Kann man früher mit dem Fastenmonat anfangen wenn man den Mond schon sieht?
Manchmal kommt es dazu, dass in diversen Ländern mit der Begründung den Mond gesichtet zu haben mit dem Fastenmonat früher begonnen wird. Was ist der Maßstab bei der Sichtung des Mondes? Wie sollten sich die Menschen bei diesen Angelegenheiten verhalten?
Gespeichert von am Do., 07/06/2018 - 18:56
Liebe Leserin, lieber Leser,
unser ehrenwerter Prophet (s.a.s.) setze die Sichtung des Mondes beziehungsweise der Mondsichel (als Indikator eines Monatsbeginns) als Bedingung für den Beginn des Fastens. Man spricht in diesem Kontext auch vom Neulicht, welches kurz nach dem Neumond stattfindet. Diesbezüglich können folgende Überlieferungen beispielhaft genannt werden:
ʿAbdallāh ibn ʿUmar (r.a.) berichtet, dass der Gesandte Gottes (Frieden und Segen seien auf ihm) vom Ramadan sprach und sagte: „Fastet nicht bis ihr den Sichelmond (al-hilāl)seht, und dann esst nicht (d.h. hört mit dem Fastenmonat nicht auf)bis ihr den Sichelmond erneut seht. Wenn Wolken dazwischen kommen (eure Sicht einschränken), so schätzt den Monat ab.“ (Buḫārī, Ṣaum: 11; Muslim, Ṣiyām: 9; Muwaṭṭaʾ, Ṣiyām: 1; Abū Dāwūd, Ṣaum: 4; Nasāʾī, Ṣaum: 10, 11)
Unsere ehrenwerte Mutter ʿĀʾiša (r.a.) berichtet:
„Der Gesandte Gottes (Frieden und Segen seien auf ihm) berechnete von keinem Monat die Tage so genau, wie die Tage des Monats Šaʿbān. Wenn er dann die Mondsichel des Monat Ramadan (unmittelbar nach dem Neumond)sichtete, begann er mit dem Fasten. Wenn Wolken dazwischen waren (sodass er den Mond nicht sehen konnte), ging er von 30 Tagen (im Šaʿbān) aus und begann danach mit dem Fasten des Ramadan.“ (Abū Dāwūd, Ṣaum: 6)
Wie aus den Überlieferungen hervorgeht, ist die Sichtung der Mondsichel und damit des Neulichts ausschlaggebend für den Beginn des Ramadan. Der Mond und seine Bewegungsintervalle entsprechen einem bestimmten und von Gott festgesetzten Ablauf. Von dieser programmatischen Ordnung weicht der Mond nicht ab. In der heutigen Zeit können aufgrund des wissenschaftlich-technologischen Stands alle Phasen und Positionen des Mondes durch Berechnung (sogenanntes arithmetisches oder zyklisches Datum) und Beobachtung weit im Voraus präzise genannt und datiert werden, sodass anstelle der Sichtung des Mondes mit dem bloßen Auge die Informationen entsprechender Fachleute und Wissenschaftler genügen können.
In diesem Zusammenhang ist besonders folgende Überlieferung von Bedeutung:
ʿAbdullāh ibn ʿAbbās (r.a.) berichtet:
Ein Beduine kam zum Gesandten Gottes (s.a.s.) und sagte:
„Ich habe den Hilāl (Neulicht des Ramadan)gesehen.“
Der Gesandte Gottes (s.a.s.) erwiderte:
„Bezeugst du, dass es keine Gottheit außer Allah gibt?“
Als der Mann mit „Ja!“ antwortete, sprach der Prophet (s.a.s.): „Oh Bilāl! Verkünde den Menschen sie mögen morgen (beginnen zu)fasten!“ (Abū Dāwūd, Ṣaum: 14; Tirmiḏī, Ṣaum 7; Nasāʾī, Ṣaum: 8; Ibn Māǧa, Ṣiyām: 6)
Der Prophet (s.a.s.) akzeptiert das Zeugnis eines Beduinen bezüglich der Sichtung des Mondes. Wenn man bedenkt, dass der Prophet (s.a.s.) die Aussage eines Beduinen zur Grundlage nimmt, so scheint es sehr willkürlich und fragwürdig, dass heute manche Menschen die in diesem Bereich qualifizierten Wissenschaftler und Experten samt ihrer Erkenntnisse ignorieren.
Darüber hinaus führen derartige Divergenzen zu Fitna und Disharmonie unter den Muslimen, sodass Zwiespalt und Konflikte zwischen den Gläubigen ermöglicht werden. Es sollte bedacht werden, dass der Koran in der Sure al-Baqarah die Fitna sogar als etwas schlimmeres als das Morden darstellt. (2:191)
Der Prophet (s.a.s.) betonte, dass Taten wie das Fasten im Ramadan sowie das Zelebrieren des ʿĪd-Festes gemeinsam und als gemeinschaftliche Ummah ausgeführt werden sollten, damit sie vollkommen und wahrhaftig sein können:
Es berichtete Abū Huraira (r.a.):
Der Gesandte Gottes (Frieden und Segen seien auf ihm) sagte:
„Das Fasten ist am Tag an dem ihr (alle gemeinsam)fastet, das(wahrhaftige)Fastenbrechen ist am Tag an dem ihr gemeinsam euer Fasten brecht und das Opfern(am ʿĪdu l-Aḍḥā/Opferfest) ist am Tag an dem ihr (alle gemeinsam)opfert. (Tirmiḏī, Ṣaum 11; Abū Dāwūd, Ṣaum: 5)
Innerhalb dieser Thematik ist der Aspekt der variablen Anzahl der Tage des Ramadan auch von Bedeutung. So kann der Ramadan - wie es für die lunare Kalenderrechnung, welche sich am Lauf des Mondes orientiert, typisch ist - in manchen Jahren 29 und in manchen 30 Tage haben. Auf diese auch wissenschaftlich ergründete Gegebenheit wies auch der Prophet (s.a.s.) in den Überlieferungen hin.
Faktoren wie die Neigung der Erdachse und die elliptische Umlaufbahn des Mondes - welcher außer der Erdanziehungskraft auch der Anziehungskraft der Sonne und der übrigen Planeten ausgesetzt ist, womit seine Bahn merklich von einer reinen Keplerellipse abweicht – sorgen für variierende Distanzen die der Mond bei einem Umlauf zurücklegt, wodurch Unterschiede bei der Anzahl der Tage eines Monats entstehen können.
In den Überlieferungen in denen der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) auf diese Variabilität hinweist, finden wir unter anderem folgende Aussagen:
ʿAbdullāh ibn ʿUmar (r.a.) berichtet:
Der Gesandte Gottes (s.a.s.) sprach: „Der Ramadan ist so, so und so.“ und dabei zeigte er beide seiner Hände zwei Male mit allen Fingern und einmal mit eingeknicktem rechtem oder linken Daumen.(Er zeigte somit die Anzahl der Tage anhand der Summe seiner gezeigten Finger)
In einer unter anderem in Buḫārī und Muslim verzeichneten Überlieferung heißt es:
Der Prophet (s.a.s.) sprach: „Wir sind Analphabeten. Wir wissen weder zu schreiben noch zu rechnen. Der Mond ist so und so.“ Dabei zeigte er einmal 29 und einmal 30. (Buḫārī, Ṣaum: 13; Muslim, Ṣiyām: 13-15; , Abū Dāwūd, Ṣaum: 4; Nasāʾī Ṣaum: 17)
Dementsprechend begann der Prophet (s.a.s.) das Fasten dann, wenn er das Neulicht beziehungsweise den Sichelmond (als Hinweis auf den Beginn des Monats, in diesem Falle den Monat Ramadan) und beendete den Fastenmonat mit der Zelebrierung des ʿĪd al-Fiṭr-Festes, sobald er das Neulicht beziehungsweise den Sichelmond des Šawwāl-Monats sichtete.
Er war sehr präzise bei dieser Praxis und regte alle zur Beobachtung des Mondes an. Wenn jemand das Neulicht sichtete, so ließ er das Fasten basierend auf seinem Zeugnis beginnen. Heute zu behaupten, dass die Sichtung des Neulichtes beziehungsweise der Mondsichel mit dem bloßen Auge zu erfolgen hat, gleicht einem Zwang und stellt eine unplausible Forderung dar.
Es kommt also darauf an, den Hilāl in den Abendstunden zu sichten. Da die Mondsichel am ersten Tag sehr schmal und fein ist, ist eine Sichtung nicht für alle möglich. Das Sichten und Beobachten des Mondes mit Teleskopen und anderen Hilfsmitteln der Astronomie ist selbstverständlicherweise nichts anderes als die Sichtung des Sichelmondes mit den Augen.
Die Aussage des Propheten (s.a.s.): „Wir sind (als Volk) Analphabeten, wir wissen weder zu schreiben noch zu rechnen.“ weist implizit daraufhin, dass eine Berechnung der Mondphasen theoretisch möglich ist.
Die Astronomie als Wissenschaft mit samt ihren Methoden und Erkenntnissen war zur damaligen Zeit nicht so weit ausgeprägt wie in der Moderne. Hingegen sind gegenwärtig Dinge wie die Beobachtung des Mondes und die Verifizierung des Beginns des Ramadan und des Šawwāl zu simplen Angelegenheiten für die Astronomie geworden.
So wie die exakte und sekundengenaue Berechnung von Ereignissen wie die Sonnen- und Mondfinsternis durch Astronomen erfolgt und diese Ereignisse tatsächlich den Berechnungen entsprechen, so ist die Berechnung der Mondphasen eine ebenfalls präzise Angelegenheit. Auch am Beispiel der Gebetszeiten sehen wir, dass diese zur Zeit des Propheten (s.a.s.) visuell identifiziert wurden wohingegen heute eine auf die Minute genaue Uhrzeit definiert werden kann.
All dies ist jedoch kein Widerspruch und kein Hindernis dafür, dass der Mond mit dem bloßen Auge beobachtet wird oder dass man die visuelle Sichtung gänzlich ersetzt.
Die oben erwähnte Überlieferung, in welcher der Prophet (s.a.s.) die Muslime dazu aufruft, gemeinsam zu agieren und auf das Gemeinsame zu achten, ist ebenfalls richtungsweisend in diesem Zusammenhang.
Folglich kann festgehalten werden, dass beide Arten der Sichtung zulässig sind. Mit Blick auf den Zweck des Ramadan und die Vermeidung von Zwietracht wird daher empfohlen, sich in Bezug auf Beginn und Ende des Ramadan an die örtliche Gemeinde beziehungsweise die Familie und das Umfeld zu orientieren.
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