Zwischen Ehrfurcht und Hoffnung - Zwei essenzielle Kräfte im Glauben

 

Der Mensch, so wie er im Qurʾān angesprochen wird, hat sowohl Grund zur Freude als auch Grund zur Angst. An mancher Stelle wird ihm Entlohnung versprochen, während er an anderer Stelle bedroht wird. Angst und Hoffnung sind also zwei starke Triebfedern, die das Verhalten des Menschen formen. Angst und Hoffnung sind auch alltäglich. Menschen haben Angst vor Dunkelheit, verlassen zu werden oder vor Spinnen. Hoffnung kann auch viele Gesichter haben. Die Hoffnung auf einen neuen Job, Hoffnung dass die Liebe erwidert wird oder aber dass ein guter Film im Fernseher läuft. Angst und Hoffnung können also verschiedenste Formen annehmen doch lautet die Frage nun wie man Angst und Hoffnung im religiösen Sinne verstehen muss. Wie sieht Angst und Hoffnung bezüglich Gott aus? 

Ḫauf und raǧāʾ sind die beiden Begriffe die man in religiösen Texten diesbezüglichen finden kann. 

Ḫauf bedeutet "Angst, erschrecken, Ehrfurcht" und raǧāʾ bedeutet "Ambitionen, Hoffnung, Bitte, Wunsch".

Das ruhige Wasser ist nicht so schön wie das gewellte Meer. Die nach links und rechts schwingenden Äste zeigen mit dem Wehen des Windes eine schönere Aussicht als die ruhigen Bäume. Wir können den Wind nicht sehen, wenn wir ihn sehen könnten, könnten wir ihn wie ein welliges Meer beobachten.

Die harmonischen Schwingungen der Äste sind das Ergebnis der Winde die wie Wellen toben. Hier ist der menschliche Geist gleich dem welligen See, gleich dem Baum, dessen Äste schwingen. Engel sind wie ruhiges Wasser, stille Pflanzen. Der menschliche Geist ist den Wind ausgesetzt, welches eine Analogie zu seiner Prüfung im Diesseits ist. Das menschliche Herz ist unentschlossen, stets im Wandel.

Diese unaufhörliche Veränderung in der menschlichen Seele, diese intermittierende Fluktuation verleiht ihr eine gewisse Schönheit. Er bringt ihn zu einer Position über den Engeln. Die einzelnen Stoffe mit kontrastierenden Farben werden im Herzen zu einem einzigen Stoff zusammengenäht. Die Attribute des Schöpfers, Majestät und Schönheit zeigen sich im Herzen des Menschen und bringen das Herz und die Seele zur Vollkommenheit. Gewalt und Segen vereinen sich in ihm als Zustimmung.

Dieser Kontrast im Herzen führt zwei getrennte Schlüsse im Herzen hervor: Ehrfurcht und Hoffnung.

Eine art süße Angst: Das man vor Gottes Majestät, Gewalt und Größe Ehrfurcht empfindet... eine angenehme Hoffnung: Das man in Gottes Gnade, Segen und Darbietung stets hoffnungsvoll verbleibt...

Die Menschen, die die Weltliche Prüfung gewinnen, glauben an Gott mitsamt all seiner Eigenschaften, Handlungen und Namen. Während allgewaltige Namen Angst und Ehrfurcht in ihren Herzen erzeugen, erfüllen die wunderschönen Namen ihre Herzen mit Hoffnungen, Glückseligkeit und Zufriedenheit ...

Sie unterliegen einem doppelten Test, der als Gebote und Verbote bezeichnet wird. Gebot und Verbot kreuzen den Weg des Menschen und oft bleiben sie dabei zwischen Recht und Unrecht verunsichert. Gutes für Gott zu tun bildet eine rechtschaffene Tat, dem Bösen zu widerstehen bildet Frömmigkeit in Gottesfurcht. Wenn man rechtschaffene Taten vollbring öffnet sich das Tor zur Hoffnung, und wenn die Frömmigkeit in Gottesfurcht erlangt wird, öffnet sich das Tor zur Ehrfurcht. Beide Türen münden im selben Raum: im Paradies.

Ein Illustration aus der Schöpfung Gottes bringt uns diese Glaubenswahrheit näher:

In dem Mittelpunkt der Erde brennt das Magma wie ein Ofen. Oben wirft die Sonne meilenweit ihre Flammen. Und schließlich halten Menschen und Tiere, Meere und Wälder ihre Existenz zwischen diesen beiden Feuern aufrecht.

Der spirituelle Geist des Menschen verläuft auch zwischen den beiden Feuern: Triebseele („nafs“) und Satan. Angesichts dieses Bildes sollten die Menschen folgendermaßen nachdenken: Da mein Körper sein Leben zwischen Sonne und Magma fortsetzt; ist meine Seele immer noch gläubig, angesichts des Teufels und meiner Bösartigkeit. In diesem Fall gibt es keinen Grund, sich von Allahs Gnade die Hoffnung abzuwenden. Und da ich mich nichtmal für einen Moment von diesen beiden Feuern beruhigen kann, ist es unsinnig zu glauben, ich bin vor Gottes Pein immer sicher.

Ehrfurcht und Hoffnung sind die Eigenschaften der Gläubigen. Wenn es dem Geist entzogen wird, zeigt sich die Gefahr des Unglaubens. Eine Person, die keinen Angst hat, betritt einen Weg der Rebellion und das Ende dieses Weges ist die Gefahr, dem Unglauben ausgesetzt zu sein. Verminderte Hoffnung führt zur Verzweiflung. Und das ist eine anderer Weg, der letztendlich im Unglauben münden wird.

Einige der Verse im Qurʾān, sprechen von froher Botschaft und vom Paradies für die Gläubigen, während einige Verse die Ungläubigen mit der Hölle drohen und sie warnen. Wie das Herz im Rhythmus schlägt und still bleibt, erlangt der Mensch durch die Balance zwischen Ehrfurcht und Hoffnung Glückseligkeit.

Die Sure al-fātiḥa ist wie ein Index des Qurʾān, quasi eine Zusammenfassung oder Quintessenz des Qurʾān. Dort wird von Ehrfurcht und Hoffnung folgendermaßen gesprochen:

 

Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen. (Alles) Lob gehört Allah, dem Herrn der Welten, dem Allerbarmer, dem Barmherzigen, dem Herrscher am Tag des Gerichts. Dir allein dienen wir, und zu Dir allein flehen wir um Hilfe. Leite uns den geraden Weg, den Weg derjenigen, denen Du Gunst erwiesen hast, nicht derjenigen, die (Deinen) Zorn erregt haben, und nicht der Irregehenden!

 

Der Geist eines Gläubigen, der diese Sure liest, wandert zwischen Ehrfurcht und Hoffnung, auch wenn er es nicht bewusst fühlt.

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