Die Himmelfahrt des Propheten

Eine der gesegneten Nächte, in der die Tugend und die Barmherzigkeit förmlich überquillt ist die Nacht der Himmelfahrt, die „Laylatu-l-Miʿrāǧ“. Die Himmelfahrt ist ein Aufstieg, ein Aufstieg zur höchsten Stufe und dem reinsten Dienen, gereinigt von jeglichen menschlichen und niederen Gefühlen. Es ist ein grenzenloser Horizont des Aufstiegs, der sich vor der Menschheit und personifiziert vor unserem ehrenwerten Propheten (s.a.s.) offenbart. Das Wunder der Himmelfahrt wird im ehrenwerten Qurʾān erzählt und unwiderlegbar dargelegt. Die erste Station dieser göttlichen Reise, die bis zur al-Masǧid al-Aqṣā führt, wird folgendermaßen geschildert;

Preis sei dem, der seinen Diener bei Nacht von der heiligen Moschee zur fernsten Moschee, die Wir ringsum gesegnet haben, reisen ließ, damit Wir ihm etwas von unseren Zeichen zeigen. Er ist der, der alles hört und sieht. (Sura al-Isrāʾ 1)

Die zweite Station der Himmelfahrt beschreibt wie der Prophet (s.a.s.) von der al-Masǧid al-Aqṣā ausgehend sämtliche Ebenen des Himmels überquert und schließlich in die Audienz Gottes tritt. Dies wird in folgenden Versen dargestellt;

Und war am obersten Gesichtskreis. Hierauf kam er näher und stieg herunter, so daß er (nur) zwei Bogenlängen entfernt war oder noch näher. Da gab Er Seinem Diener (als Offenbarung) ein, was Er eingab. Nicht hat sein Herz erlogen, was es sah. Wollt ihr denn mit ihm streiten über das, was er sieht? Und er sah ihn ja ein anderes Mal herabkommen, beim Sidr-Baum des Endziels, bei dem der Garten der Zuflucht ist. Als den Sidr-Baum überdeckte, was (ihn) überdeckte, da wich der Blick nicht ab, noch überschritt er das Maß. Wahrlich, er sah etwas von den größten Zeichen seines Herrn. (Sura an-Naǧm 7-18)

 

Wie ereignete sich die Himmelfahrt?

Die Himmelfahrt ist die 27. Nacht des Monats Raǧab und stellt den Aufstieg des Propheten Muḥammad (s.a.s.) unter der Einladung Gottes und der Führung des Engels Hz. Ǧibrīl (a.s.), in die göttliche Audienz dar und dabei überquert er beginnend bei der Masǧid al-arām und der Masǧid al-Aqṣā sämtliche Dimensionen und Pforten der göttlichen Schöpfung.

Der Prophet (s.a.s.) reiste von Mekka nach Jerusalem auf einem himmlischen weißen Geschöpf, welches einem Pferd ähnelt („burāq“). Bevor der Prophet (s.a.s.) Jerusalem erreichte, besuchte er auf dem Weg die Instanz von Hz. Mūsā (a.s.) und betete dort. Von dort aus fuhr er fort und erreichte die masǧid al-aqṣā. Sämtliche Propheten hießen ihn dort willkommen. Sie zelebrierten seine Himmelsfahrt. Als Vorbeter betete der Prophet (s.a.s.) mit allen anderen Propheten und hielt eine Predigt. Laut einer Überlieferung besuchte er auch die Geburtsstätte von Hz. ʿĪsā (a.s.) und betete dort. Von der Stelle an der sich heute die  qubbatu ʾṣ-ṣaḫra befindet, stieg der Prophet (s.a.s.) dann in den Himmel auf. Er überquerte alle Stufen des Himmels. Nach der Reihenfolge der sieben Himmelsstufen hat er Propheten wie etwa Hz.  Ādam (a.s.) Hz. ʿĪsā (a.s.), Hz. Mūsā (a.s.), Hz. Ibrāhīm (a.s.) und weitere getroffen, sie haben ihn begrüßt und ihm gratuliert.   

Danach kam der Prophet (s.a.s.) in der Sidratu-l-Muntahā an, an dieser Stelle endet der Kosmos. Der Prophet (s.a.s.) sah dort vier Flüsse, von denen zwei offen erkennbar waren und zwei verborgen. Danach besuchte er die Bayt al-Maʿmūr, welches täglich von siebzig Engeln besucht wird.

Hz. Ǧibrīl (a.s.) konnte den Propheten (s.a.s.) ab diesem Punkt nicht mehr begleiten, denn weiter konnte er nicht. Der Prophet (s.a.s.) wurde jenseits von Zeit und Ort mit dem Antlitz Gottes unendlich beehrt.

als der Prophet (s.a.s.) von der Audienz Gottes zurückkehrte begegnete ihm Hz. Mūsā (a.s.) und er fragte "welche Pflicht hat Gott deiner Gemeinde auferlegt?", daraufhin antwortete der Prophet (s.a.s.) "50 Gebetszeiten".

Als Hz. Mūsā (a.s.) "Kehre zu deinem Schöpfer zurück und bitte darum, die Anzahl der Gebetszeiten zu senken, deine Gemeinde ist nicht in der Lage dazu" sagte, bat der Prophet (s.a.s.) fünf Mal um die Verringerung der Gebetszeiten. Jedes Mal wurden diese um 10 Gebetszeiten verringert, bis dann 5 Gebetszeiten festgelegt wurden.

Danach hat der Prophet (s.a.s.) unter der Führung von Hz. Ǧibrīl (a.s.) sämtliche Bereiche des Jenseits, des Himmels, der Hölle, sowie sämtliche Reiche der Schöpfung besucht, bis er dann schließlich nach Mekka zurückkehrte.

Am Morgen erzählte er den nahegelegenen Mekkanern von der Himmelfahrt. Sie wollten Beweise für die Himmelfahrt. Der Prophet (s.a.s.) berichtete ihnen von den Karawanen, die er auf dem Weg während der Himmelfahrt sah. Die Ansässigen sind sofort aus der Stadt gegangen um die kommenden Karawanen zu begrüßen und zu sehen, ob der Prophet (s.a.s.) Recht hatte. Wie vom Propheten (s.a.s.) beschrieben, kamen die Karawanen an und die Ansässigen sahen dies, ihre Herzen blieben jedoch für den Glauben verschlossen.

Trotzdem wollten sie hintereinander Beweise für die Himmelfahrt. Der Prophet (s.a.s.) erzählte von der Reise nach Jerusalem und zur Masǧid al-Aqṣā. Den Ansässigen stoß dies auf und sie entgegneten „Wie kannst du in einer Nacht dahin gelangen, wo man normalerweise einen Monat für diese Reise brauchen würde?“ und jene, die die Masǧid al-Aqṣā schon mal gesehen haben fragten den Propheten (s.a.s.) ob er denn die Masǧid al-Aqṣā beschreiben könnte.

Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) schilderte: Ihre Verleugnungen und Befragungen bedrückten mich. Ich hatte bisher sogar noch nie solch eine Bedrückung empfunden. Dann hat auf einmal Allah (c.c.) mir die Bayt al-Maqdis gezeigt. Ich habe diesen dann betrachtet und alles Stück für Stück beschrieben. Sie fragten mich sogar wie viele Türen die Bayt al-Maqdis hat. Ich hatte die Türen jedoch nicht gezählt. Als ich dann aber auf die Bayt al-Maqdis schaute habe ich die Türen nach einander gezählt und ihnen aufgelistet. 

Die Ungläubigen haben darauf geschworen, dass sämtliche Erzählungen stimmten, aber sie wollten trotzdem nicht glauben. In dem Moment erschien Hz. Abū Bakr und die Ungläubigen schilderten ihn von diesen Erzählungen. Hz. Abū Bakr antwortete "Wenn ihr diese Worte von ihm gehört habt sind sie ohne Zweifel wahr" und somit bestätigte er sie sofort, ab dem Zeitpunkt bekam er auch den Titel des Loyalen und zweifellos Glaubenden.   

Warum stieg unser Prophet (s.a.s.) in den Himmel auf?

Ein Herrscher kommuniziert zweierlei. Einmal kann er mit einem Bürger in seinem Reich verkürzt kommunizieren und eine kleine Angelegenheit besprechen. Er kann als Verwalter seines Reichs und seines Volkes mit seinen Gesandten privat sprechen, mit ihn Absprache halten und über ihn Verordnungen verkünden. Gleichermaßen kann man die Kommunikation zwischen Gott und seinen Untertanen begreifen. Zum einen kann eine spezielle und individuelle Kommunikation stattfinden und zum anderen kann eine allgemeingültige und allumfassende Kommunikation stattfinden. Die Inspiration, die manche Gottesfreunde mit hohen spirituellen Rang bekommen ist von erster Art.

Unser ehrenwerter Prophet (s.a.s.) ist über allen Rängen der Schöpfung erhaben und wird mit der Ansprache des allmächtigen Schöpfers beehrt, seine Kommunikation mit Gott ist von zweiter Art. Der Gesandte Gottes ist der Gesandte zweier Seiten. Er ist der Gesandte zwischen Recht und Volk und zwischen Volk und Recht. Die Eine ist die eher verborgene Seite der Himmelfahrt in Form der Gottesnähe und die Andere ist die offensichtliche Funktion als Gesandter Gottes. Der ehrenwerte Prophet (s.a.s.) ist also für uns und für unsere Repräsentanz in den Himmel aufgestiegen und hat so die Huldigung, das Gebet und den Gottesdienst sämtlicher Geschöpfe, allen voraus der Menschen dargestellt. Aus dieser Sicht ist die Himmelfahrt ein Aufstieg der Schöpfung und ein Weg zu Gott. Auf der anderen Seite brachte unser Prophet (s.a.s.) die Anweisungen und Verbote Gottes mit und verkündigte sie uns, das tägliche Gebet als die Essenz unserer Gottesdienste und unseres Glaubens ist solch ein Geschenk.

Wie kann der Prophet (s.a.s.) überhaupt mit Gott sprechen?

Wie hat man es zu verstehen, dass der Prophet (s.a.s.) einen Weg von 70 Tausend Jahren überquert und 70 Tausend Vorhänge aufmacht um anschließend mit Gott zu reden?
Gott ist jedem Geschöpf näher als alles andere aber die Geschöpfe sind unendlich entfernt von ihm. Wenn die Sonne z.B. einen Verstand hätte und mit uns reden wollte, könnte sie den Spiegel, der sich bei uns befindet dafür nutzen. Andererseits können wir uns mit unserem Auge, der auch wie eine Art Spiegel fungiert, uns der Sonne nähern. Jedoch ist die Sonne eigentlich immens viele Kilometer entfernt von uns. Es ist selbstverständlich unmöglich, dass ein Mensch sich körperlich der Sonne nähert. In diesem Sinne kann auch kein Mensch sich Gott körperlich nähern, denn Gott ist unendlich entfernt von allen Geschöpfen. Der Prophet (s.a.s.) ist aber mit der Erlaubnis und der Gnade Gottes auf einmal in den Himmel aufgestiegen und hat alle Distanzen somit unter dem Willen Gottes überquert. Wenn man bedenkt, mit welcher Allmacht Gott sämtliche Galaxien bewegt und darunter unzählig viele gigantische Planeten mit unfassbarer Geschwindigkeit bewegt, dann ist es auch nicht absurd zu denken, dass ein Mensch unter dem Willen Gottes eine gewaltige Strecke in wenigen Momenten überquert. Das ist eine Demonstration der Allmacht Gottes. Daher ist diese Himmelfahrt auch ein Wunder und ein Geschenk Gottes.

Wie lässt sich die kurze Dauer der Reise erklären?

Zeit ist relativ. Denn verschiedene Geschöpfe bewegen sich in verschiedenen Dimensionen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Licht bewegt sich z.B. anders als der Körper. Dabei ist es bekannt, dass viel in kurzer Zeit geträumt werden kann. In manchen Träumen die nur wenige Minuten dauern, geschieht so viel, dass man damit ganze Bücher füllen könnte. Die Regeln von Raum und Zeit können sich also verändern und anders auf die Geschöpfe wirken. Dementsprechend hat sich die Wirkung von Raum und Zeit unter dem Willen Gottes verändert und der Prophet (s.a.s.) konnte somit in überirdischer Geschwindigkeit über sämtliche Dimensionen reisen, mit Gott sprechen und zurückkehren.

Gibt es oder gab es denn Vergleichbares damit man sagen könnte die Himmelfahrt ist möglich und glaubhaft?

Es gibt viele Beispiele zur Himmelfahrt. Der Mensch kann mit seinen Augen in einer Sekunde unfassbare Distanzen überqueren und Astrophysiker können mit ihren Apparaten und ihrem Handwerk in wenigen Minuten in die Ferne und Tiefe der Galaxie schauen. Auch der Gläubige kann in seinem täglichen Gebet auf eine Art und Weise den Kosmos hinter sich lassen und Gottes Einladung wahrnehmen. Jene Menschen mit hohen spirituellen Rang und einen tiefen Glauben haben oft besondere Taten vollbracht und Zustände erwiesen. Die Bücher und Überlieferungen erzählen davon. Dass der Prophet (s.a.s.) also in den Himmel aufgestiegen ist und zurückkehrte ist dem Denken und dem Glauben nicht so entfernt wie man anfänglich meinen könnte.

Die Geschenke der Himmelfahrt

Erstens: Unser ehrenwerter Prophet (s.a.s.) hat alle Glaubenswahrheiten mit seinen eigenen Augen gesehen. Er sah das Jenseits, den Himmel und sogar die Schönheit Gottes und mit seinen Worten in denen sich nicht der Hauch einer Lüge oder eines Zweifels finden lässt, wird den Gläubigen gesagt, es gibt das Jenseits und einen Himmel. Für die Gläubigen ist dies ein immenses Geschenk, denn ihr Prophet (s.a.s.) konnte durch die Himmelfahrt ihnen vom Jenseits erzählen und ihr Glaube wird nochmal bestärkt.

Zweitens: Der Mensch ist wissbegierig. Er fragt sich ob es noch Leben im All gibt und ob man im Mond leben könnte. Dabei ist der Mond innerhalb des göttlichen Kosmos lediglich ein kleiner Punkt. Auch die Gläubigen sind wissbegierig. Was will unser Schöpfer von uns? Was sollen wir tun damit unser Schöpfer uns wohlgestimmt ist? Während die Gläubigen mit ihrer Leidenschaft im Herzen auf die Antwort dieser Fragen brennen und alles dafür tun würden, wurde dem Propheten (s.a.s.) die Himmelfahrt geschenkt und er kann nun diese Fragen beantworten. Durch die Himmelfahrt konnte der Prophet (s.a.s.) den Gläubigen erklären, was sie zu tun haben, damit Gott ihnen wohlgestimmt ist, angefangen mit dem täglichen Gebet.

Drittens: Der Prophet (s.a.s.) hat den Schlüssel zur Glückseligkeit und zum Jenseits empfangen und den Geschöpfen gegeben. Er hat mit seinen eigenen Augen den Himmel gesehen, das unendliche Glück erlebt und diese große Freudennachricht mit den Gläubigen geteilt. Als Prophet aller Geschöpfe warten diese Geschöpfe auf seine frohe Botschaft und daher ist die Himmelfahrt so wertvoll.

Viertens: Der Prophet (s.a.s.) kam in den Genuss die Schönheit Gottes betrachten zu dürfen. Als er zurückkehrte überbrachte er den Gläubigen diese Botschaft und besagte, dass die Gläubigen im Himmel auch die Schönheit Gottes betrachten werden dürfen.

Fünftens: Mit der Himmelfahrt wurde deutlich, dass der Mensch die wertvollste Frucht des Kosmos und Gottes direkter Adressat ist. In den unendlichen Weiten der Galaxie ist der Mensch ein verschwindend kleines und schwaches Geschöpf und mit der Himmelfahrt ist der Mensch in solch eine Stufe empor gestiegen, dass sein Rang den Rang aller anderen Lebewesen übersteigt.

In welch hohen Rang steigt der schwache, vergängliche Mensch auf, der ständig von Trennung und Vergänglichkeit in dieser Welt getroffen wird, wenn man ihm sagt „du wirst in den unendlichen Himmel und zur unendlichen Barmherzigkeit Gottes aufsteigen“. Im Himmel wird der Mensch im unendlichen Reich Gottes in beliebiger Geschwindigkeit reisen und alle Gelüste des Herzens werden gestillt. Er kommt in den Genuss der Schönheit Gottes und wird damit unendlich beehrt. Die Euphorie und die Spannung der Gläubigen ist nur allzu gut denkbar. Die Himmelfahrt und speziell die freudige Botschaft die darin steckt ist eine große Botschaft und ein Ausblick für den Gläubigen.
 

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