ein Eckpfeiler des Islams ist der Gedanke der Gemeinde und der Brüderlichkeit. Damit dieser Gedanke aber überhaupt aufleben kann, muss man auch jedem gegenüber offen auftreten. Man kann keine Brüderlichkeit erreichen, wenn man immer nach Wegen sucht, Andersdenkende aus dem Kreis auszuschließen.
In der heutigen Welt ist es für viele Menschen gar unmöglich, solch tiefgreifende theologische Diskurse im Geiste der alten Gelehrten nachzuvollziehen oder sogar anzuführen. Eher haben viele Muslime damit zu kämpfen, ihre Religion im Einklang mit der Hektik des diesseitigen Lebens zu bringen. Viele Muslime schätzen sich heutzutage glücklich, wenn es ihnen gelingt, ihre religiösen Pflichten ohne Defizit einzuhalten, weil das soziale Leben in der modernen Welt sie schon fast verschlingt. Damit der Glauben in der modernen Welt nicht wie ein flackerndes Kerzenlicht vom Wind bedroht wird, ist es umso wichtiger, zur Einheit zu finden und einander zu unterstützen, statt sich in theoretischen Diskussionen zu entzweien. Dabei gibt es nur Verlierer.
Wenn es um Glauben und um Rechtleitung geht, sollte wahrscheinlich jeder Mensch sich selbst überprüfen und zunächst seine eigenen Fehler und Irrtümer korrigieren. So wie die Straße sauber bleibt, weil jeder Mensch das Stück vor seiner Haustür eigenhändig sauber macht, so kann jeder Mensch auch in Glaubensfragen sich mit sich selbst beschäftigen und zugleich damit auch ein positives Beispiel für Andere sein.
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wie alt war die Prophetenfrau Aisha bei der Heirat?
das Heiratsalter der Prophetenfrau Aisha ist in vielerlei Hinsicht ein spannendes wie auch angespanntes Thema. Der wesentliche Aspekt dabei ist, dass nach klassischer Annahme die Prophetenfrau 9 bis 10 Jahre alt gewesen soll bei der Eheschließung.
Gerade aus heutiger gesellschaftlicher Sicht ist das im Grunde genommen inakzeptabel und wird von vielen Menschen abgelehnt. Folglich wird mit sowas auch eine Kritik am Islam gerne formuliert.
Es gibt auch Muslime die sich daran stören und das Heiratsalter ablehnen, was islamisch gesehen die Sache nicht zwingend einfacher macht. Denn es gibt authentische (sahih) Quellen dazu, die man damit abgelehnt hätte und das wäre ebenfalls ein Problem. Manch andere versuchen dann das Thema zu relativieren indem sie auf die damalige Kultur zu sprechen kommen oder aber versuchen zu belegen, dass die Ehefrau doch älter war als angenommen.
Es handelt sich also um eine Fragestellung an der schließlich viele weitere Fragestellungen anknüpfen und daher müsste man sich intensiv mit diversen Bereichen der islamischen Rechtslehre beschäftigen um den Überblick nicht zu verlieren. Solch eine Arbeit findet man bei Dr. Serdar Aslan und wir verweisen auf seine Homepage: https://islam-akademie.de/index.php/prophetenbiographie-sira/93-das-heiratsalter-der-prophetenfrau-aischa-aus-hadithwissenschaftlicher-und-historischer-perspektive
Ebenso gibt es auf dieser türkischen Seite einen sehr detaillierten Artikel:
https://sorularlaislamiyet.com/hz-ayse-aise-validemiz-peygamber-efendimiz-ile-evlendiginde-kac-yasindaydi-bu-evlilig-dokuz-yasinda
Wir wollen hier aber die wesentlichen Inhalte beider Artikel abbilden:
Man darf nicht vergessen, dass genaue Jahresangaben und genaue Zeitbestimmungen zu der damaligen Zeit nicht so einfach gelingen und man diverse – auch außerislamische Quellen und Methoden – heranziehen muss. Daher darf man den bisherigen Stand der Forschung oder eine Zeitangabe in dem Fall nicht als absolut und endgültig verstehen.
Der Aspekt der sich wandelnden Zeit und wandelnden Kultur ist erwähnenswert da auch dadurch sich der Blick auf die Wissenschaft und auf historische Quellen verändert. Man nimmt z.B. unbewusst manche Angaben nicht ernst oder hat das Gefühl diese relativieren zu müssen, weil sie einem so unwahrscheinlich erscheinen.
Auch wenn man Belege findet dafür, dass das Heiratsalter der Prophetenfrau 9 bis 12 Jahre war dann hat man damit noch nicht beantwortet oder geklärt, ob das islamisch gesehen auch aus heutiger Sicht genauso stattfinden würde. Denn die damalige Zeit und Kultur leitet ja auch das damalige Recht ab. Recht und Rechtsfindung ist aber anpassbar und wandelbar. Fragen von früher beantworten nicht automatisch Fragen von heute. Man kann also aus heutiger Sicht zu einer damaligen Angelegenheit eine andere Herangehensweise haben
Generell ist festzustellen, dass in den damaligen Verhältnissen große Altersunterschiede von Mann und Frau nicht verurteilt wurden. Ebenso ist nachweisbar, dass ein frühes Heiratsalter gängig war um mitunter die Jugendphase in der Ehe “wohlbehütet” zu erleben.
Zu der Ehe bzw. Dem Eheleben des Propheten (s.a.s.) mit Aisha ist vieles bekannt, eine Kritik oder kritische Stimmen dazu gab es damals jedoch (auch von den Gegnern) nicht. Es geht aus den Quellen hervor, dass der Prophet (s.a.s.) Aisha auch intensiv unterrichtet hatte in diversen Bereichen des Islams. So wurde sie zu einer bedeutenden Gelehrten und Quelle des Wissens.
Aus dem Artikel geht hervor, dass für die Eheschließung die Mündigkeit, Reife und Zustimmung beider Seiten gebraucht wird.
Im türkischen Artikel gibt es auch Hinweise auf eine Argumentation, demnach Aisha 17 Jahre alt gewesen war zur Zeit der Eheschließung.
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Was macht die Maulid Nacht also die Geburt des Propheten besonders? Wie sollten wir beten?
Wie sollte man diese Nacht verbringen?
- Den Koran lesen und die Belohnung an die Heilige Seele des Propheten schenken;
- Lobpreisung für den Propheten: Allahume salli ala seyyidina Muhammed" (100× - 1000× - 10000×)
- Bei Allah um den Willen des Propheten Muhammeds (asm.) um Vergebung bitten
- Dalailin Nûr" und "Jawshanul Kebir" lesen
Die Wunder des heiligen Propheten Muhammad (s.a.s.) vor seiner Prophetie
(Aus dem 19. Brief - 16. Abschnitt - 3. Punkt - Bediüzzaman Said Nursi)
Hierunter fallen alle jene Wunder und diejenigen Ereignisse die vor seiner Prophetie des Ehrenwerten Gesandten, mit dem Friede und Segen sei, die sich vor und nach seiner Geburt gezeigt haben. Es sind die Geschehnisse, die sich im Zusammenhang mit seiner Geburt ereignet haben.
Des Weiteren gab es manche Ereignisse vor der Zeit seiner Berufung, von denen jedes einzelne ganz unmittelbar ein Wunder von ihm ist. Es gibt viele von ihnen. Als Beispiel wollen wir hier einige anführen, die besonders berühmt geworden sind und von den Hadithgelehrten bestätigt wurden, zuverlässige Erzählungen von hoher Authentizität.
*Erstens:*
In der Nacht, in welcher der Prophet geboren wurde, sahen sowohl seine Mutter, als auch die gleichfalls anwesende Mutter von Othman Ibn al-As und die Mutter von Abdurrahman ibn Avf, *ein gewaltiges Licht und sagten später alle drei: "Wir haben zur Stunde seiner Geburt ein Licht gesehen. Es war so ein Licht, von dem wir sahen, wie es den Osten und den Westen erleuchtete."
*Zweitens:*
In dieser Nacht stürzten viele der Götzen in der Kaaba kopfüber herab.
*Drittens:*
In jener Nacht erbebte der berühmte Palast des Chosro von Persien, spaltete sich und seine vierzehn Säulen stürzten um.
*Viertens:*
Ein kleiner See in der Gegend von Sava, der als heilig galt, versank in dieser Nacht in der Erde und das Heilige Feuer, das die Parsen verehrt und seit tausend Jahren bewacht hatten, das immer gebrannt hatte und nie ausgelöscht war, erlosch in dieser Nacht seiner Geburt.
So sind denn diese drei, vier Ereignisse ein Zeichen hierfür: "Diese soeben zur Welt gekommene Persönlichkeit wird einmal der Anbetung des Feuers ein Ende setzen, die Zerstörung des Palastes des Schahs von Persien bewirken und es verbieten, Dinge als heilig verehren, die es nicht durch Gottes Erlaubnis sind.
*Fünftens:*
Es gibt Geschehnisse, welche sich nicht unmittelbar in der Nacht seiner Geburt ereignet haben, dennoch aber zu den Zeichen seiner Prophetie hinzugezählt werden, weil sie zeitlich sehr nahe seiner Geburt lagen, wie z.B. der Zwischenfall mit dem Elefanten, der in der Sure 105 ("Fil") mit eindeutiger Klarheit beschrieben wird: Abraha, so hieß der König von Abessinien, war aufgebrochen, um die Kaaba zu zerstören. Da ritt er auf einem riesigen Elefanten voraus. Der Elefant hieß Mahmudi. Doch als sie in die Nähe von Mekka gekommen waren, ging dieser Elefant nicht mehr weiter. Und weil sie sich nicht mehr zu helfen wussten, traten sie den Rückzug an. Nun aber wurden sie von Scharen von Vögeln überfallen, vernichtend geschlagen und in die Flucht gejagt.
Diese wunderbare Geschichte wurde so berühmt, dass sie in die Geschichtsbücher eingegangen ist, wo sie in Einzelheiten berichtet wird. So gehört denn auch dieses Ereignis zu den Beweisen für die prophetische Sendung des Ehrenwerten Gesandten, mit dem Friede und Segen sei. Denn in dieser Zeit so kurz vor seiner Geburt wurde die Hochgeachtete Kaaba (mukerrem), die einmal seine Gebetsrichtung, sein geliebter Geburts- und Heimatort werden sollte, wie von unsichtbarer Hand auf wundersame Weise vor der Zerstörung durch Abraha bewahrt.
*Sechstens:*
Über dem Ehrenwerten Gesandten, mit dem Friede und Segen sei, haben Halima und ihr Gatte, zu einer Zeit, als jener noch ein Kind war und noch bei Halima Sa'diya weilte, oftmals ein kleines Wölkchen bemerkt, das ihm Schatten spendete, damit ihn die Sonne nicht belästige. Sie hatten den Leuten davon erzählt und so bekam dieses Geschehnis durch ihr Zeugnis seine Zuverlässigkeit und seine Berühmtheit.
In gleicher Weise sah und bezeugte der Mönch Bahira, als der Ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, im Alter von zwölf Jahren in die Gegend von Damaskus kam, ein kleines Wölkchen über ihm sah, das ihm Schatten spendete und wies auch die anderen darauf hin. Desgleichen erblickte einmal Chadischa al-Kubra, als der Ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, und auch dies war noch in der Zeit vor seiner Berufung zum Propheten, von einer Handelsreise mit dem Diener Chadischas, welcher Meyssara hieß, zurückkehrte, wie zwei Engel in Wolkengestalt dem Ehrenwerten Gesandten, mit dem Friede und Segen sei, Schatten spendeten. Sie sagte dies zu Meyssara, der ihr Diener war, und Meyssara sagte nun seinerseits zu Chadischa'tul Kübra : "Auf unserer ganzen Reise habe ich das gleiche beobachtet."
*Siebentens:*
Aufgrund einer authentischen Überlieferung steht fest, dass der Ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, noch vor seiner Berufung sich einmal unter einem Baume niederließ. Und obwohl doch der Platz dort trocken war, wurde er nun plötzlich grün. Die Äste des Baumes aber bogen sich herab, neigten sich über ihn und spendeten ihm ihren Schatten.
*Achtens:*
Der Ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, verbrachte seine Kindheit im Hause seines Onkels Abu Talib. Saßen Abu Talib mit Kind und Kegel mit ihm zusammen, so nahmen sie miteinander das Mahl ein und wurden alle satt. Nahm er jedoch nicht am gemeinsamen Mahle teil, so blieben sie hungrig. Auch dieses Ereignis ist berühmt geworden. Die Berichte darüber sind authentisch. Des Weiteren berichtete Ummi Eyman, die sich während der Kindheit des Ehrenwerten Gesandten, mit dem Friede und Segen sei, um ihn kümmerte und ihn versorgte: "Niemals beklagte sich der Ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei über Hunger oder Durst, nicht solange er noch klein war und auch später nicht, als er schon groß war."
*Neuntens:*
Halima Sa'diya, seine Amme, war im Gegensatz zu den übrigen ihres Stammes mit Überfluss gesegnet.
Sie verfügte über Besitz und über Ziegen, die ihnen Milch gaben. Diese Lebensumstände waren durchaus bekannt und die Berichte darüber sind authentisch. *Noch nicht einmal die Mücken taten ihm etwas. Sie setzten sich nicht auf seine gesegnete Haut und berührten auch nicht seine Kleidung.* Diese Eigenart zeigte sich auch bei Seyyid Abdulqadir Geylani (Allah heilige ihm sein Geheimnis) als ein Erbe seines großen Ahnen. Auch ihn berührte keine Fliege.
*Zehntens:*
Nachdem der Ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, zur Welt gekommen war, besonders aber in der Nacht seiner Geburt, konnte man einen Meteorregen beobachten. Dergleichen Ereignisse haben wir bereits im Fünfzehnten Wort mit unwiderlegbaren Beweisen erklärt. Diese Meteoritenschwärme waren Zeichen und Hinweis darauf, dass die Mitteilungen, welche die Satane und die Dschinnen aus der unsichtbaren Welt empfingen, nun abgebrochen wurden. Da nun einmal der Ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, mit größten und eigentlichen Offenbarung in diese Welt gekommen war, wurde es nun sicherlich notwendig, die Weissagungen der Wahrsager, der Medien der Unsichtbaren Welt und der Dschinnen, welche vermischt waren mit Halbwahrheiten und Lügen, abzuschirmen, sodass sie keinen Schatten des Zweifels auf die göttliche Offenbarung werfen konnten oder ihr ähnlich hätten erscheinen können. Denn es war ja in der Tat die Wahrsagerei in der Zeit vor dem Auftreten des Propheten weit verbreitet. Nachdem der Qur'an herabgesandt worden war, wurde dem jedoch ein Ende gesetzt. Ja es gelangten sogar viele Wahrsager zum Glauben. Denn sie konnten nun die Kontakte zu ihren Informanten unter dem Geschlecht der Dschinnen nicht mehr herstellen, d.h. der Qur'an hatte dies beendet. Doch erhebt nun auch heute wieder, gleich den Wahrsagern der alten Zeit in Europa eine neue Art Wahrsagerei in der Gestalt der Medien spiritistischer Gesellschaften ihr Haupt. Doch sei's drum...
Zusammenfassung
Es haben sich sehr viele Geschehnisse ereignet und sehr viele Persönlichkeiten sind aufgetreten, welche das Prophetentum des Ehrenwerten Gesandten, mit dem Friede und Segen sei, noch vor seiner Berufung zum Propheten bestätigten und auch anderen ein Anlass wurden, es zu bestätigen.
*Ja in der Tat sollte alles denjenigen, welcher der geistige Führer der Welt werden sollte und der das Antlitz der Erde geistig umformen und sie zu einem Saatfeld für die jenseitige Welt umgestalten, den Wert der Geschöpfe deutlich machen, Dschinnen und Menschen den Weg in die Ewige Glückseligkeit aufzeigen, die sterblichen Menschen und Dschinnen davor bewahren sollte, auf ewig verloren zu sein, die Weisheit hinter der Erschaffung der Welt entdecken, ihre Rätsel entschlüsseln und ihre Geheimnisse entschleiern, die Pläne des Schöpfers mit seiner Schöpfung verstehen und erklären, seinen Schöpfer erkennen und sie lehren sollte Ihn zu erkennen, seine Ankunft mit Sehnsucht erwarten, noch bevor er gekommen war, ihn festlich empfangen und freudig willkommen heißen. So sollte jedes Ding und alles, was da ist, jedes in seiner Art und alles, was da lebt, sobald es durch seinen Schöpfer davon Kunde erhalten hat, diese Botschaft auch weitergeben.* So wie wir schon den oben erwähnten Hinweisen und Beispielen entnehmen konnten, alles, was da erschaffen worden war, ihm durch seine Wunder seinen Willkommen erwies, so bestätigte es auch seine prophetische Sendung in der Sprache dieser Wunder.
[Er ist in der Tat der König mit dem Titel: "Um deinetwillen habe ich die Welt erschaffen." (Laulaka laulak) und der Regent eines Königreiches, das seit 1350 Jahren fortbesteht. Nach dem ersten Jahrhundert hatte er in jedem Jahrhundert mindestens 350 Millionen Untertanen und Gefolgsleute. Er scharte den halben Erdkreis unter seinem Banner und seine Untertanen bringen ihm jeden Tag ihre Segnungen und Friedenswünsche dar, wodurch sie ihren Bund mit ihm erneuern. Sie folgen seinen Befehlen in vollendeter Ergebenheit.]
Bediüzzaman - Briefe - 317
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Was ist der Grund dafür, dass der Freitag trotz des Hadiths, dass Muslime zwei Feiertage haben, als Feiertag gilt?
nach der Übersiedlung nach Medina sah der Prophet (Friede sei mit ihm), dass die Einwohner die iranischen Feste Nowruz und Mihricân feierten.
"Allah hat diese beiden Tage für euch durch zwei bessere Tage ersetzt, das Eid al-Adha und das Eid al-Fitr" (Musnad, III, 103, 235, 250; Abu Dâwûd, Salât, 245; Nasâî, Salât al-îdeen, 1)
Mit seinem Hadith verbot er das Feiern dieser beiden Feste im damaligen Iran.
Die Erwähnung von "zwei Festen" bedeutet hier nicht, dass es keine anderen Feste gibt. Es ist eine Erklärung, dass Allah den Muslimen zwei Feste geschenkt hat anstelle der zwei Feste, die von den Mekkanern übernommen wurden.
Daher ist der Freitag zusätzlich zu diesen beiden Feiertagen auch ein wöchentlicher Feiertag für Muslime. In einem Hadith heißt es:
"Wahrlich, dies ist ein Festtag, den Allah den Muslimen zugewiesen hat. Wer am Freitag kommt, soll baden und einen guten Geruch tragen, wenn er einen hat, und ich rate euch, miswak zu benutzen" (Ibn Mâja, Ikamat al-salât, 83)
Aus verschiedenen Hadithen geht hervor, dass der Freitag früher als wöchentlicher Tag der Anbetung für die Juden und die Christen festgelegt war, aber sie waren sich in dieser Frage uneinig, und die Juden nahmen den Samstag und die Christen den Sonntag als wöchentlichen Tag der Versammlung und der Anbetung an, und Allah gewährte den Muslimen den Freitag und ermöglichte ihnen, die Wahrheit in dieser Angelegenheit zu erreichen. (Muslim, Jumu'ah, 19-23)
So wurde der Freitag als wöchentlicher Tag für den gemeinsamen Gottesdienst im Islam gewählt, und in vielen Überlieferungen wird deutlich gesagt, dass dieser Tag ein Feiertag ist (Bayhaqī, al-Sunan al-qubrā, III, 243; Ibn Qayyim al-Jawziyya, I, 369).
Der Prophet (Friede sei mit ihm) sagte:
"Der beste Tag, an dem die Sonne aufgeht, ist der Freitag; Adam wurde an diesem Tag erschaffen, ging an diesem Tag ins Paradies ein und wurde an diesem Tag aus dem Paradies genommen, und der Tag des Gerichts wird am Freitag sein" (Muslim, Jumu'ah, 18)
Er drückte die Besonderheit dieses Tages mit einem Spruch aus. Er erklärte, dass Allah Seinen Dienern die Gelegenheit geben wird, Ihn an dem Tag zu besuchen, der "yawm al-madīd" genannt wird, was dem Freitag im Paradies entspricht, und dass Er sich ihnen zu diesem Zweck offenbaren wird (Ibn Qayyim al-Jawziyya, Zād al-maād I, 369-372, 408-410), und in einem anderen Hadith berichtete er, dass es einen Moment ("Stunde der Antwort") gibt, in dem die an diesem Tag verrichteten Gebete angenommen werden (Hakim, al-Mustadrek, I, 279).
Es wurde gesagt, dass die Sünden derjenigen, die zwischen diesem Tag und dem vorhergehenden Freitag begangen wurden und am Freitag nach der körperlichen Reinigung zum Masjid gehen, dort der Hutba zuhören und das Gebet verrichten, vergeben werden (Bukhari, Jumu'ah, Jumu'ah, 6, 19; Muslim, Jumu'ah, 26), und es wurde berichtet, dass das Herz desjenigen, der drei Freitagsgebete verlässt, ohne diesem Tag Aufmerksamkeit zu schenken, versiegelt wird (Abu Dawud, Salât, 204).
Die Feste der Araber der Jahiliyyah trugen Spuren der Jahiliyyah-Kultur des Götzendienstes, die der Islam zu zerstören und zu verändern suchte, und diese Spuren mussten für die Errichtung der islamischen Revolution ausgelöscht werden, also änderte der Prophet (Friede sei mit ihm) sie und legitimierte zwei Feste, die für die religiösen Überzeugungen, Ideen und das Leben der Muslime von Bedeutung waren.
Er hat jedoch die Anbetung, die Bräuche und die Zeremonien, die keine Spuren der Jahiliyya tragen, nicht abgeschafft, im Gegenteil, sie spiegeln die Praxis des Islams, der die gemeinsame Religion aller Propheten ist, in den vergangenen Perioden wider und wecken gute Erinnerungen, und er sah keinen Schaden darin, sie zu befolgen, sondern sah den Nutzen darin, weiterhin zur Entwicklung des Glaubens an einen einzigen Gott (Tawhid) zu betonen. Als zum Beispiel der Gesandte Allahs (Friede sei mit ihm) nach Madîna kam, sah er, dass die Juden am Aschûrâ-Tag fasteten, erkundigte sich danach und erfuhr, dass dies der Tag war, an dem der Prophet Moses und sein Volk von der Plage des Pharaos befreit wurden und dass sie fasteten, um ihm zu gedenken, und er sagte: "Wir sind Moses näher als ihr (die Juden)" (Muslim, Sıyâm, 127 u.a.).