bevor man sinnvoll über Neigungen und Gelüste aus einem religiösen Blickwinkel sprechen kann, müssen gewisse Grundbegriffe und theologische Positionen etabliert werden. Erst auf dieser Basis kann man solche Themen wie etwa Homosexualität in den korrekten Kontext einbetten. Zunächst muss klargestellt werden, warum wir überhaupt existieren auf dieser Welt.
Und Ich habe die Ğinn und die Menschen nur (dazu) erschaffen, damit sie Mir dienen. (51/56)
Meint ihr denn, daß Wir euch zum sinnlosen Spiel erschaffen hätten und daß ihr nicht zu Uns zurückgebracht würdet?“ (23/115)
Und Wir haben den Himmel und die Erde und was dazwischen ist, nicht zum Spiel erschaffen. (21/16)
Diese Koranstellen sollten ausreichen, um festzuhalten, dass alles Geschaffene einen Zweck hat. Bei Tieren und Pflanzen lässt sich das vielleicht einfacher feststellen. Denn Tiere und Pflanzen geben mehr als das sie nehmen und wenn man den Menschen mal außer Acht lässt, kann man ein wunderbar geschlossenes ökologisches System in der Welt erkennen, worin Tiere und Pflanzen einen spezifischen Beitrag leisten. Was ist aber mit den Menschen? Wie leisten sie ihren Dienst und wozu sind sie gut? Hierzu bieten sich folgende Stellen aus dem Gesamtwerk der Risale-i Nur an:
Oh du Kranker ohne Ausdauer! Der Mensch ist nicht in die Welt gekommen, um nach seiner Lust und Laune zu leben. Zeugnis dafür gibt das ständige Kommen und Gehen der Menschen. Die jungen werden alt, und sie alle werden zwischen Tod und Trennung ständig umhergetrieben. Und obwohl der Mensch unter den Lebewesen das vollkommenste, höchste, hinsichtlich seiner Anlagen reichste, ja, sogar der König aller Lebewesen ist, verbringt er dennoch, verglichen mit den Tieren, nur ein trauriges und kummervolles Leben auf der untersten Stufe, weil er ständig über vergangenes Glück und kommendes Unheil nachdenkt. Das heißt, dass der Mensch nicht in diese Welt gekommen ist, nur um sich ein schönes Leben zu machen und ruhig und unbeschwert seine Zeit zu verbringen. Er ist vielmehr hierher gekommen als ein Mensch, in dessen Händen sich ein gewaltiges Kapital befindet, um Handel zu treiben und zu arbeiten für ein immer und ewig glückseliges Leben. Das Kapital, das ihm an die Hand gegeben wurde, ist die Spanne seines Lebens. (25. Blitz, drittes Heilmittel)
Durch das Licht des Glaubens steigt der Mensch zur höchsten Höhe auf und erreicht einen Wert, der ihn für das Paradies qualifiziert. In der Dunkelheit des Unglaubens steigt er hinab zum Niedrigsten der Niedrigen und nimmt eine Form an, die ihn für die Hölle geeignet macht. Denn Glaube ist eine Beziehung, die den Menschen mit seinem erhabenen Meister verbindet. Der Wert des Menschen entsteht aus der göttlichen Kunst und den Ornamenten der Gottesnamen, die an ihm im Lichte des Glaubens beobachtet werden. Unglaube trennt diese Verbindung, sodass die Kunst des Herrn nicht mehr sichtbar ist und der Wert des Menschen reduziert wird auf den Preis seiner bloßen physischen Existenz, wobei diese physische Existenz des Menschen fast keinen Wert hat, denn sie besteht nur aus einem zeitlichen, vergänglichen und sterblichen tierischen Leben. (23. Wort, erster Punkt)
(…) das heißt, die natürliche Aufgabe des Menschen besteht darin, sich durch Lernen zu vervollkommnen, durch Gebet zu dienen und anzubeten. Nämlich: »Durch wessen Barmherzigkeit werde ich mit solcher Weisheit geleitet? Durch wessen Großmut werde ich mit solcher Güte erzogen? Wessen Wohlwollen ist es, durch das ich mit solch einem Feingefühl ernährt und versorgt werde?« Dies gilt es zu wissen, und der, welcher unter tausenden seiner Bedürfnisse nicht eines zu befriedigen vermag, sollte in der Sprache seiner Schwäche und Armut zu dem Herrn und Richter über seine Bedürfnisse zu flehen, zu Ihm bitten und beten, das heißt sich mit den Flügeln seiner Schwäche und Armut zu den höchsten Stufen des Dienens und der Anbetung emporschwingen. Der Mensch ist in die Welt gekommen, um sich mit den Mitteln der Wissenschaft und des Gebetes zu vervollkommnen, entsprechend seinem Wesen und seinen Anlagen hängt alles von der Wissenschaft ab. Einer jeden wahren Wissenschaft Basis, Quelle, Licht und Geist ist die Erkenntnis Allahs und das Fundament dieser Basis ist der Glaube an Allah. (23. Wort, vierter Punkt)
Wir sehen also, dass unser Dasein einer Reise gleicht, mit dem Ziel näher zu unserem Schöpfer zu gelangen. Das Streben nach Wissen und Tugend sind vielleicht die Verkehrsschilder und unsere Gottesdienste in jeglicher Form sind vielleicht die Transportmittel. Je näher wir unserem Schöpfer stehen, desto besser geht es und je weiter wir uns von unserem Schöpfer entfernen desto schlechter ist es um uns bestellt. Das ist unsere Prüfung im Diesseits.
Nun hat der Mensch auch Triebe und Gelüste und die Religion kennzeichnet dies. Es gibt neben dem Erlaubten auch das Verbotene und neben der Verkündigung des Paradieses auch die Androhung der Hölle. Wie gehen wir also mit unseren Trieben und Gelüsten um, wo wir doch nach unserem Schöpfer streben und ihm versuchen zu dienen? Gibt es einen Platz für Triebe und Gelüste? Ist man schon vom Weg abgekommen, wenn man überhaupt Triebe und Gelüste in sich trägt?
durch die Neigung selbst hat man noch nicht gesündigt. Diese Neigung soll aber nicht in Taten umgesetzt werden. Eine Sünde ist zugleich auch eine Tat. Für Gedanken, Träume oder Ähnliches wird man nicht verurteilt.
Vor allem durch die populäre Inszenierung solcher Themen wie Homosexualität kommen wir gesellschaftlich immer häufiger auf dieses Thema zu sprechen. Das bedeutet aber nicht, dass es solche Diskussionen oder Neigungen erst seit heute gibt. Eigentlich gibt es solche Neigungen schon seit jeher. So sehen wir an der geschichtlichen Analyse der Religion, dass mindestens seit Sodom und Gomorra solches Verhalten dem Menschen bekannt ist und ihn in dem Fall auch ins Verderben gestürzt hat. Interessanterweise adressiert die Religion recht offen diese Thematik, wobei wir oft eher beschämt und verlegen darüber reden. An diversen Versen können wir dies sehen (Vgl. 7/80-84). Wenn in der göttlichen Offenbarung diese Thematik explizit angesprochen und offengelegt wird, so wäre es töricht zu denken, dies sei ein eher nebensächliches Thema und man könnte es auch totschweigen.
Jeder Mensch hat gewisse Neigungen, die ihn zur Sünde treiben können, denn sie sind mitunter die Prüfung des Menschen. Die Neigung der Homosexualität ist in dem Sinne nicht anders zu verstehen. Jeder Mensch hat Neigungen, daher kann es auch sein, dass z.B. ein Mann solche homosexuelle Neigungen empfindet. So wie die Nähe zum anderen Geschlecht, ohne den Bund der Ehe untersagt wird, wird auch die Nähe zum gleichen Geschlecht untersagt.
Die häufigen Anreize und Verführungen im Thema Geschlecht führen bei einigen Leuten zu einem Gefühlsschwanken. Somit gibt es Männer die nicht zu Frauen, sondern zu ihrem eigenen Geschlecht und genauso auch Frauen die nicht zu Männern, sondern ihrem eigenen Geschlecht hin gereizt sind.
Wie soll man auf dieses Verlangen schauen und was dazu sagen? Sollen sie, ohne auf ihre Schöpfung zu achten, ihren später erschienenen blinden Trieben folgen? Oder sollen sie den Gefühlen, die ihrer Schöpfung entsprechen treu bleiben und diese stärken?
Es kann unterschiedliche Annäherungen zu diesem Thema geben, jedoch ist uns klar, dass blinden Trieben die widersprüchlich und schädlich zur Schöpfung des Menschen sind, nicht gefolgt werden und sie nicht als akzeptabel gezählt werden dürfen.
Die Geschöpfe Gottes müssen also ihrer Schöpfung gemäß und zum Zweck des Gottesdienstes handeln. Der Mensch bildet darin keine Ausnahme, auch wenn er dazu fähig ist, neuartige Gelüste und Neigungen zu entwickeln. Gerade die biologischen Merkmale der Menschen geben unmissverständlich Auskunft darüber, ob man Mann oder Frau ist.
Falls wirklich ein Mann die Triebe einer Frau oder eine Frau die Triebe eines Mannes empfindet, ist die Lösung nicht den blinden Trieben zu verfallen, sondern die erlaubten und dem Lebenssinn entsprechende Gefühle zu erlangen. Ein simpel gedachter „Wechsel“ des Geschlechtes ist nicht die Lösung.
Zusammenfassung: Die Schöpfung ist das Wesentliche. Blinde Triebhaftigkeit muss angegangen werden und man darf nicht der Normalität seines Wesens abweichen. Leuten die meinen blind den Trieben zu folgen sei richtig, darf man nicht folgen. Gleichermaßen tut man sich keinen Gefallen zu den grundlegenden Fragen des Lebens schweigsam zu werden aufgrund falscher Scham und Scheu oder aus Sorge, was das Umfeld sagen würde. Mit seinen Fragen und Zweifeln sollte man sich nicht in ein Exil begeben und alleine damit bleiben wollen, weil der Teufel und die eigenen Triebe einen nie alleine lassen.