Was der Muslim NICHT ist

In jüngster Zeit wird die Welt leider allzu oft von schlechten Nachrichten heimgesucht. Sein es Terror-Anschläge, Flüchtlingskriesen, tote angespülte Kinder, gesellschaftliche Kommentare mit rassistischem Unterton oder sich anbahnende Feindseligkeiten zwischen einzelnen Gruppen der Gesellschaft. Es wird viel über den Islam und den Muslim diskutiert. Dabei wird von Muslimen vielerorts oft so etwas gesagt, wie „der Islam ist Frieden“, „Muslime sind keine Terroristen“  oder „Der Islam ist tolerant und nicht gewalttätig“. Und das sagen sie auch zurecht denn diese Aussagen stimmen. Dann kann man sich aber auch zurecht fragen, was denn den Islam und den Muslim tatsächlich ausmacht und was eben nicht. Denn es gibt auch viele Stimmen die sagen, der Islam ist gewalttätig und Muslime gefährlich und sie haben auch für sich legitime Beweise dafür. Wen soll man glauben? Dazu wollen wir uns hier äußern.

Aus Qurʾān und Sunna heraus kann man mehr als genug Belege dafür finden, was den Islam und den Muslim ausmachen soll:

Ein Muslim ist eine vertrauenswürdige und vertrauenserweckende Person. Es ist untersagt dass er für seinen eigenen Vorteil oder seine Gelüste und sein Vergnügen seinen Glaubensbruder opfert und zu seinem Nachteil handelt. Diese beiden Überlieferungen unterstreichen dies;

Ein Muslim ist der von dessen Hand und Zunge die anderen Muslime keinen Schaden tragen. (Buhârî, Îmân 4,5)

Wer das was er für sich selbst erwünscht nicht auch für seinen Glaubensbruder erwünscht, der kann kein wahrhaftiger Gläubiger sein. (Buhârî, Îmân 7)

O Gesandter Allahs! Wer lebt den Islam am besten?“ Er antwortete: „Derjenige, vor dessen Zunge und Hand die anderen Muslime sicher sind. (Ṣaḥīḥ al-Buḫārī)

Die gläubigen Männer und Frauen sind untereinander Freunde. Sie gebieten das Rechte und verbieten das Verwerfliche, verrichten das Gebet und entrichten die Abgabe und gehorchen Gott und seinem Gesandten. Siehe, Gott wird sich ihrer erbarmen. Gott ist mächtig und weise. (Sura at-Tawba 71)

Der Muslim soll also in erster Linie eine friedfertige Person sein, der insbesondere durch seine vorbildhafte Tugend auffallen sollte und in Sachen Moral und Ethik tadellos ist. Er ist hilfsbereit und voller Barmherzigkeit. Er ist fromm und verrichtet seine Gottesdienste, ohne dabei jemanden zu belästigen. Ist es denkbar, dass solch ein Muslim gleichwohl auch Gewalt zum Programm machen kann, obwohl er doch im Grunde genommen friedfertig, barmherzig und vertrauenswürdig sein soll? Dazu gibt es auch diverse Passagen:

Vermeidet Unfrieden! Den zu Zeiten des Unfriedens ist die Zunge wie der Schlag des Schwertes. (Ibn-i Mace, Fiten 24)

Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält. Unsere Gesandten sind bereits mit klaren Beweisen zu ihnen gekommen. Danach aber sind viele von ihnen wahrlich maßlos auf der Erde geblieben. (Sura al-Māʾida 32)

Und wer einen Gläubigen vorsätzlich tötet, dessen Lohn ist die Hölle; darin wird er ewig weilen. Und Gott zürnt ihm und verflucht ihn und bereitet ihm eine gewaltige Pein. (Sura an-Nisāʾ 93)

Für diejenigen, die die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen foltern und danach nicht umkehren, ist die Pein der Hölle bestimmt, ja, für sie ist die Pein des Feuerbrandes bestimmt. (Sura al-Burūǧ 10)

Terror, Mord, Folter, Vandalismus und Tyrannei sind dem Muslim seitens seiner Religion also verboten. Für den Muslim gibt es seitens seiner Religion also keine Erlaubnis für solch ein Verhalten. Es würde zwar ohnehin nicht zum oben beschriebenen Profil des barmherzigen, vertrauenswürdigen und friedfertigen Muslims passen, aber das Verbot ist trotzdem explizit und unmissverständlich ausgesprochen. Das macht sehr deutlich, dass der Muslim sich davon zu distanzieren hat und solche Gewalttaten bzw. solch eine Tyrannei nicht zum Islam gehört. Aber im Weltgeschehen ist die Tatsache, dass Tag für Tag solche Schreckenstaten geschehen, nicht zu leugnen. Ist es dann eigentlich dem Muslim gestattet alle Tugend und Frömmigkeit über Bord zu werden und zum Schwert zu greifen, um im Exzess das Blut aller willkürlich zu vergießen? Hierzu gibt es diverse Textbelege:

(Es gibt auch) diejenigen, die sich eine (eigene) Moschee genommen haben aus Schadenslust und Unglauben, zum Anstiften von Zwietracht zwischen den Gläubigen und als Beobachtungsort für den, der zuvor gegen Gott und seinen Gesandten Krieg geführt hat. Sie werden sicher schwören: »Wir haben nur das Beste gewollt.« Aber Gott bezeugt, daß sie ja nur Lügner sind (Sura at-Tawba 107)

Zur Zeit der "Ahirzaman" (wortwörtlich: Ende der Zeit) werden, klein im Alter, beschränkt im Geiste, eine Gruppe junger Menschen auftauchen. Sie werden den ehrwürdigsten aller Geschöpfe, den Propheten Muḥammad (S.A.S) und den Qurʾān rezitieren, jedoch werden sie so, wie der Pfeil aus dem Bogen fliegt, aus der Religion austreten. Ihr Glauben verbleibt einzig in ihren Kehlköpfen. (Buhari, Menakıb, 25)

Es steht also fest, dass vermeintlich im Namen des Islams, Menschen und Gruppierungen auftauchen werden, die jenem Titel nicht würdig sind und skrupellos den Namen des Islam für ihre eigenen Zwecke missbrauchen werden. Gewalt, Korruption, Tyrannei und illegale Aktivitäten jeglicher Art sind ihr Programm. Sie mögen äußerlich wie Muslime aussehen und benutzen symbolische und rhetorische Mittel, um sich als Verfechter des Islams ausgeben zu können, aber das ist höchstens nur eine raffinierte Täuschung. Wenn dem so ist und das alles mit dem Islam und den Muslimen nichts zu tun hat, wie hat dann der Muslim sich eigentlich in solchen Situationen zu verhalten und was wäre gemäß seiner Religion richtig? Im Text steht folgendes:

Es steht fest das ein Unfriede, ein Uneinigkeit ein Streit kommen wird. Wenn dies eintritt geh mit deinem Schwert zum Berg Uhud! (Berg aus Vulkanischem Gestein nördlich von Medina)
Schlage das Schwert gegen den Berg, bis es zerbricht. Dann gehe zurück in dein Heim, bis dich ein sündige Hand (Jemand der kommt um dich zu töten) oder der Tod dich ereilt. (Ibn-i Mace, Fiten 24)

Kurz vor dem Jüngsten Tag gibt es so viel Zwietracht wie dunklen Teile der Nacht. Der Mensch erreicht innerhalb dieser Zwietracht den Morgen als Gläubiger, des Abends wird er Ungläubig sein; Abends wird er gläubig sein des Morgen ein Ungläubiger. Solche die bei dieser Zwietracht sitzen bleiben sind besser als Solche die stehen, Solche die gehen sind besser als die Laufenden. Sodann zerbrecht eure Bögen, zerreißt eure Bogensehnen und schlagt eure Schwerte auf Stein. Wenn Sie eure Häuser betreten sollten seid der bessere der zwei Söhne Adams. (Seid wie Abel der stirbt, nicht wie Kain der tötet) (Ebu Davut, Fiten 2, Tirmizi, Fiten 33) 

Und haltet allesamt am Seil Gottes fest und spaltet euch nicht. Und gedenket der Gnade Gottes zu euch, als ihr Feinde waret und Er Vertrautheit zwischen euren Herzen stiftete, so daß ihr durch seine Gnade Brüder wurdet; und als ihr euch am Rande einer Feuergrube befandet und Er euch davor rettete. So macht euch Gott seine Zeichen deutlich, auf daß ihr der Rechtleitung folgt. (Sura al-Āl-i ʿImrān  103)

Ob er Unterdrückter oder Unterdrücker ist, der Gläubige muss seinen Bruder helfen! Wie man jemanden hilft der etwas Schlechtes tut erklärt der Prophet (s.a.s) folgendermaßen: Du bringst ihn dazu dass er keine schlechten Taten mehr vollbringt. Das ist die Unterstützung die du ihm leistest. (Buhârî, Mezalim, 4; Müslim, birr, 62)

Es gibt keinen Zwang in der Religion. (Sura al-Baqara 256)

Der Muslim ist also in Zeiten der Aufruhr und der Zwietracht zunächst besonnen. Er ist nicht übermütig und kindisch emotional. Im Gegenteil erinnert er sich gerade dann, an die Gebote seiner Religion und an seinen Händen klebt nicht das Blut unschuldiger Menschen. Er tut sein Bestes seine Mitmenschen von ihren Fehlern abzubringen, aber dabei begeht er nicht dieselben Fehler. Er bekämpft also Feuer nicht mit Feuer. Seine Frömmigkeit und Tugend bleibt auf gleichem Niveau, ob nun Frieden herrscht oder Krieg.

Aber wie kommt es dann, dass anscheinend an vielen Orten der Welt Muslime negativ aufzufallen scheinen? Es wäre nämlich töricht zu denken, alle Muslime entsprechen auch exakt dieser Erklärung und es gibt keinerlei Probleme in der Welt des Islams. In der Tat ist der Mensch nicht frei von Makeln und der Muslim ist dabei keine Ausnahme. Der Muslim ist also nicht perfekt, er ist nicht geschützt von Fehlern, Begierden und Gelüsten. Entsprechend wäre es auch nicht fair zu erwarten, dass der Muslim immer und zu jedem Moment die moralisch einwandfreie Instanz ist. Aber trotzdem tragen wir solche Erwartungshaltungen öfters an unsere Mitmenschen heran. Denn wir haben ein Bild von ihnen oder wir haben ihren Aussagen Glauben geschenkt und es stört uns dann wenn wir sehen, dass etwas anderes getan wird. Es ist schwierig den Leuten verständlich zu machen, dass der Islam Frieden ist, wenn die Muslime selbst untereinander so verstritten sein können. Der Gelehrte „Bediüzzaman“ Said Nursi hat hierzu wichtige Worte:

Bekanntlich ist die Verderbnis bei Gütern von hoher Qualität weit schlimmer als bei ganz gewöhnlichen Dingen. So könnte man z.B. Yoghurt oder Milch, die sauer geworden ist, durchaus noch essen, während man ranzig gewordene Butter nicht mehr essen dürfte: sie schmeckt wie Gift. So wird auch das ehrenwerteste, ja in der Tat edelste aller Geschöpfe, der Mensch, wenn er verdorben wird, noch missratener als ein missratenes Tier. Gleich Würmern, die sich am Gestank verfaulender und verwesender Dinge delektieren, und Schlangen, die es lieben, zu beißen und zu vergiften, finden sie ihren Stolz und ihr Vergnügen im Sumpf der Irrwege und der schlechten Sitten, genießen die Verletzungen und die Verbrechen in der Finsternis ihrer Bösen Taten und nehmen so die Natur und die Gewohnheiten des Satans an. (dreizehnter Blitz, zehnter Hinweis)

Dementsprechend ist es umso schlimmer wenn ein Mensch der aufgeklärt ist über Moral und Ethik, über Gott und das Jenseits und über gut und schlecht, von selbigen abkehrt. Für ihn gibt es nichts Heiliges mehr und keine Schamzone oder Tabu. Es ist noch möglich Leute zu unterweisen, die das Wort Gottes noch nicht kennengelernt haben, auch wenn sie derweil in abwegigen Pfaden wandeln. Wenn aber jene die Gottes Wort erhalten und noch dazu verstanden haben, davon unbeeindruckt bleiben, bedeutet es dass ihre Herzen ausgetrocknet sind und sie den Pfad der Tugend wohl nicht mehr begehen können. Man darf sich aber fragen, ob solche Leute denn tatsächlich auch Die Weisheit und die Barmherzigkeit der göttlichen Gebote und Verbote verstanden und verinnerlicht haben. „Bediüzzaman“ sagt hierzu:

Wohingegen ein Zweifel oder ein Ablehnen gegenüber einen der Säulen des Glaubens vielfach verheerender und schädlicher ist als die Unachtsamkeiten in den Detailfragen der Religion. Daher kommt es: die wichtigste Angelegenheit ist es durch das Umwandelns des nachahmenden Glaubens, hin zum bestätigenden Glaubens, den Glauben zu stärken, den Glauben zu festigen, den Glauben zu retten. Sich mit den Ecksteinen des Glaubens mehr als alles andere zu beschäftigen ist zu einem eindeutigen und unausweichlichem Bedürfnis, sogar zu einer Pflicht geworden. So wie dies in der Türkei ist: So ist dies auch in dem Rest der islamischen Welt. (übersetzt aus: Sözler, Konferans)  

Dies ist genau der Wert, der uns heute mehr und mehr zu fehlen scheint. Wir müssen es nämlich schaffen unsere Lobpreisungen und Behauptungen von Tugend und Frömmigkeit mit unseren Handlungen zu bestätigen und zu untermauern. Dafür müssen wir aber unsere Religion richtig kennenlernen und uns mit Herz und Verstand mit ihr auseinandersetzen. Wir müssen Gott mit seinen Eigenschaften und in seinem Wirken besser verstehen und die Anleitungen für unsere Lebensgestaltung von unserem ehrenwerten Propheten (s.a.s.) entnehmen. Dafür müssen wir unseren Propheten (s.a.s.) näher kennenlernen und sein Eifer, seine Tugend, seine Frömmigkeit und seine Leidenschaft verstehen. Denn nichts war unserem Propheten (s.a.s.) wichtiger als die Schönheit Gottes in Wort, aber vor allem in Tat zu verkündigen. Wenn er über den Wert des Gebets predigte, so gab es niemanden der mehr betete als er selbst, frei von Sünde tat er gemäß Überlieferung täglich über 70 Mal Buße um den Wert der Buße aufzuzeigen und wenn es um Werte wie Großzügigkeit und Gerechtigkeit ging, war der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) stets die Spitze und Maxime. Dies müssen wir als Muslime wieder beherzigen und unsere Werte und die Schönheit unserer Religion in Wort und Tat vermitteln. Denn wir können nicht verlangen oder erwarten, dass die anderen immer mit guten und reinen Blick auf uns schauen und uns alle Fehler verzeihen. Es ist unwahrscheinlich dass sie allem zu trotz immer tolerant, wohlwollend und sensibel sind. Denn wir geben ihnen immer wieder das Versprechen, dass unsere Religion schön und richtig ist und wir selbst auch danach leben. Aber wir scheinen uns oft nicht daran zu halten. Jüngste Ausschreitungen und Gewaltakte säen innergesellschaftlich Zwietracht. Diesbezüglich müssen wir Muslime uns zunächst selber überprüfen und uns selber reinigen, ehe wir versuchen dies bei anderen vorzunehmen. Denn nichts ist so effektiv wie die beobachtbare Aufrichtigkeit im Eifer des Menschen. So hat es auch der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) geschafft in einer kurzen Zeit, aus den unreinsten Barbaren die zivilisiertesten und ansehnlichsten Menschen zu machen. An dieses Erbe müssen wir uns wieder erinnern und diesen Geist aufleben lassen. Solange wir dies beherzigen und danach streben, werden wir unseren Mitmenschen auch zunehmend positiv auffallen und in ihren Herzen Sympathien gegenüber dem Gottesglauben erwecken. Und das ist mitunter unsere größte Pflicht im Leben. Denn der wahre Muslim ist vielleicht nicht sehr belesen, vielleicht ist er auch nicht sehr aufgeweckt und achtsam, möglicherweise ist er nicht mal sehr aktiv in der Gesellschaft und religiös sehr praktizierend. Aber er ist auch nicht gewissenslos, anteilslos oder herzlos. Früher oder später im Leben wird er dies auch auf eine schöne Art und Weise zeigen oder es zumindest wollen. Dass er dies früh im Leben erkennt und beherzigt ist wertvoll. Denn ein „zu früh“ gibt es für die Tugend und die Frömmigkeit nicht, sehr wohl aber ein „zu spät“.      

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