FAQ Häufigsten Fragen zum Freiheit

1 Was sind die Grundrechte eines Menschen im Islam?

Liebe Leserin, lieber Leser


Der Islam gewährt den Menschen eine ganze Reihe von Grundrechten. Viel wichtiger aber ist die Realisierung dieser Rechte, worauf besonders Wert gelegt wird. Um den Grad der Bedeutung der vom Islam eingeführten Grundrechte besser begreifen zu können, sollten wir uns einmal die Welt vor dem Islam genauer ansehen. Dieser Einblick in die vorislamische Zeit wird offen legen, welche fundamentale und übernatürliche Revolution der Islam ausgelöst hat, die wiederum schon seit über 1400 Jahren fortbesteht.

1. Sämtliche Länder dieser Erde waren von Monarchen regiert. Die Imperatoren, Diktatoren, Könige usw. hatten bezüglich ihrer eigenen Bevölkerung absolute Herrschaftsbevollmächtigung, d. h. sie konnten mit ihrem Volk machen was sie wollten (Erhängen, Abschieben, Kerkerhaft usw.), ohne sich für ihre Taten rechfertigen zu müssen. Die einstigen Herrscher mussten sich für ihre Gräueltaten vor niemanden Rechtfertigen, das gab es nicht.

2. Die Menschen waren in Klassen unterteilt. Die nahe Verwandtschaft des Regierenden Monarchen gehörte einer privilegierten Schicht (dem Adel) an. Neben dieser höheren Herrenschicht gab es die untere Volksschicht (Bauernschicht), woraus der größte Teil der Bevölkerung bestand. Dieses war die erniedrigte, unterdrückte Schicht, dessen (Menschen) Rechte und Würde mit Füßen getreten wurde. Zwischen diesen beiden Schichten gab es Abgrundtiefe unterschiede.

3. Es gab noch dazu die Sklaverei, welche auf barbarischste Art und Weise praktiziert wurde. Die Ehre und Würde eines Menschen (vor allem aus der Unterschicht) wurde nicht respektiert, geschweige denn akzeptiert.

4. Die damaligen Menschen wurden abhängig von ihrer Rasse und Hautfarbe unterschiedlicher Behandlung ausgesetzt. Sie wurden nicht nach ihrem Verstand, Intellekt, Bildung, oder nach ihrem Talent, Anstand und Vernunft gemessen, sondern es galt bloß die Überlegenheit der Rasse, Herkunft, Abstammung und sonst nichts.

5. Grundrechte oder Unabhängigkeit hatte keiner dieser damaligen Menschen. Elementare Grundrechte wie die Glaubens- und Religionsfreiheit, sowie Gewissensfreiheit oder das Recht auf Eigentum (Haus, Gut oder Grund) waren nicht vorhanden. Ebenso gab es keine Meinungsfreiheit und ähnliche Grundrechte eines Menschen, die heutzutage absolut selbstverständlich sind. Sie waren nicht einmal im Ansatz vorhanden oder gar geplant. Für den einfachen, durchschnittlichen Bürger gab es das alles nicht und es war für sie auch nie Gesprächsthema. Die Menschen waren aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit und Glaubensansichten verfolgt und unterdrückt worden, sowie unvorstellbarer Pein ausgesetzt. Ihre Menschlichkeit wurde in höchstem Grad misshandelt und unterdrückt. Die uns bekannten und vertrauten gesetzlichen Grundrechte eines heutigen Menschen gab es damals nicht.

6. Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, die gesetzesrechtliche Herrschaft und die gesetzliche Regelung von Recht und Unrecht, sowie die Individualität der Bestrafung, d. h. nur die Bestrafung des Übeltäters und nicht die der seiner ganzen Familie, oder der Verwandtschaft. An die Unabhängigkeit und die unparteiliche Gerichtsbarkeit, an all das war nicht einmal im Traum zu denken. Die individuellen Befehle und der alleinige Wille der Monarchen war Gesetz. Die gleiche begangene Schuld wurde je nach Herkunft und Abstammung des Täters unterschiedlich bestraft, bzw. gar nicht bestraft. Meistens bekamen die aus der höheren Schicht sanfte bzw. gar keine und die aus der unteren Schicht harte, z. T. unvertretbare harte Bestrafungen. Der Schuldspruch war abhängig von der Schicht aus der man stammte.

Als die Erde sich in solch einem dunklen Zeitalter befand kam der Islam (Religion) und brachte der Menschheit den allergrößten Geistesumsturz den die Welt je gesehen hat. Mit einer unvoreingenommenen und ehrlichen Betrachtung, sei es im Koran, sei es in der Sunna des Propheten (sav), wird man erkennen, dass die in der heutigen westlichen Welt ausgestrahlten, publizierten Menschenrechte, sowie Menschenrechtserklärungen der Islam schon Jahrhunderte zuvor (über 1400 Jahren um genau zu sein) erkennbar verkündet hat. Schon damals wurden durch den Islam die grundlegenden Intentionen und Ziele der heutigen Menschheit festgelegt und angewendet. Die Bergpredigt (Abschlusspredigt) des Propheten Muhammad (sav), die er während seiner letzten Pilgerfahrt im Jahre 632 n. Ch. vor mehr als 100 000 (gläubigen) Muslimen gehalten hat ist der größte Beweis und ein offensichtliches Zeugnis dessen. Diese Rechtweisung (Hutbe) wurde also 1157 Jahre vor der Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789 in Frankreich mit den Schlagworten Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit manifestiert.

Der Mensch besitzt eine Bedeutsamkeit, die ihn von anderen Lebewesen absolut unterscheidet. Diese wichtige Bedeutung wächst zunehmend mit seinem Glauben an Gott und der Befolgung Seiner Gebote. Dadurch (erst) wird der Mensch zum ansehnlichen und ehrenhaften Gast in diesem Universum. Der Mensch erlangt den Status des Menschseins mit seiner Geburt, bzw. schon im Mutterleib durch die Bildung zum Mensch (Miniatur) und trägt diese große Bedeutung sein Leben lang. Die Ehre ein Mensch zu sein umfasst alle Menschen, gleichgültig welcher Rasse oder Hautfarbe.

Egal ob Mann oder Frau, Schwarz oder Weiß, Dick oder Dünn, Stark oder Schwach, Reich oder Arm, Jude, Christ oder Muslim, die Ehre ein Mensch zu sein und die damit verbundene Wertigkeit impliziert alle Menschen. Der Schatten der Barmherzigkeit Gottes umfasst sie alle. In dieser Art und Weise schützt der Islam jedes Individuum vor der Unterdrückung, vor der Missachtung seiner Ehre und Würde, vor der Beraubung seines Guts, der Zerstörung seines Wohnsitzes, vor dem Verlust seiner Identität und vor der Unterdrückung seines Gewissens und seiner Glaubensansicht, sowie seiner Religion. Der Islam versichert, garantiert und beschützt die Ehre und die Würde eines jeden Menschen zu jederzeit.

Grundrechte im Islam

1. Der Islam hat die Unterscheidung von Rassen und Hautfarben aufgehoben. Alle Menschen stammen von Hz. Adam ab. Ein Mensch kann sich seine Rasse und Hautfarbe nicht selbst aussuchen, dieses ist unmöglich. Diese Tatsache ist komplett dem Willen Gottes unterstellt. Menschen aufgrund ihrer Rasse und nach ihrer Hautfarbe unterschiedlich zu betrachten und zu behandeln, den einen höher und den anderen niedriger einzustufen, ist sowohl aus islamischer, als auch menschlicher Sicht absolut falsch und unannehmbar. Gott sagt im Koran:

„O ihr Menschen, Wir haben euch von Mann und Weib erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, daß ihr einander kennen möchtet. Wahrlich der Angesehenste von euch ist vor Allah der, der unter euch der Gerechteste ist. Siehe, Allah ist allwissend, allkundig.“ (Sure Hudschurát, Vers 14)

Wie zu sehen ist, dient die Unterschiedlichkeit der Menschen nicht dazu sich gegenüber den anderen höher zu stufen, sondern dem gegenseitigen Kennen lernen, der Kooperation, der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung. Dieses islamische Verständnis möchten wir mit der folgenden Hadith verdeutlichen: Ebu Zerr, einer aus der Gefolgschaft des Propheten (sav) hatte eines Tages den farbigen Gefährten Bilal Habesi als „Sohn einer Schwarzen Frau“ beschimpft. Er hatte ihn unverschämter Weise die Hautfarbe (seiner Mutter) vorgehalten und ihn aufgrund dessen zu tiefst gekränkt. Als der ehrenwerte Prophet Muhammad (sav) von dieser Abgeneigtheit erfuhr, war er sehr verärgert darüber und sprach zu Ebu Zerr folgende Worte:
„O Ebu Zerr, du hast Bilal aufgrund der Hautfarbe seiner Mutter gedemütigt, stimmt das? Wenn das so ist, dann lebst du (trägst du) immer noch die Denkart (Geisteshaltung) der Unwissenheit.“

Ebu Zerr, welcher in einem Augenblick der Wut unüberlegter Weise diese von ihm selbst auch nicht gewollten Worte äußerte, war selbst zu tiefst unglücklich und bedauerte dieses auch sehr. Er fing zu weinen an und warf sich samt seinem Gesicht zu Boden und sagte folgendes: „Solange Bilal nicht mit seinen Füßen auf meinen Wangen herum tritt und sie zertrampelt, schwöre ich euch, solange werde ich mein Haupt nicht vom Boden heben.“ Während dessen bat er mehrmals wiederholend Bilal um Entschuldigung.
2. Der Islam hat ebenfalls die Erbuntertänigkeit abgeschafft, d. h. das alle Menschen gleich sind. Menschen die von bedeutenden Ahnen abstammten oder einer Geschätzten Person, wie Familie angehörten bekamen nicht mehr aufgrund dessen besondere Behandlung, speziell bei einem Delikt. In einem Haus, wo sich einige der Gefährten (des Propheten (sav)) aufhielten forderte der Gefährte Sad bin Ebi Vakkas die anderen auf ihren Stammbaum aufzuzählen. Er selbst hatte schon seinen erzählt und sich damit gerühmt. In dieser Runde befand sich auch ein aus dem Iran stammender Gefährte namens Salman Farisi. Er hatte nicht wie die in der Runde sich befindenden Koreischiten angesehene, obrige und ruhmreiche Ahnen und Verwandte mit denen er sich hätte Brüsten können. Des Weiteren wusste er selber nicht ganz genau um seine Abstammung und Ahnen bescheid. Als Sad ihn dann aufforderte seine Stammväter aufzuzählen, empfindete er dies seltsam und antwortete folgendermaßen: „Ich bin Salman Sohn des Islam, meinen Stammbaum kenne ich nicht so genau wie ihr. Das was ich weiß ist, dass Allah mich mit dem Islam beehrt hat.“ Als der Kalif Ömer von dieser Ahnen Aufzählung erfuhr war er sehr empört und verurteilte diese sinnlose und aus der Zeit der Unwissenheit stammende Geisteshaltung (das Aufsagen seiner Ahnen zum Zweck der Selbstauszeichnung). Die glorreiche Antwort von Salman jedoch gefiel ihm nur zu sehr, so dass er ebenfalls nachahmend „Und ich bin Ömer, auch ein Sohn des Islam“ von sich gab. Als der Prophet Muhammad (sav) von diesen Vorkommnissen erfahren hatte gefiel auch ihm diese geistreiche Antwort von Salman. Er sagte: „Salman ist von mir, mein Angehöriger, er ist aus meiner Familie.“ Der Prophet (sav) hatte ausschließlich die Töchter der angesehenen Familien der Koreischiten mit ehemaligen Sklaven, welche jetzt zu den Gefährten des Propheten (sav) gehörten verheiratet und somit die Tradition der Ahnen Überlegenheit, die aus der Zeit der Unwissenheit abstammende Geisteshaltung abgeschafft.

3. Der Islam bietet dem Volk das Recht seine Regierung zu kontrollieren und zu beaufsichtigen, ob alles rechtens verläuft. Er hat es sich zum Ziel gesetzt illoyale Führer die in Regierungs- Angelegenheiten beliebig über einen Sachverhalt urteilen abzuschaffen, sowie all den Ungerechtigkeiten, Verfolgungen, Gräueltaten und der Gesetzlosigkeit ein Ende zu setzen. Als der erste Kalif Ebu Bekir zum (Kalifen) Regierenden gewählt wurde, verkündete er seinem Volk folgenden ausdrücklichen Worte:

„O ihr Menschen, obwohl ich nicht der Beste unter euch bin wurde ich doch zu euerem Oberhaupt gewählt. Sollte ich meine Aufgabe (mein Amt) dem Islam entsprechend ausüben, dann beherzigt meine Anweisungen und folgt mir. Wenn ich aber vom rechten Weg abkommen und irregehen sollte, so ermahnt mich.“

Während seiner Amtszeit fragte der Kalif Ömer einmal die Muslime in einer Moschee: „Was tut ihr (sollt ihr tun), wenn ich vom rechten Weg abkomme und irregehe?“ Die anwesenden Muslime antworteten mit einer gemeinsamen Stimme: „Wir werden dich mit unseren Schwertern wieder richten.“ Hz. Ömer war von dieser Antwort höchst erfreut.

4. Gedanken- und Gewissensfreiheit (Meinungs- und Religionsfreiheit). Die Gedanken- und Gewissensfreiheit sind neben dem Recht zu Leben mit das bedeutendste Recht eines Menschen überhaupt. Einem Menschen dieses Recht vorzuenthalten und es ihm nicht anzuerkennen, kommt mit der Wegnahme seiner Individualität gleich und dadurch zur Herunterstufung und Angleichung eines Menschen mit dem Tier. Erkennt man einem Menschen diese elementaren Rechte nicht an, so betrachtet man sie auch nicht als Menschen, sonder stellt den Menschen mit den Tieren auf eine Ebene. Folglich ist im Islam sämtliche Form der Unterdrückung von Gedanken und Gewissen strengstens verboten. In einem Koranvers heißt es „Keinen Zwang im Glauben“. Diesem Prinzip entsprechend befindet der Islam die Glaubensgrundsätze nicht durch Zwang zu vermitteln und aufzubürden. Der Islam verbietet und verachtet es die Glaubenswahrheiten anderen Menschen mit Nachdruck aufzuzwingen.

5. Der Islam hat ebenfalls die Sklaverei / Leibeigenschaft sorgfältig geklärt. Er hat die Sklaverei bestimmten, einzuhaltenden Gesetzen untergeordnet und somit den unfreien Arbeitskräften einen höheren, besseren und gleichwertigeren Status gebracht. Bevor der Islam erschien, wurde die Sklaverei in der ganzen Welt praktiziert. Sie wurde in übelster und barbarischster Art und Weise gehandhabt. Das war damals leider Alltag. Es konnte nicht erwartet werden, dass der Islam diese in der ganzen Welt praktizierte Sklaverei plötzlich mit einem Wink verbietet und aufhebt. Er trug jedoch durch Gesetze zur Gleichbehandlung der Sklaven bei und führte schrittweise das Ende dieser grausamen Praxis ein. Es wurde verbindlich gemacht, wenn man denn Untertanen bedienstete, ihnen eine verbesserte, kulturelle und bürgerliche Behandlung zukommen zu lassen, das hieß, die Gutsherren konnten nicht wie zuvor ihrer gewohnten Unmenschlichkeit freien lauf lassen, sondern mussten sich den islamischen Grundrechten fügen und sie einhalten. Des Weiteren wurde die Barriere aufgehoben, die immer zwischen dem Sklaven und einem unabhängigen Menschen war, d. h. es war keiner mehr gegen seinen Willen, sondern nur noch mit persönlichem Einverständnis Sklave oder Untertan. Somit war es nun um ein vielfaches einfacher sich aus der Sklaverei zu befreien und ein normaler Bürger zu werden. Es entstand mehr die Beziehung wie vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer, womit das Verhältnis des Gutsherren und seinem Sklaven ausgewechselt wurde. Damit war der Anfang vom Ende der Sklaverei gesetzt. Bis zur endgültigen Auflösung der Sklaverei war es nur noch eine Frage der Zeit, zumindest in muslimischen Regionen.

6. Die Eigentumsfreiheit und das Besitzrecht. Allah hat uns Menschen neben den vielen unterschiedlichen Emotionen, Empfindungen, Gefühlen auch die Liebe zum Eigentum, Besitztum, Hab und Gut gegeben. Der Mensch hat das Verlangen etwas zu besitzen. Der Islam erkennt dem einzelnen Individuum das Recht auf Eigentum an. Er bietet die Grundlage, dieses Verlangen im gerechten, erlaubten Rahmen zu befriedigen.

7. Die Gleichheit vor dem Gesetz. Im Islam sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich, wie die Zinken von einem Kamm. Einen Vorzug oder eine Begünstigung aufgrund der Rasse oder Hautfarbe gibt es nicht. Es wird in keiner Weise geduldet bei einer Person, die zuwider gehandelt hat, aufgrund seiner angesehenen Familie oder seinem gesellschaftlichen Status oder sonst was, bei der Ausführung der Gesetze eine Ausnahme zu machen. Im Islam zählen die gesetzliche Herrschaft und die Erhabenheit des Rechtes. Sowohl der Staatsregierende, als auch ein einfacher Bürger aus dem Volk sind vor dem islamischen Gesetz gleich und werden auch gleich behandelt, ohne Ausnahme. Ein Schuldiger Jemand, und sei es auch der Präsident, wird definitiv seine gerechte Bestrafung bekommen.

Einigen Überlieferungen zu folge seien schon damals die Führer des Islam, wie zum Beispiel Fatih Sultan Mehmet mit einem griechischen (romanischen) Architekten oder Hz. Ali mit einem Juden oder Salahaddin Eyyubi mit einem Armenier, vor Gericht gezogen um ihre Angelegenheiten rechtens zu klären. Dies sind nur einige Beispiele für das Rechtbewusstsein im Islam.

Am Tage der Eroberung von Mekka hatte eine Frau aus dem Volk der Mahzun Diebstahl begangen und wurde dabei erwischt. Es bedarf ihrer Bestrafung, jedoch fürchtete man um den Ruf ihrer angesehenen Familie. Um der Beschämung und Befleckung ihrer Familie wegen wollte man von ihrer Bestrafung absehen und sie so davon kommen lassen. Wie sollten sie aber diese Absicht ausführen? Wie sollte man dieses Vorhaben dem Propheten (sav) mitteilen? Folglich ernannte man Üsame bin Zeyd, den adoptiv Enkelkind des Propheten (sav) den der Prophet (sav) sehr liebte mit dieser Aufgabe und schickte ihn zum Propheten dieser Bitte doch einzuwilligen. Hz. Üsame ging darauf zum Propheten (sav) und schilderte ihm diese Situation. Er bat den Propheten (sav) als Oberhaupt dieser beschuldigten Frau aus angesehener Familie zu vergeben und von ihrer rechtmäßigen Verurteilung und Bestrafung abzusehen, eben wegen ihrer Herkunft bzw. Familie. Der Prophet (sav) war über diese Aufforderung sehr entrüstet. Er ging augenblicklich nach draußen und verkündete seinem Volk folgende historischen Worte:

„O ihr Menschen, wisst ihr den Grund für die Zerstörung und Vernichtung (Auslöschung aus der Geschichte) der Völker die vor euch lebten? Sie hatten die angesehenen und ruhmreichen Familienmitglieder bei begangenem Unrecht nicht bestraft sonder von ihrem begangenen Unrecht abgesehen. Jedoch um einen aus dem Volk zu bestrafen, der Unrecht tat, waren sie sehr ungeduldig dies zu tun. Dieses Unrecht ihrerseits führte zu ihrer eigenen Vernichtung und Ausrottung. Ich schwöre euch, selbst wenn die beschuldigte meine Tochter Fatima wäre, würde ich keinen Augenblick zögern ihr die gerechte Strafe zu kommen zu lassen.“

Im Anschluss an diese Rede wurde die Bestrafung der Diebin aus der ruhmreichen Familie gerechter Weise umgesetzt. Als Hz. Ebu Bekir zum Kalifen gewählt wurde verkündete er in seiner Rede zum Amtsbeginn folgende ebenfalls historischen Worte:

„Die Schwachen unter euch sind in meinen Augen die Stärksten, bis sie das (gesetzlich) ihnen zustehende Recht erlangt haben und die Starken unter euch sind in meinen Augen die Schwächsten, bis ich von ihnen die Rechte der anderen (Unrecht Erleidenden) eingeholt habe.“

8. Die Gesetzlichkeit der Verurteilung und die Individualität des Strafvollzugs. Im Islam gibt es keine Bestrafung ohne das Gesetz und ebenfalls ist es nicht möglich als Schuldiger anstelle seiner selbst jemand anderes (für sich) Bestrafen zu lassen. Umgekehrt gilt das genauso, d.h. es ist nicht möglich anstelle des Übeltäters dessen Familie oder Verwandte zu verurteilen, geschweige denn zu bestrafen. Das Prinzip des individuellen Strafvollzugs ist im Vers 164 der Sure An´am wie folgt erwähnt:

„Sprich: "Sollte ich einen anderen Herrn suchen als Allah, Welcher doch der Herr aller Dinge ist?" Jede Seele belastet nur sich selbst. Und keine belastete (Seele) soll einer Anderen (Seele) Last tragen. Zu euerem Herrn ist schließlich euere Heimkehr, und dann wird Er euch wissen lassen, worüber ihr uneins wart.“

9. Die Autonomie und Rechtschaffenheit des Gerichts. Die im Islam als Gerechtigkeitsanstalt gesehenen Gerichtshöfe sind frei von jeglicher Manipulation, sowie äußeren Einflüssen. Sie sind frei von persönlichen Vorbehalten und Gehässigkeiten, sowie frei von eigenmächtigen Verfügungen. Die Gerichtshöfe sind von all diesen Sachen frei gehalten worden, worauf sehr viel Wert gelegt wird. Die Vorurteilslosigkeit der Richter und deren Unparteilichkeit wurden schon immer strengstens überwacht. In islamischen Gerichten sind öfters auch einfache Bürger mit regierenden Staatschefs vor Gericht gezogen und im Falle der Schuld erhielten auch die großen und mächtigen ihre gerechte Strafe.

10. Die Unantastbarkeit des Privatlebens und die Wahrung der Geborgenheit im eigenen Wohnsitz. Der Islam gebietet, dass niemand das Recht hat ohne die notwendige Befugnis des Eigentümers dessen Hab und Gut zu berühren, geschweige denn in dessen Grundstück oder Haus einzudringen und des Weiteren noch sich in das Privatleben, sowie in die persönlichen Angelegenheiten eines anderen Menschen einzumischen. In der Privatsphäre eines Menschen zu recherchieren ist im Islam strengstens untersagt.

11. Die Reisefreiheit. Im Islam ist die Reisefreiheit zu Bildungszwecken (Studienreisen) und zu Genesungszwecken (Rehabilitation, Erholung) erlaubt und sogar verlangt. Aus diesen sinnvollen relevanten Gründen ist das Reisen erlaubt. Die Reisefreiheit beinhaltet natürlich auch berufliche u. ä. Reisen.

12. Das Recht auf Leben (in Frieden). Der Islam gewährt den/allen Menschen Schutz vor der Schändung seiner/ihrer Ehre und seinem/ihrem Persönlichkeitswert, sowie die Wahrung seines/ihres Vermögen. Dieses Thema ist in der Abschiedspredigt des Propheten (sav) in schönster Weise erläutert, wie folgend zu lesen ist:

„O ihr Menschen! So wie die heutigen Tage und die heutigen Monate heilig sind, so ist es auch diese Stadt Mekka. Und so wie diese Stadt Mekka heilig ist, so sind auch das Leben, das Eigentum, sowie die Ehre und der Ruf eines jeden Menschen gleichfalls heilig und unantastbar. Sie sind vor jeder Art der Schändung zu beschützen.“

13. Die Sozialfürsorge/Volksfürsorge. Die islamische Religion sichert jeden Menschen vor dem sozialen Abstieg, der unverhofft durch Krankheit, Alter, Unfall, Katastrophen bei jedem eintreffen kann. Dadurch geschädigte Opfer werden vor der Armut, dem Elend und der Not durch die Armensteuer (Zakat), welche für jeden wohlhabenden Muslim zu zahlen Pflicht ist. Durch Sach- und Geldspenden (Sadaka) und der Fitre (Verpflegen von Hungrigen) werden die Bedürftigen vertrauensvoll aufgefangen und ihre Menschlichkeit bewahrt. Der Islam versorgt durch seine eingeführten Sozialmaßnahmen betroffene und bedürftige Menschen. Durch solche Grundversorgungen gewährleistet er ihr Weiterleben. Der Islam fordert die Menschen auf in erster Linie einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit nachzugehen, um eine eigenständige Grundversorgung zu erlangen (und ggf. somit auch weiteren anderen Bedürftigen die Grundversorgung bieten zu können). Der Islam verfügt über noch weitere Schutzmaßnahmen. Es ist jedem Muslim geboten auf sein familiäres, verwandtschaftliches und nachbarliches Umfeld mit Acht zu geben und bei bedarf diese mit zu unterstützen. In deren Notlagen ihnen zumindest in der Grundversorgung zu Hilfe zu kommen und nicht gleichgültig wegzuschauen, das wäre unislamisch. Eigentlich ist die Familiäre, Verwandtschaftliche und Nachbarliche Fürsorge für jeden Menschen eine selbstverständliche Pflicht. Wenn jedoch alle diese Maßnahmen unzureichend sind, dann obliegt es dem Staat, der Regierung selbst, seiner Bevölkerung zur Hilfe zu kommen (Sozialstaat) und das Existenzminimum zu gewährleisten und somit die Menschenwürde zu wahren. Die Einrichtung der Armensteuer und die Gründung von Stiftungen sind vollkommene, universelle und gemeinnützige Sicherheitsvorkehrungen.

14. Das Recht auf Arbeit und die Lohngerechtigkeit bzw. die Lohngleichheit. Fleißiges Arbeiten und das sich in einer Sache Anstrengen genießt im Islam großes Ansehen. Es wird immer zur Beschäftigung angespornt. Das Schnorren und dadurch anderen Leuten zur Last werden ist nicht gern gesehen. Um den Unterhalt der eigenen Familie von erlaubten Wegen her zu gewährleisten gilt sogar die verrichtete Arbeit als Gottesdienst, sofern der arbeitende die Pflichtgebete (Farz) verrichtet. „Der Mensch bekommt nur den Lohn für seine verrichtete Arbeit“ weist auf die im Islam gegenwärtige Ermunterung zur Emsigkeit hin. Der Islam gewährt die Arbeits- Beschäftigungsfreiheit und darüber hinaus regelt er das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber in schönster Weise mit den Worten: „Bezahlt den Lohn der Arbeiter noch bevor der Schweiß auf ihrer Stirn getrocknet ist.“ Auf diese Art werden die Rechte der Arbeitnehmer in perfekter Weise aufrechterhalten. Natürlich sollte auch der Arbeiter es sich zur Pflicht machen, die ihm aufgetragene Arbeit gewissenhaft und vollständig auszuführen. Er sollte seinem Lohn gerecht werden durch Ehrlichkeit, Fleißigkeit und Vollständigkeit der verrichteten Arbeit.

15. Der Schutz der Kinder. Der Islam betrachtet alle Kinder als seine Eigenen, bzw. als Adoptivkinder. Das heißt, seit ihrer Geburt nimmt sich der Islam ihrer an und kommt für ihre Versorgung auf, in dem er den jeweiligen Eltern finanzielle oder materielle (Sachleistungen) Hilfe zu kommen lässt. Diese Hilfe wird eigens aus der Staatskasse und von staatlichen Mitteln bewilligt. Heutzutage wird diese Hilfe unter dem Begriff „Kindergeld – Erziehungsgeld“ in den meisten reichen Staaten praktiziert.

16. Die schulische und berufliche Grundausbildung ist eine unerlässliche und verbindliche Pflicht, die für jedermann kostenlos ist. „Das aneignen von Wissen und sich zu bilden ist allen Muslimen eine auferlegte Pflicht. Das gilt sowohl für den Mann als für die Frau.“ Diese Hadith weißt auf die Erfordernis der schulischen und beruflichen Grundausbildung hin. Im Islam sind die Einzelheiten der Lehrpläne sorgfältig, schon vorbereitet, vorgegeben. Die Grundausbildung enthält neben der religiösen, ethischen und moralischen, sowie literarischen Lehre eine Berufsausbildung. Der Islam betrachtet es als absolut Notwendig, dass alle Kinder neben der religiösen Erziehung einen Beruf erlernen.


Selam & Dua

Fragenandenislam - Team


2 Ist es nicht eine Beengung und somit auch eine Qual für den Menschen, seine Freiheit (durch Ge- und Verbote) zu begrenzen?

Liebe Leserin, lieber Leser


Ein Fisch kann sich im Ozean nach belieben bewegen und in jede Richtung schwimmen. Aber seine Freiheit sich zu bewegen ist auf das Gewässer begrenzt. Es ist ihm nicht gestattet das Wasser zu verlassen. Das Festland, samt seinen Wäldern und Gebirgen, ist für einen Fisch verbotenes Territorium. Es ist so, als wäre es den Fischen strengstens untersagt mit Fuchs und Löwe eine Freundschaft zu pflegen. Dieser Fisch wird im Ozean leben und auch seine Lebenszeit mit anderen Fischen verbringen müssen. Diese Freiheitseinschränkung ist nicht zu seinem Nachteil, sondern gegenteiliger Weise dient es zu seinem eigenen Vorteil. Der Ozean der Menschen ist der erlaubte Bereich (Helal Daire).

„Der erlaubte Bereich ist sehr weit und er ist dem menschlichen Wohlbefinden, seinen Bedürfnissen und Verlangen genügend. Es bedarf nicht der Übertretung ins Verbotene.“ (Bediuzzaman Said Nursi, Worte)

Der Mensch kann sich innerhalb dieser erlaubten Bereiche nach Wunsch (wie der Fisch im Ozean) bewegen und nach Herzenslust darinnen verweilen. Jedoch ist der Bereich außerhalb des erlaubten, also der verbotene Bereich, für den Menschen (wie) ein Acker der Hölle. Aufgrund dieser Tatsache können wir die Freiheit wie folgt beschreiben:

Die Freiheit ist die Ermächtigung aus dem Erlaubten und dem Verbotenen das Ersehnenswerte auswählen zu können. Folglich besteht die Freiheit in der Wahl sich zwischen dem Weg zur Hölle und der Straße ins Paradies entscheiden zu dürfen.

Ein Diener kann nicht frei sein, wie denn auch. Bei einem Diener ist das Thema Freiheit nicht einmal Bestandteil seines Gesprächsstoffs. Die Gottesdienerei (bezogen auf „sich leidenschaftlich hingebende Diener Gottes“) hingegen ist weit mehr als nur eine Untertänigkeit. Um diese Angelegenheit unserem Ego verständlicher zu gestalten und es ihm im absoluten Sinne klar zu machen, dass wir Menschen nicht im Besitz einer uneingeschränkten Freiheit sind, sollten wir einmal an folgendes denken:

Kann der Mensch mit seinen Händen hören, mit seinen Augen riechen oder mit seinen Ohren sehen? Nein. Kann der Mensch andererseits mit seinem Intellekt Informationen speichern, mit seinem Herzen verstehen oder mit seinem Gedächtnis lieben? Die Antwort ist ebenfalls ein klares Nein. Also ist doch der Mensch verpflichtet jedes seiner Organe und jedes seiner Sinne entsprechend ihrer Bestimmung und Funktion zu nutzen. Es gibt da den Einen, Der den Menschen erschaffen, seine Organe wie Sinne an ihre Orte platziert und sie mit ihrer Funktion bestimmt hat. Jemanden, Der eine Seelenwelt entstehen und ausfertigen lassen hat, dessen Dimensionen in ihrer Ganzheit zu begreifen dem menschlichen Verstand unmöglich ist. Es gibt Einen, Der jede Sinneswahrnehmung und jede Emotion in unterschiedlichen Wirksamkeiten wirken lässt. Diesen Organen und Emotionen sind zwei Welten geöffnet und entgegengesetzt: Der erlaubte Bereich und die verbotene Materie, das Erlaubte und das Verbotene. Der Mensch verfügt darüber seinen Schritt dahin zu setzen, wohin es ihm beliebt. Er kann mit seinen Augen in jede Richtung blicken wohin er will. Er kann seinen Verstand in den Bereichen einsetzen in denen er möchte. Er kann alles was er will in seinem Gedächtnis aufnehmen und es mit wahr oder unwahr beladen, wie er möchte.
Jede einzelne dieser Fähigkeiten diktiert dem Verstand eines Menschen: „Du kannst mit uns nicht alles machen was du willst – du musst deinen Willen ordnungsgemäß anwenden und uns entsprechend unserer Bestimmung gebrauchen.“

Die dem Menschen gegebene Entscheidungsfreiheit, der Wille und das Wahlrecht, werden leider von vielen Menschen nicht immer korrekt verwendet. Jeder Mensch weiß ganz genau, dass er nicht immer die Freiheit besitzt sich gegenüber seinem Vater, seinem Vorgesetzten oder dem Staat zu widersetzen. Es ist aber dennoch der Fall, dass die meisten Menschen sich gegenüber Allah, dem Herrn und Schöpfer, dem Bildner und Gestalter, als unabhängige, selbstständige und freie Menschen vorstellen und sich dadurch eigentlich aber Gott widersetzen?

Bediuzzaman Said Nursi (1876 – 1960), einer der größten islamischen Gelehrten der Moderne verweist bezüglich der Freiheit auf einen interessanten und wichtigen Punkt:
„Einige ungenierte und unzüchtige (Leute), die nicht in Freiheit leben möchten, wollen sich in die nichtswürdige, erniedrigende und entehrende Gefangenschaft ihres niederen Egos begeben. Sie beugen sich der Egozentrik und werden zu Geiseln ihrer Triebe. (Hutbe-i Samiye, Said Nursi)

(Der Kern der Aussage ist der, dass ein Mensch, auch wenn er sich als frei von allen Einflüssen betrachtet, er letztendlich unter dem Einfluss seines niederen Egos steht, welches i. d. R. immer zum schlechten, sündhaften verleitet.)

Jemand der behauptet und beschwört, er sei ein freier Mensch und er könne beliebigen Umgang pflegen, ist in Wahrheit nur die Geisel seiner Triebe, ein Untertan seines Egos. Sein Ego gebietet ihm nur böses und er folgt diesen Befehlen ohne bedenken und setzt diese gleichgültig in die Tat um. Diese Knechtschaft der niederen Leitgedanken ist eine demütigende und triebgesteuerte Unfreiheit. Zwischen einem Menschen der sich in den Dienst der Wissenschaft und somit in die Pflicht eines Gelehrten begeben hat und einem anderen Menschen, welcher sich einer Raubbande angeschlossen hat und für sie raubt, gibt es tatsächlich eine Gemeinsamkeit. Und zwar stehen beide unter Dienstanweisung. Der erstere genießt eine große Ehre, Ansehen und Bewunderung und sein Ende ist Bildung und Weisheit, während letzterer absolut ehrlos, schändlich und niederträchtig ist und das Begehen dieses Weges führt allbekannt zu Leid, Ahndung und Kerkerhaft (Strafvollzug).

Alaaddin Basar (Prof. Dr.)

(Die eingeklammerte Textpassagen sind während der Übertragung ins Deutsche vom Übersetzer beigefügt worden und sind in der Original-Antwort nicht enthalten.)


Selam & Dua

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3 Zwischen Freiheit und Demut - Ein Blick aus dem Islam

Oftmals hat die Religion etwas mit Regeln, Verboten und Unterwerfung zu tun. Man ist irgendwie klein und Gott ist groß. Man ist Diener und Gott ist Herr. Was man begehrt soll man nicht machen und wenn es nicht mehr geht, soll man eben die andere Wange hinhalten. Für jene, die nicht fest in ihrem Glauben sind, sind es diese Aspekte der Religion, die wohl am meisten auffallen. Denn das Konzept von Freiheit, Individualität und Entfaltung wird heutzutage groß geschrieben. Wir leben in einer ausdifferenzierten Gesellschaft, wo die absoluten Ansprüche eines Bereichs, wie z.B. Religion nicht mehr gesamtgesellschaftlich geltend sind. Wir leben in einer Zeit wo der Mensch an sich keine Grenzen kennt und prinzipiell alles darf. Es gibt kaum irgendwelche Zwänge und solange der Mensch sich an die Gesetze seines Landes hält, darf er sich frei bewegen. So wandelt sich mit der Zeit auch das Menschenbild. Wo der Mensch früher demütiger war und sich der Ordnung unterwarf, kann er heute alles hinterfragen und auch ablehnen. Er darf frei konsumieren und was er will, das kriegt er auch, wenn die Mittel dafür da sind. Der Mensch ist sich selbst also Quelle für Moral, Ethik und Recht geworden. Er regiert sich selbst und seine Meinung ist die zentrale Meinung. Das wirft in religiöser Perspektive neue Fragen auf. Wie lässt sich dieses neuzeitliche Bild von Freiheit und Individualität mit einer alten, fast schon „verstaubten“ Religion, die ihre Gebote und Verbote vor 1400 Jahren aufgestellt hat, vereinbaren? Wie können wir von Freiheit sprechen wenn die Religion uns gleichzeitig sehr genau sagt was wir machen sollen und was nicht? Könnten wir denn nicht auch individuell die Religion etwas an uns selbst anpassen?

Um solchen Fragen nachzugehen müssen wir erstmal verstehen, was denn Freiheit bedeutet. Im Grunde genommen bedeutet Freiheit, dass man sich in seiner Entscheidungsfindung, ohne Zwänge von außen bewegt. Häufig beschreiben wir auch Freiheit damit, dass wir sagen, der Mensch darf alles tun, solange er keinen anderen dabei schadet. Freiheit kennt also auch Grenzen. Sie scheint da aufzuhören, wo sie den anderen oder sich selbst Leid zufügt und destruktiv wird. So kann man auch beobachten, wie demokratische und hoch entwickelte Länder zu Gunsten der Sicherheit zeitweilig auch die Freiheit aufheben und den Ausnahmezustand ausrufen können, in Angesicht einer ernsthaften Bedrohung. Die Polizei oder das Militär ergreift dann die Kontrolle über den Alltag bis wieder für  Sicherheit, Stabilität und Ordnung gesorgt wird. Freiheit ist also nicht absolut. Freiheit ist eher ein Konzept, das in Verbindung mit anderen Aspekten des Lebens auftritt und im Zusammenspiel koexistiert. Freiheit ist nicht etwas faktisch Vorhandenes in der Welt der Objekte, sondern ein Gedanke oder eine Wertvorstellung. Freiheit auf individueller Basis ist anders als Freiheit auf gesamtgesellschaftlicher Basis und Freiheit in einer stabilen Gesellschaft weicht von ihrem Platz für Kontrolle in einer instabilen und gefährdeten Gesellschaft. Daher wird in den verschiedenen Orten der Welt auch verschieden über Freiheit gedacht. Wie man mancherorts auf den Begriff von Freiheit kommt ist zunächst eine andere Frage, es wird aber klar, dass wir nicht einfach oberflächlich über den Begriff der Freiheit reden können und fragen müssen, wie der Islam das Thema aufgreift.  

Der Islam zeichnet dabei größere Kreise ab und behandelt die Freiheit auch auf individueller Ebene. Neben der Tatsache dass man anderen nicht schaden darf, kann man im Islam auch sich selbst keinen Schaden zufügen und sozusagen nicht gegen sich selbst handeln. Denn sämtliche Anlagen des Menschen, wie etwa sein Körper, sein Verstand, seine Seele etc. sind Leihgaben Gottes und sind daher nicht Besitz des Menschen. Entsprechend ist es den Menschen auch nicht erlaubt, Sachen zu tun, die jenen Leihgaben Gottes, also dem eigentlichen Besitzer, schaden. Rauschmittel schaden z.B. dem Körper und dem Gehirn, daher sind sie verboten. Wir haben gerade über Freiheit vor allem als ein zusammenhängendes Konstrukt gesprochen und dabei gab es nur den Menschen als relevante Instanz. Der Mensch ist frei, solange der Mensch geschützt ist. Hier wird aber von einer Beziehung zwischen Gott und den Menschen gesprochen und Freiheit ist im Rahmen dieser Beziehung zu verstehen. Gott ist Besitzer, Herrscher und Verwalter und der Mensch ist sein Besitz, Geschöpf und sein Diener. Daher hört die Freiheit des Menschen da auf, wo sie sozusagen den Besitz Gottes missbrauchen will und dem Vertrauen Gottes nicht würdig wird. Deswegen hat der Mensch auch nicht die Freiheit, gegen Gott zu rebellieren und andere in Versuchung und Sünde zu führen. Daher ist es im Islam z.B. nicht denkbar, dass eine Frau sich im öffentlichen Raum freizügig zeigt und andere Männer in Versuchung bringt. So hätte sie nämlich auch der Seele anderer Menschen Schaden zugefügt und dazu hat sie kein Recht. Den Begriff der Freiheit müsste also im religiösen Verständnis erweitert werden. Der Mensch ist in seiner Entscheidung frei, solange er als Geschöpf Gottes das „göttliche Eigentumsrecht“ beachtet, und anderen Menschen nicht schadet, weder hinsichtlich des Diesseits als auch des Jenseits. Die Freiheit hat demnach jenseitige Aspekte. Dass der Mensch gemäß seinen Willen im Diesseits Gutes wie auch Schlechtes bewirken kann, ist Teil seiner göttlichen Prüfung. Es gäbe keine Prüfung, wenn der Mensch gar nicht die Möglichkeit hätte, Fehler zu begehen und zu lernen. In diesem Sinne verfügt der Mensch über die Freiheit sich nach seinem Ermessen zu entscheiden. In der Religion gibt es keinen direkten Zwang sondern die bewusste Entscheidung. Das ist der Rahmen in dem sich der Mensch bewegt. So gibt es eine immense Vielfalt innerhalb einer Gesellschaft, etliche Berufsgruppen und unzählige religiöse Strömungen. Es gibt sehr fromme wie auch sehr sündhafte Menschen, Menschen die Gutes bewirken, wie auch Menschen die anderen sehr zu Last fallen und ihnen Leid zufügen. In dem Punkt ist der Mensch komplett frei. Wenn er sich aber Gott verschreibt, dann verändert sich die Form dieser Freiheit. So wie es allgemeine Geschäftsbedingungen zwischen zwei Vertragsparteien gibt und man sich für dessen Klauseln verantwortlich macht, sobald man ihnen einwilligt, gibt es auch sozusagen Bedingungen zwischen Gott und Mensch. Man kann sich demnach also nicht einfach Gott widmen und gleichzeitig tun und lassen was man will. Gewisse Regeln und Sensibilitäten muss man dann auch beachten, wenn man ihnen denn einwilligt. Wie auch immer der Mensch sich aber entscheidet, er hat mit den Konsequenzen zu leben, ob genehm oder unangenehm.

Regulierungen und Grenzen die aus der Religion erwachsen, sind aber nicht als unangenehme Einschränkungen zu verstehen. Eher sind sie als Schutz zu denken. Ein Fisch kann sich im Wasser frei bewegen aber seine Grenzen sind klar durch das Wasser abgesteckt. An Land wird er nicht überleben, dort sind ohnehin auch Tiere anzutreffen, die ihn auffressen würden. Dass der Fisch also im Wasser bleiben muss, dient eher seinem Schutz und ist für ihn besser so. Der Ozean des Menschen ist der Bereich des Erlaubten, denn der Bereich des Erlaubten ist weit genug gespannt, jeglichem menschlichen Wohlbefinden zu entsprechen. In diesem Bereich kann der Mensch sich frei entfalten und bewegen. Ein Austritt aus diesem Bereich wird ihn nur schaden und er wird an der Pforte der Hölle anklopfen. Aus diesem Blickwinkel könnte man auch sagen, Freiheit ist die Erlaubnis zwischen dem Bereich des Erlaubten und dem Bereich des Unerlaubten frei zu wählen und in Folge dessen in der Lage zu sein, sich freiwillig auf den Pfad des Himmels oder den Pfad der Hölle zu begeben.

Im Endeffekt ist der Diener bzw. der Untertan nicht „frei“, denn er hat eine sehr enge Anbindung und Abhängigkeit an seinen Herrn. Als solcher kann er logischerweise nicht einfach alles nach Lust und Laune tun. Wo doch der Mensch im Alltag von seinem Arbeitgeber, seinem Lehrer, seinem Arbeitskollegen oder seinen Eltern abhängig ist, scheint es regelrecht unlogisch, warum er gerade gegen Gott unbedingt seine Freiheit verfechten will. Dies müssen wir bestens internalisieren. Der Mensch kann mit seiner Hand nicht hören, mit seinen Augen nicht riechen und mit seinen Ohren nicht sehen. Der Mensch muss nämlich seine Anlagen, Organe und Gefühle an richtiger Stelle verwenden. Gott hat in seiner unendlichen Barmherzigkeit und Weisheit die richtige und falsche Nutzung uns offenbart, durch den Bereich des Erlaubten und den Bereich des Unerlaubten. Nicht zuletzt muss man erwähnen, dass ein Jener, der auf die zügellose und uneingeschränkte Befriedigung seiner Gelüste aus ist, nichts weiter ist, als der Sklave seiner primitiven Triebe. Man sollte bedenken, ob das wirklich Freiheit ist. Wenn man so einen Menschen mit einem religiös frommen Menschen vergleicht, kann man zunächst eine Gemeinsamkeit erkennen. Sie sind beide Diener und stehen unter Befehl. Der kriminelle Dieb, der aus Geldgier andere Menschen überfällt und sie beraubt, fällt in höchste Ungnade in den Augen der Menschen und er wird bei erster Gelegenheit bestraft. Der Schüler, der aus wissenschaftlicher Neugier allerdings stets seinem Lehrmeister folgt um von ihm zu lernen, gewinnt Lob und Anerkennung. Seine Haltung wird Früchte tragen. Zeit und Ort spielen für diese Haltung und der Freiheit aus religiöser Sicht keine große Rolle.

Die Verse und Bestimmungen des Qurʾān sind ewig gültig. Demnach gelten sie auch für unsere Zeit und werden für die Zeit danach auch geltend sein. Gegenüber dem, was sich im Qurʾān offenbart, verstummt der Mensch mit seinen beschränkten Kapazitäten. Vieles übersteigt nämlich seinen Verstand. Die Eigenschaften und das Wesen Gottes stehen nämlich über der Zeit und werden sich niemals verändern. Der Wille Gottes und das Modell von einem Menschen, der das Wohlwollen Gottes erreicht, wird sich auch nicht verändern. Es wäre aber unangebracht zu sagen, die Zeit und die historischen Entwicklungen spielten gar keine Rolle. In der Ausübung, also der Praxis der Religion gab es zu verschiedenen Zeiten verschieden ausgeprägte Offenbarungen und Gebote bzw. Verbote. Dies hat mit dem Entwicklungsstand der Menschen zu tun. Je entwickelter der Mensch wurde, desto filigraner und detaillierter oder ausgereifter wurde die religiöse Praxis im Rahmen der Gebote und Verbote behandelt. Der Mensch wurde aber zu jedem Moment seiner Geschichte mit rechtleitenden Offenbarungen und Maximen ausgestattet, damit er gemäß seiner Kapazitäten Gott dienen kann und nicht überfordert wird. Je weiter seine Kapazitäten also reichen, desto mehr wird von ihm erwartet. So sieht man beim näheren Blick auch, dass es in innerislamischen Kreisen bei solchen Debatten auch eher um die Praxis geht. Die wesentlichen Aspekte werden kaum Streitthemen. Wer aber eine gänzlich andere und degenerierte Wertvorstellung und Auffassung hat, wird folglich das Ganze kritisieren und ablehnen. Die Wirklichkeit des Rechts ist aber unabhängig von der Meinung von vielen. Sie können sich ihr anpassen aber sie können nicht einfach aus Unrecht Recht und aus Recht Unrecht machen. Beispielhaft können wir von dem Verbot von Alkohol und dem Zinshandel sprechen. Nur diejenigen, die dieser Sucht verfallen sind würden sich eventuell diesbezüglich verteidigen, ansonsten liegt aber ihre Schädlichkeit klar auf der Hand. Wenn es nun ein Land gäbe, wo die Mehrheit der Bevölkerung alkoholsüchtig wäre, könnte man deswegen noch lange nicht behaupten, der Qurʾān enstpräche nicht dem Zeitgeist. Eher würde man davon sprechen, dass diese Gesellschaft zerrüttelt und zerrissen ist und weit entfernt von der Moral und der Ethik des Qurʾāns.

Der Islam trifft mit seinen Geboten und Verboten immer Vorkehrungen und schließt alle Wege zum Unheil. Dabei bezieht sich der Islam auf die gesamte Menschheit und nicht auf Einzelne. Was für den einen harmlos erscheint, ist für den anderen kritisch. Daher muss man den Islam als ein Ganzes akzeptieren auch wenn wir gewisse Aspekte erstmal nicht ganz nachvollziehen können. So gilt zu sagen, die Gebote und Verbote im Islam sind nicht einfach Meinungssache des Einzelnen. Es wäre falsch wenn wir eine Sache einfach als veraltet, verfehlt oder sinnlos beschreiben, nur weil wir sie selbst im ersten Moment nicht begreifen. Wir würden damit einem Kind ähneln, das denkt es kann die Sonne mit seinem Daumen zum Erlöschen bringen, indem es den Daumen eng an den Augen und vor der Sonne platziert. Der Mensch ist somit im Rahmen der Gebote und Verbote des Islams frei, aber es sind nicht sie, die von seinem Ermessen abhängig sind, sondern er, der von ihren Grenzziehungen abhängig ist. Wie bewusst ihm das ist und wie gut er dies nachvollziehen kann, kommt auf seine Kapazitäten, sein Wissen und seinen Glauben an. Zum Schluss bleibt zu sagen, der Mensch ist frei in seinen Entscheidungen. Sobald er sich aber entschieden hat und dies bewusst bestätigt ist er nicht mehr frei. Er ist dann gemäß seinen Präferenzen eingebunden und dient dem, wofür er sich frei entschieden hat.          
 

Selam & Dua 

Fragenandenislam - Team