Wenn es nur einen Gott gibt warum wird spricht Gott dann im Koran mit "wir"?
müsste es nicht eher "ich" heißen?
Gespeichert von am Fr., 20/11/2015 - 08:56
Liebe Leserin, lieber Leser,
zunächst gilt zu sagen dass der koranische Ausdruck „wir“ nicht ständig vorkommt. Je nach Stelle kommt auch der Ausdruck „ich“ vor und das ändert sich je nach Erklärungsweise der jeweiligen Thematik. An den folgenden Versen kann man dies gut erkennen:
O Kinder lsra´ils, gedenkt Meiner Gunst, die Ich euch erwiesen habe! Und haltet euren Bund Mir gegenüber, so will Ich Meinen Bund euch gegenüber halten! Und vor Mir (allein) sollt ihr Ehrfurcht haben. Und glaubt an das, was Ich (als Offenbarung) hinabgesandt habe, das zu bestätigen, was euch bereits vorliegt. Und seid nicht die ersten, die es verleugnen. Und verkauft Meine Zeichen nicht für einen geringen Preis. Und Mich allein sollt ihr fürchten. (Sura al-Baqara 40-41)
Und wenn dich Meine Diener nach Mir fragen, so bin Ich nahe; Ich erhöre den Ruf des Bittenden, wenn er Mich anruft. So sollen sie nun auf Mich hören und an Mich glauben, auf daß sie besonnen handeln mögen. (Sura al-Baqara 186)
Und Ich habe die Djinn und die Menschen nur dazu erschaffen, daß sie Mir dienen. (Sura aḏ-Ḏāriyāt 56)
Dies sind nur einige Beispiele und es gibt auch mehr zu nennen wo es eine direkte Ansprache gibt. Wenn man diese Verse betrachtet sieht man dass sie direkt mit Gott selbst zu tun haben und vermittelnde Instanzen oder Mittel sind hier nicht zu denken.
Bei den Ansprachen mit „ich“ haben die Verse häufig mit Gott selbst zu tun. Bei den Ansprachen mit „wir“ gibt es in den Versen häufig eine vermittelnde Instanz oder Mittel.
Wir sehen z.B. dass bei sämtlichen Versen wo es um die Herabsendung des Qurʾāns geht, eine Ansprache mit "wir" vorliegt. Da sämtliche Verse durch Offenbarungen herabgesandt wurden, gab es zwischen Gott und den Propheten (s.a.s.) den Verrmitler der Offenbarungen, der Engel Ǧibrīl (a.s.).
Bei den Versen wie mit dem Ausdruck „und wir ließen die Wolken euch überschatten“ (Sura al Baqara 57) ist es Gott der die Tat bewirkt und die Ausführer der Tat sind die Engel als Beamte Gottes. Man darf den Begriff der Beamten Gottes allerdings nicht so verstehen, wie der Mensch seine Beamten als Erleichterung verwendet. Der Mensch ist bedürftig und braucht daher Beamte zur Bewältigung des Lebens. Gott setzt die Engel allerdings ein um die Wirkungskraft und Herrschaft über den Kosmos zu verkündigen und mit ihnen seine Majestät mitzuteilen.
Viele Exegeten besagen ohnehin dass Gott der Allmächtige in solchen Versen seine Ansprache mit seiner Allmacht, Heiligkeit und Größe gestaltet. Gott drückt also mit seinen Eigenschaften auch seine Größe und Gewalt aus:
Wir, ja Wir haben die Ermahnung hinabgesandt, und Wir werden sie gewiß bewahren. (Sura al-Ḥiǧr 9)
Hier wird gleich mehrmals der Ausdruck „wir“ benutzt. Dadurch wird die Größe Gottes und gleichzeitig die Wichtigkeit des Themas ausgedrückt.
Der Gelehrte Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī besagt bei seiner Auslegung der Sura al-Kawṯar dass der Ausdruck "wir" an dieser Stelle die Größe Gottes darstellt. Denn Gott, der den Propheten (s.a.s.) die Offenbarung geschenkt hat, ist der Herr über Himmel und Erde. Das Geschenkte gewinnt Wert mit der Größe des Geschenkgebers
Der Gelehrte „Bediüzzaman“ Said Nursi greift diese Thematik auch auf anhand dem 34. Vers der Sura al-Baqara. Es ist ein Hinweis darauf dass Gott bei der Schöpfung und Wirkung keine Mittel hat, aber es gibt Mittel bei der Ansprache und Anrede Gottes.
An dem 105. Vers der Sura an-Nisāʾ legt er folgendes aus:
So wie das im Vers auf die Größe Gottes hinweisende „wir“ auf ein Mittel zur Offenbarung hinweist, so weist auch der Satz „Gott zeigt dir“ darauf hin dass es keine Mittel gibt bei der Inspiration der Ausdrücke der einzigartigen Majestät. (İşaratü'l-îcaz, s. 230)
Demnach stellt die unterschiedliche Ansprache in den Versen keinen Konflikt mit der Einheit Gottes dar.
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