Darf ein Mann seine Frau schlagen? Hat er das Recht dazu und was steht dazu im Koran?
Darf ein Mann seine Frau schlagen? Hat er das Recht dazu und was steht dazu im Koran?
Gespeichert von am Mi., 18/05/2011 - 19:43
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Kontext der Koranexegese muss gesagt werden, dass reine Übersetzungen oftmals auch mit einer - manchmal kleinen, manchmal großen - Verfälschung des Originals einher gehen. So kommt es, dass z.B. ein Text durch die Hände mehrere Editoren schließlich sich vom Original so weit entfernt, dass diese mit Vorsicht zu genießen sind. Den Qurʾān zu übersetzen ist sogar noch schwieriger, denn dabei handelt es sich nicht etwa um ein Roman eines privaten Authors. Es geht um das festgesetzte und unverfälschbare Wort Gottes zur Rechtleitung der Menschheit. Aufgrund dieser Sensibilität haben die Gelehrten auch tendenziell davon abgesehen, kontextfreie 1:1 Übersetzungen zu verfassen. Sie haben sich intensiver mit den möglichen Interpretationen und Verständnisvarianten beschäftigt.
Die Männer stehen in Verantwortung für die Frauen wegen dessen, womit Allah die einen von ihnen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Besitz (für sie) ausgeben. Darum sind die rechtschaffenen Frauen (Allah) demütig ergeben und hüten das zu Verbergende, weil Allah (es) hütet. Und diejenigen, deren Widersetzlichkeit ihr befürchtet, - ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie. Wenn sie euch aber gehorchen, dann sucht kein Mittel gegen sie. Allah ist Erhaben und Groß. (4/34)
Es folgt nun mehrmals ein und derselbe Vers, allerdings aus den unterschiedlichen Übersetzungen.
• „…Diejenigen aber, deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet, warnt sie, meidet sie in den Schlafgemächern und schlagt sie…“ (Rasul)
• „…Und wenn ihr fürchtet, daß (irgendwelche) Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch (daraufhin wieder) gehorchen, dann unternehmt (weiter) nichts gegen sie! Allah ist erhaben und groß.“ (Paret)
• „…Die Frauen, bei denen ihr fürchtet, sie könnten im Umgang unerträglich werden, müsst ihr beraten. Wenn das nichts nützt, dürft ihr euch von ihren Schlafstätten fernhalten; wenn das nichts nützt, dürft ihr sie (leicht) strafen (ohne sie zu erniedrigen)…“ (Azhar)
• „…Und diejenigen Ehefrauen, deren böswillige trotzige Auflehnung ihr fürchtet, diese sollt ihr (zunächst) ermahnen, dann in den Ehebetten meiden und (erst danach) einen (leichten) Klaps geben…“ (Zaidan)
• „…Ermahnt diejenigen, von denen ihr Widerspenstigkeit befürchtet, und entfernt euch von ihnen in den Schlafgemächern und schlagt sie…“ (Khoury)
Das ist immer ein und derselbe Vers aus den unterschiedlichen Übersetzungen, die es in der deutschen Sprache gibt. Schnell werden Unterschiede ersichtlich. Das original arabische Wort aus dem Qur´an lautet „daraba“. Während es als "schlagen" übersetzt wird, wird je nach Ansprechpartner auch „jemanden mit Nachdruck nahe legen sein Verhalten zu ändern“ unter "daraba" verstanden.
Es gibt genug Überlieferungen, die dem Mann vom Schlagen abmahnen. Hier ist eine exemplarische Überlieferung:
Jener, der seine Frau am Tage geißelt, wie kann dieser am Abend mit ihr (seiner Frau) in das gleiche Bett steigen? (Buhari, Nikah 93; Ebu Davud, Nikah 60)
Insgesamt und vor allem wenn man auf die Meinung der Gelehrten, Überlieferungen und das Verständnis der mehrheitlichen Muslime achtet, fühlen wir uns wohl damit zu sagen, das Schlagen bzw. die körperliche Gewalt der Ehefrau als Recht des Ehemannes steht nicht im Einklang mit unserem Verständnis der Ehe im Sinne Gottes. Die Frau ist kein Stück Fleisch und der Mann ist sicher nicht Herr. Beide sind Diener und nur Gott ist Herr. Wenn man also der Meinung ist nach dem Vers zu handeln, sollte man diesen auch gebührend analysieren und sich damit auseinandersetzen. In knappen Worten würden wir sagen, eine kulturell akzeptable Praxis ist an Ort und Zeit gebunden und damit wandelbar. Was dort gilt, kann hier nicht mehr gelten. In Kombinationen mit den Handlungsempfehlungen aus den Überlieferungen verstehen wir den besagten Wortlaut im Vers als eine Form der Ermahnung, nicht aber als körperliche Gewalt.
Man sollte nicht immer aufgrund eines oder mehrerer Fehlverhalten der Muslime direkt auf den Islam zurückführen. Neben dem Islam gibt es eine Reihe von noch größeren Einflussfaktoren, die die Einstellung eines Mannes gegenüber der Frau prägen, wie zum Beispiel die Kultur, die Erziehung, das Umfeld usw. Es ist immer ein Mensch der handelt, egal welcher Konfession er angehört. Es wäre naiv zu denken, dass das Handeln eines Menschen monokausal, also durch eine Ursache zu erkären ist. In Wahrheit kommt das Handeln eines Menschen durch eine Vielzahl von Faktoren zusammen, die komplex miteinander verwoben sind. Daher muss man sich auch die Frage stellen, welche Verbindung jener Mensch zur Religion überhaupt hat und welche vielleicht auch nicht.
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